“ Kampfbereitschaft oder Angriffslust eines Hundes“ LHundG
Wann zeigt der Hund eine „über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft oder Angriffslust“?
Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe in den Landeshundegesetzen durch die Gerichte
( “ Kampfbereitschaft oder Angriffslust eines Hundes“ Landeshundegesetze )Das sollten wir Hundehalter wissen, wenn wir aufgrund des Verhaltens unserer Hunde mit behördlichen Repressalien, wie Leinen- oder Maulkorbzwang, Gefährlichkeitsfeststellungen, Befriedung unseres Grundstückes und vielem mehr konfrontiert werden. Viele Gesetze nutzen Rechtsbegriffe, die so unbestimmt sind, dass mit ihnen per se nur wenig anzufangen ist. Die einzelnen Hundegesetze der Bundesländer machen da leider keine Ausnahme. Oft bedarf es erst einer Gerichtsentscheidung, um klarzustellen, wie ein Begriff aus dem jeweiligen Gesetz gemeint ist (rechtlich gesprochen: wie er auszulegen ist).
So lässt sich beispielsweise mit der Vorgabe „eine über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft oder Angriffslust“, wie sie in neun der bestehenden Landeshundegesetze oder –verordnungen steht (nämlich in § 1 Abs. 1 Nr. 4 LHundG Rheinland-Pfalz, § 5 Abs. 1 HundeG Berlin, § 8 Abs. 1 Nr. 1 HundehV Brandenburg, § 1 Abs. 1 Nr. 3 HuG Bremen,§ 2 Abs. 1 HundeVO Hessen, § 2 Abs. 1 Nr. 1 HundehVO Mecklenburg-Vorpommern § 7 Abs. 1 Nr. 1 HundG Niedersachsen, § 3 Abs. 3 Nr. 1 HundeG Sachsen-Anhalt und § 3 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) GefTierG Thüringen), zunächst wenig anfangen. Es drängt sich die Frage auf: Wann genau zeigt denn ein Hund diese „über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft oder Angriffslust“?
Ein wenig Licht ins Dunkel brachte das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz. In seinem Beschluss vom 11. Juni 2013 (Aktenzeichen: 7 B 10501/13) hatte es über den Antrag einer Hundehalterin zu entscheiden, die sich gegen Anordnungen der Behörde zur Wehr setzte. Diese hatte ihr aufgegeben, ihre belgische Schäferhündin außerhalb des befriedeten Besitztums anzuleinen und ihr einen das Beißen verhindernden Maulkorb anzulegen. Denn nach mehreren Beißvorfällen, in die die Hündin mit verschiedenen Hunden verwickelt war, attestierte die Behörde dem Tier ein überdurchschnittlich aggressives Verhaltens und stufte die Hündin daher als einen gefährlichen Hund im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 LHundG ein.
Daran hatte das OVG nichts auszusetzen. Es betonte, dass § 1 Abs. 1 Nr. 4 LHundG entscheidend auf die aktuelle psychische Verfassung, den Ist-Zustand, des Hundes abstelle, um ein Einschreiten bereits vor dem ersten Schadensfall zu ermöglichen. So sei es nicht erforderlich, dass der Hund in der Vergangenheit gebissen, gehetzt oder aggressiv bzw. gefahrdrohend Menschen oder Artgenossen angesprungen habe; vielmehr geschehe durch diese gesetzliche Regelung quasi eine Vorverlagerung der Präventionsschwelle.
Davon ausgehend führten die Richter zu dem unbestimmten Begriff des § 1 Abs. 1 Nr. 4 aus: „Vor diesem Hintergrund hat ein Hund grundsätzlich dann eine konfliktträchtige Eigenschaft, wie Kampfbereitschaft oder Angriffslust, über das natürliche Maß hinausgehend entwickelt, wenn bei ihm, ohne dass ein nachvollziehbarer Anlass besteht, ein gefährliches Verhalten (Beißen, Hetzen oder ähnliches) früher ausgelöst wird als bei Hunden, bei denen diese Merkmale nur durchschnittlich entwickelt sind. In diesem Zusammenhang ist in Rechnung zu stellen, dass ein Hund üblicherweise bei alltäglichen Belastungen, wie Menschenansammlungen oder Begegnungen mit anderen Hunden, sozial verträglich und erst bei einem Angriff oder einer in sonstiger Weise bedrohlichen Situation aggressiv reagiert. Damit übereinstimmend ist etwa das bloße Hochspringen am Zaun und das Bellen bei einer das Grundstück des Halters passierenden Person in der Regel ein artgemäßes, der Verteidigung des Reviers dienendes Verhalten.“ (Rn. 6, zitiert nach juris)
Bloß hatte die belgische Schäferhündin der Kläger ein solches, allein der Verteidigung dienendes Verhalten in der Vergangenheit gerade nicht gezeigt: Die Hündin war mehrmals auf andere Hunde zugerannt und hatte sie gestellt sowie dann auch gebissen, bei einem der Hunde hatte sie sogar nochmals angegriffen, nachdem der Halter des attackierten Hundes sie getreten hatte. So betonte dann auch das Gericht: „Das mehrfache Sich-Stürzen auf Artgenossen, ohne dazu besonders herausgefordert zu sein, zeigt indes eine überdurchschnittlich ausgeprägte extreme Kampfbereitschaft, die mit einem rassetypischen Verhalten nicht mehr in Einklang steht.“ (Rn. 11, zitiert nach juris)
Eine genaue Kenntnis dessen, wie die Gerichte die einschlägigen unbestimmten Begriffe der Hundegesetze auslegen, kann von einem juristischen Laien nicht erwartet und auch nicht geleistet werden, sodass hier anwaltliche Beratung helfen kann, die Lage einzuschätzen.
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