Umzug mit einem sog. Listenhund aus einem anderen Bundesland, zum Beispiel Niedersachsen, nach NRW

VG Düsseldorf, Urteil vom 26.04.2017 – 18 K 6990/15

Für die Haltung bestimmter Hunde gibt es je nach Bundesland unterschiedliche Voraussetzungen, die der Hundehalter erfüllen muss. Je nach Bundesland gibt es verschiedene Verordnungen, in denen einzelne Hunderassen als gefährlich eingestuft (Listenhunde) und strenge Anforderungen an die Haltung gestellt werden. Es ist deswegen notwendig sich bei einem Umzug in ein anderes Bundesland genau über die Vorgaben dort zu informieren, da es bei einem Verstoß zu einer Haltungsuntersagung des Hundes kommen kann. So auch im folgenden Fall.

Sachverhalt:

Der Kläger und seine damalige Frau wohnten vom 21.12.2005 bis zum 20.04.2015 in NRW, wo er in der Straße I in der Stadt E gemeldet war. Am 27.05.2015 meldete er sich rückwirkend zum 20.04.2015 in der Straße C in Niedersachsen an. Dort erwarb er seinen Hund „Devil, einen American Staffordshire Terrier. (Der Erwerb und die Haltung eines American Staffordshire Terrier bedürfen in Niedersachsen keiner besonderen Erlaubnis!).  Dann meldete er sich am 08.07.2015 erneut in der Stadt E in NRW an; diesmal aber in der Straße N.

Am 20.05.2015, also zu der Zeit als er schon in Niedersachsen gewohnt haben soll, informierte ein Bewohner der Straße N die Stadt E in NRW (Beklagte), dass der Kläger und seine Frau in seiner Straße wohnen würden und einen American Staffordshire Terrier hielten. (Der American Staffordshire Terrier zählt in NRW zu den gefährlichen Hunde, deren Haltungserlaubnis und Erwerb an strenge Bedingungen geknüpft sind!) Daraufhin begab sich eine Außendienstmitarbeiterin der Beklagten am 25.06.2015 zur genannten Adresse, wo sie einer Frau begegnete, die gerade mit einem Hund namens Devil spazieren ging. Sie erzählte, dass sie sich um den Hund kümmere, wenn der Kläger sich in der Stadt E aufhalte.

Am 08.07.2015 meldete der Kläger seinen Hund in NRW an. Er gab an, den Hund beim Umzug aus Niedersachsen mitzubringen. Auch beim Ordnungsamt der Beklagten meldete er sich noch am gleichen Tag und verschickte mit einem Fax einen Meldebogen für „große Hunde“. Damit meldete er den Staffordshire Terrier an. Er teilte mit, seit dem 28.04.2015 Halter des Hundes zu sein.

Am 24.07.2015 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er Halter eines American Staffordshire Terrier sei, demnach eines „gefährlichen Hundes“. Er habe die erforderliche Sachkundeprüfung absolviert und zudem ein eigenes Konzept zur Vorbereitung auf die Sachkundeprüfung erstellt. Auch wisse er um die Verantwortung, die mit dem Halten eines solchen Hundes einhergehe, weswegen er mit seinem Hund eine Hundeschule besuche.

Die Beklagte sah die Voraussetzungen zur Haltung eines gefährlichen Hundes als nicht erfüllt an und gab dem Kläger mittels eines Schreibens vom 18.08.2015 nach § 28 VwVfG die Möglichkeit sich bis zum 02.09.2015 zu der beabsichtigten Haltungsuntersagung zu äußern.

Inhalt der Ordnungsverfügung vom 18.09. 2015:                               

Die Beklagte untersagte dem Kläger, die weitere Haltung des Hundes und forderte ihn auf, ihn bis zum 07.10. 2015 abzugeben. Zudem untersagte sie ihm ab dem 08.10. 2015 die Haltung, Führung und Betreuung von gefährlichen Hunden nach dem Landeshundegesetz (LHundG).         Außerdem ordnete sie die sofortige Vollziehung dieser Maßnahmen an. Des Weiteren drohte sie bei Nichteinhaltung mit einer Beschlagnahmung des Hundes, sowie die sofortige Wegnahme aller entgegen der Ordnungsverfügung gehaltenen, geführten Hunde oder betreuten Hunde.

Gegen die Ordnungsverfügung reichte der Kläger beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage ein.

