Tierhalterhaftung bei „aggressiven“ und bissigen Hunden
Tierhalterhaftung bei „aggressiven“ und bissigen Hunden
Erhöhte Sorgfaltsanforderungen an die Beaufsichtigung von aggressiven und bissigen Hunden
BGH, Urteil vom 03.05.2005, VI ZR 238/04
Der Sachverhalt:
Tierhalterhaftung bei „aggressiven“ und bissigen Hunden Der Besitzer eines Reiterhofes beherbergte neben Pferden unter anderem auch zwei Rottweiler. Um Besucher vor der Gefährlichkeit der Hunde zu warnen, wurde ein Schild an der Toreinfahrt des umzäunten Grundstücks und ein weiteres an der Haustür des Wohnhauses angebracht. Dessen Aufschriften waren „Warnung vor dem Hund“ und „Vorsicht, bissiger Hund“.
Sofern es zu einem regen Publikumsverkehr auf dem Reiterhof kam, waren die Hunde in einem Zwinger untergebracht. Allerdings wollte im September 2001 ein Mann seine Verlobte von dem Reiterhof abholen. Dies war dem Beklagten bekannt.
Zu dieser Zeit fand gerade kein reger Publikumsverkehr statt, sodass die Hunde nur im Wohnhaus verweilten. Der Mann öffnete auf der Suche nach seiner Verlobten die Haustür und wurde von den zwei Rottweilern „angefallen“. Nachdem er zahlreiche Bisswunden erlitt, erhob er Klage auf Schadensersatz gegen den Reiterhofbesitzer.
Die Entscheidungen der Gerichte:
Die verschiedenen Instanzen waren sich alle uneins. Zunächst wurde die Klage vom Amtsgericht Freiberg bearbeitet. Dieses gab einem Schadensersatzanspruch grundsätzlich statt, jedoch wurde ein Mitverschuldensanteil von 75 % beim Kläger angenommen.
Anschließend äußerte sich das Landgericht Chemnitz in der Berufung zu diesem Fall und wies die Klage ab. Der Ansicht des Landgerichtes nach müsse der Hundehalter nicht nach § 833 Satz 2 BGB haften, da dieser bei Beaufsichtigung der „Nutztiere“ die erforderliche Sorgfalt beachtet hätte.
Nach Argumentation des Landgerichts seien die Hunde Nutztiere, da dies offensichtlich an der Art der Hundehaltung bestätigt werde und außerdem würden Hunde von solcher Größe auf einem zu Erwerbszwecken geführten Reiterhof gehalten um den Schutz des Objekts und der Reittiere sicherzustellen. Soweit die Hunde Nutztiere iSd BGB seien, so wäre eine Haftung ausgeschlossen, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt eingehalten worden wäre. Der Beklagte habe nach Ansicht des Gerichts die im Verkehr erforderliche Sorgfalt mit Hilfe der Warnschilder beachtet. Er hätte darauf vertrauen dürfen dass kein Unbefugter das Grundstück und speziell das Haus betreten würde. Das Landgericht Chemnitz sah ein überwiegendes Mitverschulden des Klägers und wies die Klage ab.
Daraufhin legte der Kläger Revision vor dem Bundesgerichtshof ein.
Der BGH wiederum sah einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten. Zunächst aber wurde diskutiert, dass die Einordnung der Hunde als Nutztiere nicht zutreffe und dass der Hundehalter seiner Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf die Nutztierhaltung der beiden Rottweiler nicht nachgekommen sei. Überdies sah der BGH die frei im Haus herumlaufenden Tiere als einen erheblichen Sorgfaltsverstoß an. Somit widersprach er der Auffassung des Landgerichts und ging nicht von einem überwiegenden Mitverschulden des Klägers aus.
Nach Ansicht des BGH bestünden erhöhte Sorgfaltsanforderungen bei Beaufsichtigungen von bekanntermaßen aggressiven oder bissigen Hunden. Es komme auf die Gefährlichkeit des Hundes an, mit steigender Gefährlichkeit müsse eine sicherere Verwahrung garantiert werden. Es sei notwendig zu verhindern, dass die Tiere unbedacht ins Freie gelangen und Menschen verletzen.
Mit Bezug auf den Fall sei es somit nicht angemessen gewesen, die Hunde im Haus zu halten, zumal es bekannt war, dass der Kläger erscheinen würde. Im Unterlassen des Wegsperrens (wie zB in den Zwinger) sei ein erheblicher Sorgfaltsverstoß zu erkennen. Denn es sei damit zu rechnen gewesen, dass der Kläger, wenn er seine Verlobte nicht an dem Gelände antreffen würde, versuchen würde ins Haus zu kommen.
Auch ein Mitverschulden des Klägers verneinte der BGH. Denn dieser hätte nicht auf eigene Gefahr gehandelt. Zutreffen würde jener Aspekt nur, wenn jemand sich bewusst Risiken aussetze, die über die normale Tiergefahr hinausgingen. Anhaltspunkte, um ein Handeln auf eigene Gefahr anzunehmen fehlen somit, denn er setzte sich nicht mit Öffnen der Tür bewusst dem Risiko aus, gebissen zu werden, er dachte gar nicht darüber nach.
Der Beklagte muss Schadensersatz in vollem Umfang an den Kläger zahlen.
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