Gefährlicher Hund NHundG
Gefährlicher Hund NHundG
Gefährlichkeitsfeststellung eines Hundes nach § 7 NHundG:
Offensives Zulaufen ohne vorherigen Angriff des anderen Hundes ist kein artgerechtes Abwehrverhalten
(VG Braunschweig zu entscheiden (AZ: 5 A 195/14)
Über die Klage einer niedersächsischen Hundehalterin gegen den Bescheid einer Behörde hatte am 25. November 2015 das VG Braunschweig zu entscheiden. Die Hündin der Frau war nach einem Beißvorfall für gefährlich im Sinne des § 7 des Niedersächsischen Gesetzes über das Halten von Hunden (NHundG) http://www.recht-niedersachsen.de/21011/nhundg.htm erklärt worden. Auch in Niedersachsen hat die Behörde bei einem Hinweis auf eine gesteigerte Aggressivität des Tieres dessen Gefährlichkeit individuell festzustellen.
Der Gesetzestext :
§ 7 NHundG
Gefährliche Hunde
(1) 1Erhält die Fachbehörde einen Hinweis darauf, dass ein Hund, der von einer Hundehalterin oder einem Hundehalter nach § 1 Abs. 2 gehalten wird, eine gesteigerte Aggressivität aufweist, insbesondere
- Menschen oder Tiere gebissen oder sonst eine über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbreitschaft, Angriffslust oder Schärfe gezeigt hat oder
- auf Angriffslust, auf über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft oder Schärfe oder auf ein anderes in der Wirkung gleichstehendes Merkmal gezüchtet, ausgebildet oder abgerichtet ist,
so hat sie den Hinweis zu prüfen. 2Ergibt die Prüfung nach Satz 1 Tatsachen, die den Verdacht rechtfertigen, dass von dem Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, so stellt die Fachbehörde fest, dass der Hund gefährlich ist. 3Die Klage gegen die Feststellung nach Satz 2 hat keine aufschiebende Wirkung.
(2) 1Wer einen Hund hält, der außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes durch Verwaltungsakt als gefährlich eingestuft worden ist, hat dies der Fachbehörde unverzüglich mitzuteilen. 2Die Fachbehörde hat zu prüfen, ob der Hund gefährlich ist; Absatz 1 Sätze 2 und 3 gilt entsprechend.
Eine solche Feststellung hat u.a. zur Folge, dass eine Erlaubnis der Fachbehörde zum Halten dieses Hundes eingeholt werden muss, das Tier außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke angeleint und ausschließlich vom Hundehalter persönlich oder einer berechtigten Person geführt werden darf, der Hund einen Wesenstest zu bestehen sowie einen Maulkorb zu tragen hat. Diese weitreichenden Folgen wollte die Hundehalterin sich selbst und ihrer Hündin ersparen und klagte deshalb gegen den Bescheid, in welchem die Gefährlichkeit ihres Vierbeiners festgestellt worden war.
Ausschlaggebend für diese Beurteilung der Behörde war nachfolgender Beißvorfall:
Die Hündin der Klägerin war aus dem offenen Grundstückstor auf die Straße gelaufen, um sich auf einen vorbeigehenden Tibet-Terrier zu stürzen, der dort gerade von seiner Halterin Gassi geführt worden war. Dieser hatte mehrere Beißverletzungen davon getragen und musste umfassend tierärztlich behandelt werden.
Die Klägerin verteidigte das Verhalten ihrer Hündin damit, diese habe den anderen Hund nicht ohne Vorwarnung angegriffen. Vielmehr habe es bereits vorher Unverträglichkeiten zwischen beiden Tieren gegeben, während derer beide jedoch stets angeleint gewesen wären und so keine Möglichkeit zu einer Auseinandersetzung gehabt hätten. Am Tag des Vorfalls hätte ihre Hündin den anderen Hund dann in ihrem Kernterritorium vor dem Grundstück gesehen und daher lediglich gestellt und „festgesetzt“, um dieses zu verteidigen. Daher sei sie nicht als „gefährlich“ einzustufen und der Feststellungsbescheid rechtswidrig.