Er führte an, dass ihm zu wenig Zeit zu seiner Stellungnahme gegeben worden sei. Weiterhin erklärte er, dass es sich bei seiner Anmeldung in Niedersachsen nicht um eine Scheinanmeldung (wie von der Beklagten behauptet) handele. Er habe dort gelebt und sich wegen seiner Firma oft in E aufgehalten. Die Firma habe dort zwei Büros. Ein Büro sei in der Straße I, ein zweites in der Straße N. Deswegen sei auch die Post aus dem Büro in der  Straße N verschickt wurden. Während seiner Zeit in Niedersachsen, habe er den Hund Devil von einem Privatmann gekauft und ihn ordnungsgemäß nach dem niedersächsischen Landeshundegesetz angemeldet. Nach einiger Zeit habe er sich entschieden nach E zurückzukehren. Er habe sich telefonisch bei D erkundigt, ob und wie das mit einem Hund dieser Rasse möglich sei. Man habe ihm nicht erklärt, dass die Dauer seines Aufenthalts in Niedersachsen von Bedeutung sei. Am 08.07.2015 sei Devil von ihm mit der richtigen Rassebezeichnung angemeldet worden. Auf der Seite der Stadt E habe er keinen Antrag auf Haltungserlaubnis nach §§ 3, 4 LHundG gefunden, sodass seine Halteranzeige für große Hunde im Sinne des Meistbegünstigungsgrundsatz als Antrag auf Erteilung einer Haltungserlaubnis ausgelegt werden müsse. Die Voraussetzungen für die Erlaubnis lägen vor. Auch liege das im LHundG geforderte private Interesse vor, da er den Hund rechtmäßig in Niedersachsen gekauft habe. Weiterhin stehe es gemäß Art. 11 GG ihm zu, an jedem Ort innerhalb Deutschlands zu wohnen und seinen Hund als sein Eigentum mitzunehmen. Das Landeshundegesetz NRW könne sein Grundrecht aus Art. 11 GG nicht einschränken. Deswegen müsse ihm die Haltungserlaubnis für den Hund erteilt werden. Auch könne man ihm nicht verbieten, bestimmte Hunde zu halten, da er zuverlässig sei. Er habe am 11.03.2015 beim zuständigen Veterinäramt den nach dem LHundG NRW erforderlichen Sachkundenachweis absolviert und vom Ordnungsamt die Erlaubnis zum Ausführen eines anderen Staffordshire-Terrier (Pluto) aus dem Tierheim in E erhalten.

Die Beklagte beantragte die Klage abzuweisen:

Sie erläuterte, dass kein Anhörungsmangel vorliege, da der Kläger genug Zeit zur Stellungnahme gehabt habe. Weiterhin habe er bereits am 11.03.2015 den Sachkundenachweis nach LHundG NRW abgelegt, sodass er über die Vorgaben bei der Haltung eines gefährlichen Hundes in Nordrhein-Westfalen Bescheid wisse. Er sei nur für einen kurzen Zeitraum in Niedersachsen gemeldet gewesen, was zu der Annahme führe, dass er nur umgezogen sei, um eine Legalisierung der Haltung seines privat erworbenen Welpen zu bezwecken. Der Kläger habe gewusst, dass der Umzug nach NRW mit einem gefährlichen Hund schwierig sei. Deswegen hätte er sich beim Ordnungsamt genau darüber informieren müssen. Das Bestehen eines besonderen privaten Interesses zur Haltung des Hundes sei nicht ersichtlich. Zudem sei zu bezweifeln, dass der Hund nur zum Hundetraining nach E. gebracht worden sei. Auch die Angaben hinsichtlich des Tierheimhundes Pluto hätten Fragen aufgeworfen. Entgegen der Beschreibung des Klägers sei er als unzuverlässig angesehen worden, sodass von jeder Vermittlung eines Hundes abgesehen worden sein.

 

Entscheidung:

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die Ordnungsverfügung der Stadt E vom 18.09.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 I 1 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Haltungserlaubnis für den American Staffordshire-Terrier Devil.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf argumentiert wie folgt:

§ 12 II 1 LHundG NRW untersage die Haltung eines gefährlichen Hundes, wenn die Erlaubnisvoraussetzungen nicht gegeben sind, eine Erlaubnis nicht innerhalb der Frist beantragt oder eine Erlaubnis versagt worden ist. Bei dem Hund handele es sich um einen gefährlichen Hund nach LHundG. Der Kläger habe keine solche Erlaubnis und erfülle in seiner Person auch nicht die Voraussetzungen einer Erlaubniserteilung. Unabhängig davon, ob er zuverlässig sei oder nicht, läge kein besonderes privates oder öffentliches Interesse an der weiteren Haltung vor. Ein öffentliches Interesse könne grundsäztzich bei einem Tierheimhund (aus NRW), der an eine Privatperson vermittelt werden soll, bejaht werden. Der Kläger habe den Hund aber nicht aus einem Tierheim übernommen, sondern privat gekauft. An ein besonderes Interesse seien enge Bedingungen geknüpft, um die Menschen ausreichend vor gefährlichen Hunden zu schützen. Aus diesem Grund ergebe sich ein privates Interesse nicht allein daraus, dass er den Hund in Niedersachsen (wo er ihn ohne Erlaubnis halten durfte) gekauft und angemeldet hatte und ihn dann bei dem Umzug nach Nordrhein-Westfalen mitbrachte.                                                                 

Weiterhin könne sich der Kläger nicht auf Vertrauens oder Bestandsschutz berufen, da er die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen vor seinem Umzug kannte.

Der Verweis des Klägers auf Art. 11 GG, nach dem er Freizügigkeit genieße und sein Eigentum mitnehmen dürfe, ergebe keine andere rechtliche Bewertung des Falles. Die strengen Vorschriften sollen den Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Hunden gewährleisten. Sie seien deswegen verfassungskonform.

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

Gefährlichkeitsfeststellung und Haltungsuntersagung zweier Akita-Inu Rüden nach Angriff auf Schafe

OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 04.12.2018 – OVG 5 S 19.18

Sachverhalt:

Die Antragstellerin ist Halterin zweier Akita-Inu Rüden. Diese wurden eines Tages von einem Schäfer dabei angetroffen, wie sie seine verängstigten Schafe, die sich in ihrer Schutzhütte in eine Ecke drängten, anbellte. Der Schafhalter rief die Polizei und die Hundehalterin hinzu, so dass der Vorfall bei der beklagten Ordnungsbehörde aktenkundig wurde. Der Schäfer stellte kurz nach dem Vorfall bei zwei Schafen offene, noch nicht verschorfte Bisswunden fest. Die Beklagte stellte daher die Gefährlichkeit der Akita-Inu Rüden fest und ordnete eine sofort vollziehbare Haltungsuntersagung an, sowie dass die Akita-Inu Rüden an ein Tierheim oder eine andere Person die gefährliche Hunde halten darf abgegeben werden.

Hiergegen hat die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz ersucht und unter anderem  eingewendet, dass der Schäfer gar nicht gesehen hätte, dass die Akita-Inu Rüden die Schafe tatsächlich gebissen hätten, er habe lediglich die Akita-Inu Rüden im Stall angetroffen. Zeugen dafür, dass die Akita-Inu Rüden die Schafe tatsächlich gebissen hätten, gäbe es nicht.

Entscheidung:

Der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung wurde abgelehnt. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit überwiegt vorliegend das private Interesse der Hundehalterin, vorerst von der Vollziehung verschont zu bleiben. Nach der summarischen Prüfung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ist davon auszugehen, dass sich der Bescheid auch in der Hauptsache voraussichtlich als rechtmäßig erweisen wird. Der Schäfer konnte glaubhaft bezeugen, dass die Akita-Inu Rüden die Schafe in ihrem Unterstand angebellt hatten und sie kurz darauf Bissverletzungen aufgewiesen haben. Es ist daher davon auszugehen, dass die Verletzungen durch die Akita-Inu Rüden verursacht wurden. Die Einwände der Antragstellerin waren dagegen völlig unsubstantiiert. So hatte sie vorgetragen, es könne genauso gut sein, dass die Schafe von einem Wolf angegriffen worden seien und ihre Akita-Inu Rüden den Wolf vertrieben hätten. Zudem sei es völlig lebensfremd, dass die Akita-Inu Rüden, die ebenfalls auf dem Grundstück befindlichen Hühner unbehelligt gelassen haben sollen, aber die Schafe angegriffen hätten. Diese Behauptungen wurden in keiner Weise näher belegt. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren hat das Gericht nur eine summarische Prüfung vorzunehmen und brauchte daher nicht näher auf diese rein spekulativen Behauptungen einzugehen. Auch dass die Akita-Inu Rüden keine Blutspuren an ihren Schnauzen gehabt haben sollen, kann den von dem Zeugen dargelegten Sachverhalt nicht widerlegen, denn es ist nicht zwingend notwendig, dass nach dem Biss eines Schafes Blutspuren am Maul des Hundes zu finden sind. Die Akita-Inu Rüden haben daher nach Überzeugung des Gerichts ohne Anlass die Schafe des Zeugen gebissen und verletzt.

Die Vermutung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 HundehV ist unwiderleglich, so dass die Feststellung der Beklagten, dass es sich bei den Akita-Inu Rüden um gefährliche Hunde nach dieser Vorschrift handelt, nicht zu beanstanden ist. Es spielt daher auch keine Rolle, dass die Akita-Inu Rüden zuvor nie auffällig geworden sind und auch der Amtstierarzt kein aggressives Verhalten feststellen konnte. Ein einmaliger Beißvorfall reicht für die Vermutung der Feststellung der Gefährlichkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 HundehV aus.