Die Richter nahmen diese individuelle Unverträglichkeit beider Hunde zwar als tierpsychologische Erklärung für die Auseinandersetzung hin, doch ergab sich für sie allein daraus keine andere Einstufung der Hündin. Vielmehr sei entscheidend, dass sie ein anderes Tier mehr als nur geringfügig verletzt hat: „Denn auch ein Festsetzen in der von der Klägerin geäußerten Art erfolgt mit dem Maul, sodass dies zwangsläufig einen Kontakt der Zähne mit der Haut des anderen Hundes zur Folge hat, was Verletzungen hervorrufen kann. Deshalb schließt ein Festsetzen allein die Verwirklichung des Regelbeispiels des § 7 Abs. 1 S.1 Nr. 1 NHundG nicht aus.“ (Rn. 44, zitiert nach juris). Die konkreten Auswirkungen der Verletzungen des anderen Hundes (welche die Klägerin bestritt) seien dabei nicht allein maßgeblich, so die Richter, denn mit Verweis auf die Rechtsprechung des OVG Niedersachsen (Beschluss vom 18. Januar 2012, AZ: 11 ME 423/11, Rn. 5 (zitiert nach juris) blieben außer Betracht allein „ganz geringfügige Verletzungen wie etwa einzelne herausgerissene Haare oder sehr kleine oberflächliche Kratzer .
Da der Tibet-Terrier jedoch mehr als nur diese ganz geringfügigen Verletzungen davon getragen hatte, konnte die Klägerin mit ihrem Vorbringen im Hinblick auf diese Rechtsprechung nicht gehört werden.
Auch konnte die Richter das Argument der Klägerin, ihre Hündin habe nur ein artgerechtes Abwehrverhalten gezeigt, indem sie ihr Kernterritorium verteidigt habe, nicht überzeugen. Sie stellten zwar nicht in Abrede, dass dieses Kernterritorium eines Hundes (abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalles) weit reichen könne- jedoch nicht so weit wie in diesem Falle: „Dass jedoch auch der öffentlich zugängliche Bereich vor dem Grundstück darunter zu fassen ist, erscheint der erkennenden Kammer zu weitgehend.“ (Rn. 61, zitiert nach juris).
Daneben ließen die Richter nicht zu, dass die Klägerin allein ihrer Hündin die gesamte Schuld zuschob, indem sie –wie auch eine Gutachterin festgestellt hatte – der Frau anlasteten, nicht vorausschauend genug gehandelt zu haben, als sie ihre Hündin bei geöffnetem Grundstückstor unangeleint aus der Haustür gelassen hatte.
Besonders ausführlich setzte sich das Gericht mit dem Vorbringen der Klägerin auseinander, ihr Hund habe nur ein artgerechtes Abwehrverhalten gezeigt und sei deshalb nicht als „gefährlich“ im Sinne des § 7 NHundG einzustufen. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass zwar in ständiger Rechtsprechung anerkannt sei, dass ein eindeutiges artgerechtes Abwehrverhalten als Rechtfertigung einer hundlichen Bißattacke anerkannt werden könne (Nds. OVG, Beschluss vom 18. Januar 2012 (AZ: 11 ME 423/11, Rn 7 m.w.N). Doch habe die Hündin der Klägerin hier ein solches gerade nicht gezeigt, wie das Gericht in seiner zum 2.Leitsatz dieser Entscheidung erhobenen Erklärung festhielt: „Ein artgerechtes Abwehrverhalten liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn der für gefährlich erklärte Hund in äußerlich erkennbar eindeutiger Weise offensiv auf den anderen Hund zugelaufen ist, ohne einem vorherigen Angriff dieses anderen Hundes ausgesetzt gewesen zu sein.“
Damit beurteilten die Richter die Einstufung der Behörde, die Hündin sei „gefährlich“ im Sinne des § 7 NHundG, als richtig und den Bescheid daher als rechtmäßig, sodass die Klage abgewiesen wurde.
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