Die Akita-Inu Rüden der Antragstellerin sind daher gefährliche Hunde, weswegen es zu ihrer weiteren Haltung einer Erlaubnis gemäß § 10 Abs. 1 HundehV bedürfe. Eine solche hat die Antragstellerin jedoch bislang weder beantragt noch erhalten, so dass auch das Haltungsverbot rechtmäßig erfolgte.

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

Einstufung eines Schäferhundes als gefährlicher Hund

OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 12.06.2018 – OVG 5 N 69.16

vorgehend VG Cottbus, Urt. v. 22.09.2016 – VG 3 K 281/13

Sachverhalt:

Die beklagte zuständige Ordnungsbehörde erhielt zunächst Kenntnis von einem Beißvorfall mit einem Schäferhund, wonach dieser einen Welpen mehrfach gebissen haben soll. Der Welpe sei dabei leicht am Bauch verletzt worden, habe allerdings nicht behandelt werden müssen. Etwa ein dreiviertel Jahr später wurde der Beklagten ein weiterer Vorfall mit diesem Schäferhund gemeldet. Dabei soll der Schäferhund unangeleint von einem Grundstück auf ein Kind, das mit seinem Fahrrad auf dem Bürgersteig vor dem Grundstück stand, zugelaufen sein, es angesprungen und gebissen haben, wobei die Jacke des Kindes beschädigt wurde und es am Oberschenkel Hämatome erlitt. Dabei soll der Schäferhund die Rufe des Halters ignoriert haben. Der Kläger, Halter und Eigentümer des besagten Schäferhundes, erhielt daraufhin eine Ordnungsverfügung, wonach der Schäferhund als gefährlich im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2,4 Hundehalterverordnung eingestuft wurde. Zusätzlich wurde ein Leinen- und Maulkorbzwang außerhalb befriedeten Besitztums angeordnet. Der Schäferhund dürfe auch nur noch Personen überlassen werden, die den Schäferhund sicher führen könnten und die zum Führen gefährlicher Hunde erforderliche Erlaubnis besäßen. Für den Fall des Zuwiderhandelns wurde ein Zwangsgeld von je fünfhundert Euro festgesetzt.

Gegen diese Verfügung legte der Kläger Widerspruch ein. Er behauptete, sein Schäferhund habe ganz normal mit dem Welpen gebalgt, eine Aggression seitens des Schäferhundes hätte nie bestanden, auch habe er nicht nach ihm gebissen. Auch der Vorfall mit dem Kind wurde bestritten. Zwar sei der Schäferhund auf das Kind zugelaufen, er habe es aber weder angesprungen noch gebissen. Außerdem sei der Schäferhund hierbei an einer Flexileine angeleint gewesen.

Nachdem die Beklagte alle Beteiligten sowie einen weiteren Zeugen angehört hatte, änderte sie ihre Verfügung durch Widerspruchsbescheid dahingehend ab, dass der Leinenzwang nicht für als „Hundeauslaufgebiet“ gekennzeichnete Flächen gelte, sofern der Hund durch einen Maulkorb gesichert sei, im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Hiergegen wendete sich der Hundehalter mit seiner Klage.

 

Entscheidung:

Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen und auch der Antrag auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheids war rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Schäferhund wurde zu Recht als gefährlich eingestuft. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 HundehVO gelten Hunde als gefährlich, die als bissig gelten, weil sie einen Menschen oder ein Tier durch Biss geschädigt haben, ohne selbst angegriffen oder dazu durch Schläge oder in ähnlicher Weise provoziert worden zu sein, oder weil sie einen anderen Hund trotz dessen erkennbarer artüblichen Unterwerfungsgestik gebissen haben. Nach Anhörung der Beteiligten und der Zeugen hat sich der Sachverhalt zumindest hinsichtlich des Vorfalls mit dem Kind bestätigt. Dabei verlangt die Schädigung durch einen „Biss“ nicht, dass die Zähne des Hundes die Haut des Opfers durchdringen müssen. Ein Zuschnappen mit Verletzungsfolgen reicht aus. Es kommt dabei weder auf die Größe und Intensität der Hämatome und Verletzungen noch auf das Erfordernis einer ärztlichen Behandlung an. Vorliegend hatte das Kind Hämatome davon getragen, welche auch durch Fotos belegt werden konnten. Der Vorgang konnte zudem durch die beschädigte Jacke bestätigt werden. Der Kläger hatte zudem für die beschädigte Jacke 50€ an die Eltern des Kindes gezahlt, was auch dafür sprach, dass sich der Vorfall so zugetragen hat.

Auf die Frage, ob eine Gefährlichkeit des Hundes des Klägers auch wegen des Vorfalls mit dem Welpen zu bejahen ist, kam es daher nicht mehr an, jedoch sprachen auch hier die Zeugenaussagen dafür, dass es sich nicht um normales balgen gehandelt habe. Vielmehr sei der Schäferhund in aggressiver Weise auf den Welpen losgegangen.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ordnungsverfügung lagen daher vor. Die Anordnungen waren auch nicht unverhältnismäßig. Sie waren geeignet und erforderlich, um die Bevölkerung bzw. andere Tiere vor dem Schäferhund des Klägers zu schützen. Angesichts des geringen Eingriffs in die Handlungsfreiheit des Klägers bestanden auch keine Zweifel an der Angemessenheit der Regelungen. Das OVG konnte zudem keinerlei Fehler in der Beweiswürdigung feststellen, so dass kein Grund für die Zulassung der Berufung bestand.

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

 

Zur Einstufung eines American Bullys als gefährlicher Hund

Listenhunde

Listenhunde NRW

OVG Münster, Beschluss vom 11.06.2018 – 5 B 222/18

Sachverhalt:

Die Antragstellerin ist Halterin eines sogenannten American Bullys. Sie erhielt von der zuständigen Ordnungsbehörde eine Ordnungsverfügung, nach welcher ihr die Haltung des American Bullys untersagt und sie zur Abgabe des American Bullys aufgefordert wurde. Für den Fall, dass sie der Anordnung nicht nachkomme, wurde ein Zwangsmittel angeordnet. Zusätzlich wurde die sofortige Vollziehung angeordnet. Hiergegen beantragte die Hundehalterin vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht Köln. Dieses hatte zunächst den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen. Gegen die Entscheidung legte die Antragstellerin Beschwerde zum OVG ein.

 

Entscheidung:

Das OVG Münster gab der Beschwerde statt und ordnete die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage an.

Erstinstanzlich hatte das Verwaltungsgericht Köln zunächst angenommen, dass die Einordnung des American Bullys als gefährlicher Hund im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW keinen ernstlichen Zweifeln begegne. Unstreitig handele es sich bei dem Hund der Antragstellerin um einen American Bully. Dies ist eine Züchtung aus American Staffordshire Terriern und Pitbull Terriern, ohne dabei selbst eine anerkannte Hunderasse zu sein. Daher seien American Bullys als Kreuzungstiere im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW anzusehen, da ganz regelmäßig der Phänotyp einer der beiden Rassen hervortrete. Dies sei auch hier von der Amtstierärztin im Rahmen eines Rassengutachtens festgestellt worden.

Das Oberverwaltungsgericht hegte an dieser Ansicht jedoch erhebliche Zweifel, denn der American Bully ist zwar weder nach FCI noch nach VDH eine eigene Hunderasse, wohl aber seit 2013 nach dem amerikanischen United Kennel Club (UKC), der einen entsprechenden Rassestandard anerkannt hat. Es komme daher zumindest in Betracht, dass es sich bei dem American Bully nicht lediglich um eine Kreuzung, sondern um eine eigenständige Hunderasse handelt, welche nicht von § 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG umfasst ist.

Das Gesetz verwendet den Begriff der Rasse ohne ihn genauer zu definieren, es bezieht sich insoweit auf die Definitionen der Rassestandards durch Zuchtverbände. Unter welchen Voraussetzungen ein Hund, der nicht einer im Gesetz ausdrücklich genannten Hunderassen angehört, dennoch als gefährlicher Hund eingestuft werden kann, ist gerichtlich noch nicht allgemein und abschließend entschieden.

Handelt es sich bei dem Hund der Antragstellerin nicht um einen gefährlichen Hund im Sinne des   § 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW, so wäre der Hund lediglich als großer Hund gemäß § 11 Abs. 1 LHundG NRW einzustufen. Eine Haltungsuntersagung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW hätte dann keine Grundlage. Sollte man jedoch zu dem Schluss kommen, dass der Hund als gefährlich im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW einzustufen ist, so lägen die Voraussetzungen für eine solche Verfügung vermutlich vor, da die Halterin kein besonderen privates Interesse an der Haltung des Hundes dargelegt hat. Die Verfügung wäre dann aller Voraussicht nach nicht zu beanstanden.

Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren bedarf es einer Interessenabwägung zwischen den Interessen des Antragstellers und denen des Antragsgegners im Hinblick auf die Folgen der sofortigen Vollziehung, wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nach summarischer Prüfung offen sind. Diese Abwägung fällt hier zu Lasten der Behörde aus. Würde die Beschwerde zurückgewiesen und würde sich in der Hauptsache die Verfügung als rechtswidrig erweisen, so bestünde die Gefahr, dass der American Bully zu Unrecht in ein Tierheim verbracht werden müsste. Hierbei würden Kosten entstehen und der American Bully würde aus seinem gewohnten Umfeld gerissen. Da der American Bully zudem bislang anstandslos von der Antragstellerin gehalten wurde, ist keine konkrete Gefahr für Dritte erkennbar, würde der American Bully bis zur endgültigen Entscheidung bei ihr verbleiben.

Die endgültige Entscheidung darüber, ob ein American Bully nun als Kreuzung oder als eigenständige Rasse – die jedoch nicht vom LHundG umfasst ist – anzusehen ist, bleibt bis zur Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

Gefährlichkeitseinstufung eines Hundes nach „Anspringen“

Anspringen kann zur Begründung der Gefährlichkeit eines Hundes ausreichen 

OVG NRW, Beschluss vom 20.04.2012 – 5 B 1305/11

Sachverhalt:

Die Antragstellerin ist Halterin eines Shar Pei. Dieser sprang bei einem Spaziergang, bei dem er angeleint war, ein sechsjähriges Mädchen an, wobei dieses hinfiel und sich zwei etwa 5cm lange Quetschungen am Bein zuzog. Ob diese Verletzungen durch den Sturz an sich oder einen Biss des Hundes entstanden sind, ist nicht aufklärbar. Jedenfalls hatte der Hund aber nach dem Kind geschnappt als er es ansprang.

Die Behörde erließ daraufhin eine Ordnungsverfügung gegen die Hundehalterin, in der sie verschiedene Auflagen anordnete, unter anderem wurde die Gefährlichkeit des Hundes festgestellt, ein Leinen- und Maulkorbzwang angeordnet und angeordnet einen Antrag auf Erteilung einer Haltungserlaubnis für den Hund innerhalb einer bestimmten Frist zu stellen.

Hiergegen wehrte sich die Antragstellerin im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes.

Die Entscheidung:

Dem Antrag wurde teilweise stattgegeben.

Die Einstufung des Hundes als gefährlich erfolgte rechtmäßig. Zwar sei das Beißen eines Menschen nicht sicher belegt im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW, es liegen aber zumindest die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 vor. Danach ist ein Hund bereits dann im Einzelfall gefährlich, wenn er einen Menschen in Gefahr drohender Weise angesprungen hat. Dies liegt dann vor, wenn durch das Anspringen, bei verständiger Betrachtung und Würdigung aller Umstände des Einzelfalles, die Gefährdung eines Menschen zu befürchten war. Insbesondere ist dies dann der Fall, wenn Kinder oder Senioren unkontrolliert so angesprungen werden, dass diese umfallen oder umzufallen drohen.

Der Einwand der Antragstellerin, es sei keine amtstierärztliche Begutachtung im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 2 LHundG NRW durchgeführt worden, blieb ohne Erfolg. Der Begutachtung und Beurteilung durch den Amtstierarzt kommt nach ständiger Rechtsprechung keine konstitutive Bedeutung zu. Sie dient im Zusammenhang mit der Prüfung der Tatbestandsmerkmale nach § 3 Abs. 3 Satz 1 LHundG lediglich der Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und soll sicherstellen, dass die Ordnungsbehörde dabei eine sachverständige Unterstützung erfährt. Da der Begutachtung eine reine verfahrensrechtliche Bedeutung zukommt, ist es nach § 46 VwVfG NRW unbeachtlich, wenn sie nicht hinreichend durchgeführt wird und offensichtlich ist, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

Für im Einzelfall gefährliche Hunde im Sinne des § 3 Abs. 3 LHundG ist keine Verhaltensprüfung zum Nachweis dessen, dass keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit von dem Hund ausgeht, vorgesehen, da diese ihre Gefährlichkeit bereits durch tatsächliches Fehlverhalten bewiesen haben.

Erfolgreich war hingegen der Antrag gegen die Anordnung, einen Antrag auf Erteilung einer Haltungserlaubnis innerhalb einer bestimmten Frist zu stellen. Für eine solche Anordnung fehlt der Behörde die Rechtsgrundlage. Eine Verpflichtung zur Antragstellung kann weder auf § 12 Abs. 1 noch auf § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG gestützt werden, da ein gesetzlicher Zwang zur Antragstellung nicht besteht. Die Antragstellung liegt allein im Interesse des Hundehalters eines gefährlichen Hundes, um der sonst drohenden Haltungsuntersagung zu entgegnen, sie kann daher nicht selbständig mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden.

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Einstufung als „gefährlicher“ Hund wegen Schädigung eines anderen Hundes

Einstufung als gefährlicher Hund; Schädigung eines „anderen Tieres“

Ein „anderes Tier“ im Sinne von § 2 Abs 2 Nr 2, 1. Alt. Hess HundeVO (HuV HE) kann auch ein (anderer) Hund sein.“

Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 10. Mai 2005, Az. 11 UE 3488/04

Vorinstanz: Verwaltungsgericht Gießen, Urteil vom 16. Juli 2004, Az. 10 E 5578/03

Der Sachverhalt

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Verfügung der Beklagten (Ordnungsamt) vom 28. Juli 2003, mit der der Hund der Klägerin als gefährlicher Hund im Sinne der HundeVO eingestuft wurde.

Der Rottweilerrüde der Klägerin biss den Border Collie des Zeugen „S“, wodurch dieser leichte Blessuren erlitt.

Der Hund der Klägerin wurde daraufhin von der beklagten Behörde als gefährlich gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. HundeVO eingestuft.

Hiergegen wehrt sich die Kägerin.

Das VG Gießen gab der Klage zunächst mit folgender Begründung statt:

Der von der Behörde hinsichtlich der Feststellung des Rottweilerrüden der Klägerin herangezogene Tatbestand des § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeVO sei nicht erfüllt. Der Border-Collie des Zeugen „S“ habe nur oberflächliche Wunden in Form zweier kleiner Löcher an der linken Halsseite davongetragen. Es stehe danach zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Hund des Zeugen „S“ als Folge einer artgerechten Auseinandersetzung zwischen den Hunden nur leichte Blessuren erlitten habe. Nach den Einlassungen des Zeugen Dr. R. könne nicht auf ein inadäquates Aggressionsverhalten des Rottweilers geschlossen werden. Hätte ein solches vorgelegen, wären – so das Verwaltungsgericht – entsprechend stärkere Hautperforationen entstanden. Auch wenn der eigentliche Verlauf der Auseinandersetzung nicht habe aufgeklärt werden können, müsse aufgrund des vorliegenden Schadensbildes von einer Auseinandersetzung im üblichen Ritualbereich ausgegangen werden. Etwas anderes folge auch nicht aus den von der Beklagten zur Begründung ihrer Verfügung angeführten weiteren Vorfällen. Soweit hier ursprünglich von Bissverletzungen die Rede gewesen sei, habe sich auch hier herausgestellt, dass es sich lediglich um Kratzer gehandelt habe. Eine Grundaggressivität könne auch nicht aus dem mit ihm durchführten Wesenstest abgeleitet werden. Die Aussage des Gutachters zu einem von ihm beobachteten aggressiven Verhalten des Hundes ließen nicht zureichend erkennen, ob sich diese Aggression im Bereich des artgerechten Verhalten bewege oder Ausdruck eines inadäquaten Aggressionsverhaltens sei. Die Feststellung des Gutachters, der Hund berge bei Belastungen in Verbindung mit mangelnder Sicherheit eine gesteigerte Gefährlichkeit, sei mit anderen Erkenntnissen des Gutachters unvereinbar. Wegen dieser Widersprüche sei das Gutachten letztlich nicht verwertbar.

Gegen dieses Urteil legte die beklagte Behörde Berufung ein.

Das Urteil

Die Berufung der Beklagten (Behörde) hatte Erfolg.

Zu Recht sei in dem angefochtenen Bescheid der Hund der Klägerin als gefährlicher Hund im Sinne der Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden (HundeVO) eingestuft worden. Gefährlich sei ein Hund, bei dem die Gefährlichkeit – wie bei dem Rottweiler der Klägerin – nicht bereits auf Grund seiner Zugehörigkeit zu einer der in § 2 Abs. 1 Satz 2 HundeVO aufgeführten Hunderassen oder -gruppen oder wegen ihrer Abstammung von einem Hund einer solchen Rasse oder Gruppe vermutet wird, nach § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative HundeVO dann, wenn er ein anderes Tier durch Biss geschädigt habe, ohne selbst angegriffen worden zu sein. Die Voraussetzungen dieser Regelung lägen bezüglich des Hundes der Klägerin vor.

Die Bedenken der Klägerin an der Anwendbarkeit der vorgenannten Bestimmung auf Fälle der vorliegenden Art, in denen es Schädigungen geht, die einem Hund durch den Biss eines anderen Hundes zugefügt wurden, teile das Gericht nicht.

Der Begriff „anderes Tier“ in § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. HundeVO meine auch (andere) Hunde. Aus der Regelung in § 2 Abs. 2 Nr. 3 HundeVO folge entgegen der Ansicht der Klägerin nichts Gegenteiliges.

§ 2 Abs. 2 Nr. 3 HundeVO kennzeichne eine spezifische Art der Gefährlichkeit von Hunden durch nicht beherrschbaren Ausbruch ihres Jagdtriebes, der in der Regel nicht auf andere Hunde, sondern auf Tiere gerichtet sei, die der Hund als Beute betrachte. Diese besondere Zielrichtung der Bestimmung in § 2 Abs. 2 Nr. 3 HundeVO sei auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. HundeVO nicht übertragbar. Durch diese Regelung solle der durch von bissigen Hunden ausgehenden allgemeinen Gefährlichkeit für andere Tiere begegnet werden. Da sich Beißattacken von Hunden letztlich gegen Tiere aller Spezies in gleicher oder ähnlicher Weise richten könnten, sei kein sachgerechter Grund dafür ersichtlich, Hunde als Opfer von Bissen anderer Hunde aus dem Regelungsbereich der ersten Alternative von § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeVO auszunehmen.

Auf der Grundlage des Sachverhalts, wie er sich nach dem Inhalt der Behördenakten und nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme darstelle, lägen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. HundeVO in Bezug auf den Hund der Klägerin vor.

Fest stehe danach zunächst, dass der Rüde den Border-Collie des Zeugen S. gebissen habe.

Durch den Biss sei der Hund des Zeugen S. im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. HundeVO geschädigt worden. Durch den Biss habe „B.“ eine Verletzung an der linken Halsseite in Form zweier kleiner Wunden davongetragen. Bereits hierdurch sei eine Schädigung im Sinne der oben genannten Bestimmung eingetreten.

Mit dem Begriff der Schädigung greife der Verordnungsgeber auf den polizeirechtlichen Schadensbegriff zurück. Ein Schaden im ordnungsrechtlichen Sinne läge bei jeglicher Verletzung geschützter Rechtsgüter vor. Bei der Schädigung im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative HundeVO sei ein Schaden in der besonderen Form der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit des gebissenen Tieres gemeint. Ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Tieres sei dann anzunehmen, wenn bei ihm ein von den normalen körperlichen Funktionen abweichender Zustand hervorgerufen oder gesteigert werde.

Ein von den normalen körperlichen Funktionen abweichender Zustand sei schon durch die dem Hund des Zeugen S bei der Beißattacke des Rottweilers der Klägerin unmittelbar beigebrachte Verletzung eingetreten.

Selbst wenn man der Ansicht des Verwaltungsgerichts folgen und der Auffassung sein sollte, dass die unmittelbare Bissverletzung des Border-Collies und der durch den Vorfall bedingte Schockzustand des Hundes als geringfügig und deshalb nicht als Schädigung zu betrachten seien, verbiete sich diese Betrachtungsweise jedenfalls im Hinblick auf die bei dem Hund später eingetretene, erheblich schwerer wiegende Gesundheitsbeeinträchtigung (Hämatom).

Auch die weitere Voraussetzung des § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative HundeVO, dass der das andere Tier schädigende Biss erfolgt ist, ohne dass der Hund selbst angegriffen wurde, sei erfüllt.

Nach den – auch insoweit übereinstimmenden – Aussagen der Zeugen sei der Border-Collie von dem Hund der Klägerin ohne vorangehende Begegnung der beiden Hunde unvermittelt angegriffen worden. Ein von dem Border-Collie ausgehender Angriff auf den Hund der Klägerin oder auch nur ein von ihm möglicherweise als Aggression zu erkennendes Verhalten des Border-Collie sei nach dem sich aus dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahmen ergebenden Sachverhalt auszuschließen.

Da somit sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative HundeVO erfüllt seien, bedürfe es für die Feststellung der Gefährlichkeit nicht etwa noch der weiteren Prüfung, ob das von dem Hund gezeigte Verhalten eine übersteigerte Aggressionsbereitschaft erkennen lasse. Die Forderung nach einer zusätzlichen Überprüfung, ob das Beißverhalten eines Hundes Ausdruck einer übersteigerten Aggressionsbereitschaft sei, sei mit Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2 HundeVO nicht vereinbar.

Soweit sich das Verwaltungsgericht nachfolgend mit der Frage auseinandersetze, ob der Hund des Zeugen S. bei dem Angriff eine artübliche Unterwerfungsgestik gegenüber dem Hund der Klägerin gezeigt habe, beziehe sich diese Ausführungen auf die zweite Alternative des § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeVO. Diese Bestimmung sei indessen auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Diese Bestimmung erfasse ein im Verlauf von Rangstreitigkeiten oder sonstigen Auseinandersetzungen zwischen Hunden aufgetretenes übersteigertes Aggressionsverhalten eines Hundes, das sich in einem Zubeißen trotz erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik des anderen Hundes geäußert habe. Eine solche Rangelei zwischen dem Hund der Klägerin und dem des Zeugen S. sei der Beißattacke des Rottweilers aber gerade nicht vorausgegangen. Vielmehr habe der Hund der Klägerin den Border-Collie unvermittelt und überraschend angegriffen, ohne dass der gebissene Hund überhaupt Gelegenheit zu einer Abwehrreaktion oder Unterwerfungsgeste gehabt hätte. In Folge dessen könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass eine solche Unterwerfungsgestik des gebissenen Hundes unterblieben sei.

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp