Maulkorbzwang Bayern

Behörde muss Bescheid ausreichend begründen: Bundeslandweiter Maulkorbzwang bei Freilauf im Außenbereich nur bei konkreter Gefahr rechtmäßig

Maulkorbzwang Bayern

 

 

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 06. April 2016, AZ: 10 B 14.1054

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof betont in seinem Urteil vom 06. April 2016, wie wichtig es für die Rechtmäßigkeit eines Bescheids ist, dass die Ordnungsbehörde eine ausreichende Gefahrenprognose anstellt und sich nicht nur mit unsicheren Erwägungen zu möglichen Gefahren, die von einem Hund ausgehen könnten, zufrieden gibt. So formulierte das Gericht:
„Ein bayernweiter Maulkorbzwang für einen „großen“ Hund außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile ist nur dann rechtmäßig, wenn eine in tatsächlicher Hinsicht hinreichend abgesicherte Prognose vorliegt, dass der betreffende Hund die in Art. 18 Abs. 1 LStVG genannten Schutzgüter (auch) im Außenbereich konkret gefährdet. (Anmerkung: Art. 18 Abs. 1 lautet: „Zur Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder die öffentliche Reinlichkeit können die Gemeinden durch Verordnung das freie Umherlaufen von großen Hunden und Kampfhunden im Sinn des Art. 37 Abs. 1 Satz 2 in öffentlichen Anlagen sowie auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen einschränken. Der räumliche und zeitliche Geltungsbereich der Verordnung ist auf die örtlichen Verhältnisse abzustimmen, wobei auch dem Bewegungsbedürfnis der Hunde ausreichend Rechnung zu tragen ist.“) Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse oder die bloße entfernte Möglichkeit, gelegentlich auf Spaziergänger oder Freizeitsportler zu treffen, reicht hierfür nicht aus.“

Zugrundeliegend war der Fall eines Halters eines American Bulldog-Mischlings namens „Jin“. Dieser beantragte für seinen Hund die Erteilung eines sog. Negativzeugnisses. Hierfür wurde das Tier begutachtet, wobei die Gutachterin zu dem Ergebnis kam, dass bei „Jin“ keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen und Tieren festgestellt werden könne, sodass ein Negativzeugnis ausgestellt werden könne. Bei Begegnungen mit gleichgeschlechtlichen Artgenossen sei jedoch erhöhte Vorsicht geboten, weshalb die Gutachterin der Behörde empfahl, den Hundehalter anzuweisen, „Jin“ an einer reißfesten Leine auszuführen oder ausführen zu lassen. Das Freilaufenlassen solle nur dort gestattet werden, wo übersichtlich sei, dass keine anderen Hunde vorhanden seien oder plötzlich hinzukommen könnten. Auch empfahl sie, dem Hundehalter aufzugeben, mit „Jin“ an einem Erziehungskurs in einer Hundeschule teilzunehmen. All dem kam die Behörde in ihrem Bescheid gegenüber dem Hundehalter nach, erließ aber zusätzlich die Auflage, dass der Hund bei freiem Auslauf einen Maulkorb zu tragen habe, und zwar im gesamten Gebiet des Freistaates Bayern.

Zu diesem Maulkorbzwang führte die Behörde aus, dass es zu Beißvorfällen komme oder kommen könne, wenn „Jin“ außerhalb der Ortschaft frei herumlaufe und keinen entsprechenden Schutz trage. Es entspreche zwar dem Bewegungsbedürfnis von Hunden, nicht stets an der Leine laufen zu müssen, weshalb durchaus sachgerecht sei, außerhalb geschlossener Ortschaften von der Anleinpflicht zu befreien. Jedoch könne der Hund, so die Behörde weiter, wenn er außerhalb geschlossener Ortschaften frei herumlaufe, in gleicher Weise wie innerhalb des Ortes in Kontakt mit dritten Personen kommen: „Jin“ werde, wenn er frei herumlaufe, auf Jogger, Spaziergänger, Radfahrer oder andere Nutzer des Außenbereichs treffen.

„Jin“s Halter klagte gegen diesen Bescheid und bekam von den Richtern recht. Sie folgten der Argumentation der Behörde nicht, sondern betonten, dass bei einer solch durchgreifenden Anordnung wie dem bundeslandweiten Maulkorbzwang konkrete Anhaltspunkte für Gefahren vorliegen müssten, welche die Behörde mit ihren allgemeinen Erwägungen hier gerade nicht geltend gemacht hatte.

So führte das Gericht aus: „Eine Anordnung nach Art. 18 Abs. 2 LStVG (Anmerkung: Dies ist eine Anordnung für den Einzelfall zur Haltung von Hunden) darf allerdings nur erlassen werden, wenn im jeweils gesondert zu betrachtenden Einzelfall eine konkrete Gefahr für die betreffenden Schutzgüter vorliegt. (…) Der Senat vertritt jedoch in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass von großen Hunden, die auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr frei herumlaufen, eine konkrete Gefahr für Leib und Leben Dritter ausgeht, auch wenn es in der Vergangenheit noch nicht zu konkreten Beißvorfällen gekommen ist.“ Hier waren aber gerade nicht solche Bereiche mit „relevantem Publikumsverkehr“ betroffen, sondern „Jin“ sollte auch im Außenbereich einen Maulkorb tragen. Für diesen Bereich war das Gericht der Ansicht, dass nicht per se davon ausgegangen werden könne, dass es dort ebenfalls zwangsläufig zu den die konkrete Gefahrenlage begründenden Kontakten mit anderen Menschen oder Hunden kommen könne:

„Die bloße entfernte oder abstrakte Möglichkeit, dass der Hund des Klägers außerhalb bewohnter Gebiete auf Menschen oder andere Hunde treffen und diese angreifen („verfolgen“, „stellen“) und von seinem Halter in solchen Situationen nicht oder nicht rechtzeitig zurückgehalten werden könnte, reicht für das Erfordernis einer konkreten Gefahr für die in Art. 18 Abs. 1 und 2 LStVG genannten Rechtsgüter nicht aus.“

Schon gar nicht sei ersichtlich, dass Passanten und Freizeitsportler im gesamten Bundesland den Außenbereich so stark nutzen würden, dass auch nur annähernd eine so starke Frequentierung entstehe, die der des „Innenbereichs“ entspreche.

Auch betonten die Richter, dass die Einstufung von „Jin“ als „großem“ Hund, der aufgrund seiner Rasse mit einer erhöhten Beißkraft ausgestattet ist, an diesem Ergebnis nichts ändere: „Nur für Hunde, deren Gefährlichkeit durch konkrete Anhaltspunkte oder Tatsachen belegt ist, kommt neben dem Leinenzwang in bewohnten Gebieten grundsätzlich ein Maulkorbzwang in Betracht, wenn der Hund außerhalb bewohnter (aber zumindest entsprechend frequentierter) Gebiete frei laufen darf. Denn wenn ein Hund, bei dem eine entsprechende Gefahrenprognose besteht, unangeleint herumläuft und sich nicht mehr im unmittelbaren Einflussbereich des Halters befindet, können sich dort aufhaltende Personen oder Tiere nur so in angemessener Weise geschützt werden.“ Da dies auf „Jin“ aber nicht zutraf, konnte die Behörde mit ihrer Argumentation nicht überzeugen; der Bescheid wurde als rechtswidrig eingestuft und war insofern aufzuheben.

Haltungsuntersagung § 12 LHundG

VG Gelsenkirchen: Der Halter ist nach einer Haltunsguntersagung nicht verpflichtet, seinen Hund in ein Tierheim zu geben

Haltungsuntersagung § 12 LHundG

 

 

VG Gelsenkirchen, Urteil vom 08. März 2016, AZ: 19 K 4476/14

Das VG Gelsenkirchen hat in seinem Urteil vom 08. März 2016 für Hundehalter im Umgang mit der Behörde wichtige Leitsätze formuliert und dabei zweierlei klar gestellt:

Erstens macht es deutlich, dass sich Hundehalter ihrer Verantwortung gegenüber der Behörde nicht einfach dadurch entziehen können, dass sie das Tier verschenken. So formulierte es in einem seiner Leitsätze: „Halter eines Hundes bleibt, wer den Hund tatsächlich an eine im Sinne des § 12 Abs. 2 Satz 4 LHundG nicht geeignete Person abgegeben hat.“(§ 12 Abs. 2 Satz 4 LHundG NRW lautet: „Im Falle der Untersagung kann angeordnet werden, dass der Hund der Halterin oder dem Halter entzogen wird und an eine geeignete Person oder Stelle abzugeben ist.“) Damit schneidet das Gericht konsequent denjenigen den Weg ab, die sich auf diese Weise den Ordnungsbehörden gegenüber aus ihrer Verantwortung für das Tier stehlen wollen.

Zweitens stuft es aber auch ein von der Behörde häufig praktiziertes Vorgehen als nicht mit dem LHundG NRW vereinbar ein: So dürfe dem Hundehalter nicht vorgeschrieben werden, dass er seinen Hund an ein  Tierheim abzugeben habe, denn das Gesetz spreche in § 12 Abs. 2 Satz 4 nur von einer „geeigneten Person oder Stelle“.

Zugrunde liegend war der Fall einer Frau, deren Hund (ca. 55 cm Schulterhöhe, ca. 30 kg) nach dem Ergebnis eines amtstierärztlichen Gutachtens „deutliche phänotypische Merkmale“ aufweise, „die darauf hinweisen, dass ein oder beide Elternteile einer in § 3 Abs. 2 LHundG aufgeführten Hunderasse (American Staffordshire Terrier) angehören“. Daraufhin hatte sie eine Haltererlaubnis beantragt, die die Behörde aber nicht erteilte, da die Frau 2011 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung verurteilt worden war. Gleichzeitig mit der Versagung der Erlaubnis wurde ihr die Haltung des Hundes untersagt und sie wurde dazu aufgefordert, das Tier an ein bestimmtes Tierheim abzugeben. Dem kam sie jedoch nicht nach, sondern machte stattdessen gegenüber der Behörde geltend, sie habe den Hund bereits vor der Versagung der Erlaubnis an ihren Ehemann verschenkt, von dem sie sich aber mittlerweile getrennt habe und der den Hund mitgenommen habe; infolgedessen sei es ihr nicht möglich, den Hund an das Tierheim abzugeben.

Ihre Argumentation ließ das VG Gelsenkirchen in diesem Punkt nicht gelten. Es behandelte die Frau ungeachtet dessen, dass ihr Mann den Hund bei sich habe, als verantwortlich für das Tier, und führte aus: „Halter im Sinne des Landeshundegesetzes ist zunächst jeder, der nach der Verkehrsanschauung im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände darüber entscheidet, ob Dritte den vom Tier ausgehenden Gefahren ausgesetzt werden, der die Betreuungsmacht über das Tier im eigenen Interesse ausübt, die Kosten für dessen Unterhalt und das Risiko seines Verlustes trägt.“

Dass der Hund an den Mann verschenkt worden ist, mache für die Verantwortlichkeit der Frau keinen Unterschied, so das Gericht weiter: „Aus der Sonderregelung des § 5 Abs. 6 Satz 1 LHundG (Anmerkung: Dieser lautet: „Die Abgabe oder Veräußerung eines gefährlichen Hundes darf nur an Personen erfolgen, die im Besitz einer Erlaubnis nach § 4 sind.“) folgt ebenso wie aus der Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 4 LHundG (Anmerkung: s.o.), dass die durch die Haltung eines Hundes begründete ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit erst endet, wenn das Tier an eine geeignete Person oder Stelle abgegeben worden ist.“

Wer diese „geeignete Person oder Stelle“ konkret sei, habe die Behörde allerdings nicht zu bestimmen, stellte das VG klar, und gab der Frau insoweit recht: „Die Anordnung, den Hund an eine von der Ordnungsbehörde festgelegte Stelle, insbesondere ein bestimmtes Tierheim, abzugeben, ist von § 12 Abs. 2 Satz 4 LHundG nicht gedeckt. Die Vorschrift ermöglicht nur die Anordnung, dass der Hund an eine geeignete Person oder eine geeignete Stelle abzugeben ist.“ (weiterer Leitsatz des Urteils). Dabei müsse die Behörde prüfen, ob weniger belastende Maßnahmen als die Unterbringung in einem Tierheim Abhilfe schaffen könnten. Insbesondere aus Gründen des Tierschutzes seien hierbei andere Unterbringungsmöglichkeiten, zum Beispiel bei einer Privatperson, in Erwägung zu ziehen. Wichtig ist nur, dass (wie aus § 5 Abs. 6 LHundG folgt) diese Privatperson nur dann geeignet in diesem Sinne ist, wenn sie bei der Abgabe des Hundes im Besitz einer Erlaubnis nach § 4 LHundG ist.

Damit macht das VG Gelsenkirchen zwei Dinge unmissverständlich deutlich, was jedem Hundehalter eigentlich klar sein sollte: Wer die Verantwortung für ein Tier übernimmt, hat sie auch in schwierigen Situationen und auch gegenüber Behörden und Gerichten zu tragen. Andererseits schränkt es die Anordnungsbefugnisse der Ordnungsbehörden in NRW aber in einem konkreten Punkt deutlich ein. Ein Bescheid, der den Hundehalter dazu verpflichtet, sein Tier „im Tierheim XY“ abzugeben, wird nach dieser Rechtsprechung daher fortan als rechtswidrig eingestuft werden und keinen Bestand haben können, sodass unbedingt dazu zu raten ist, gegen einen solchen Bescheid umgehend mit anwaltlicher Hilfe vorzugehen.

Hundehalterhaftung § 833 BGB

Sturz vom Fahrrad bei einhändigem Führen von zwei Hunden – Mitverschulden 

Hundehalterhaftung § 838 BGB

AG Steinfurt, Urteil vom 09.04.2015, 21 C 58/15

Berufung: LG Münster, Urteil vom 16.12.2015, 01 S 56/15

Der Sachverhalt:

Vorliegend handelt es sich um einen Radfahrer (Kläger), der seine beiden Schäferhunde an der Leine mit der rechten Hand führte. In der linken Hand hielt er den Lenker.

Er näherte sich dabei von hinten der Beklagten, welche auf einem Grünstreifen mit ihrem Hund spazieren ging. Diesen führte sie allerdings nicht an der Leine, er lief wenige Meter hinter ihr.

Als der Kläger näher kam, bewegte sich der Hund der Beklagten auf ihn zu, der Kläger versuchte zu bremsen und kam hierdurch zu Fall.

Bei dem Bremsmanöver erlitt der Kläger eine Risswunde zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand und war 18 Tage krank geschrieben. Des Weiteren zog der Kläger sich Prellungen an den Schienenbeinen zu. Aufgrund dieses Vorfalls verlangte der Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 € und Schadensersatz für sein beschädigtes Handy, Attestkosten und zusätzlich eine Unkostenpauschale.

Die Entscheidung der Gerichte:

Zunächst beschäftigte sich das Amtsgericht Steinfurt mit dem Fall.

Die Beklagte wurde hinsichtlich des Schmerzensgeldes lediglich zu einer Zahlung von 200 € verurteilt. Dies rühre daher, dass dem Kläger hier vorliegend ein Mitverschuldensanteil in Höhe von 75 % anzurechnen sei und das Gericht 1.500 € Schmerzensgeld für zu viel befand. Sie ging von einem Anspruch lediglich in Höhe von 800 € aus. Im Übrigen wies es die Klage des Radfahrers ab.

In der Begründung des AG wurde darauf abgestellt, dass die Stabilität des Klägers auf dem Fahrrad deutlich eingeschränkt gewesen sei, da er seine zwei großen Schäferhunde an der Leine in der rechten Hand führte und lediglich mit der linken Hand den Lenker fixieren konnte. Hätte er beide Hände frei gehabt, hätte er bei dem Bremsmanöver mit einer zweiten Hand das Rad halten können, er konnte der auftretenden Gefahr jedoch vorliegend nicht unbeschadet begegnen, weil er das Rad mit einer Hand nicht unter Kontrolle hatte.

Zwar ist es grundsätzlich erlaubt ein Fahrrad nur einhändig zu führen, auch ist es erlaubt gem.

§ 28 I StVO Hunde am Rad zu führen. Allerdings sei in diesem Fall die Obliegenheitsverletzung im Sinne der Mitverschuldensnorm des BGB verschärft, weil er die Gefahr hätte erkennen und dieser angemessen hätte begegnen müssen.

Der Kläger näherte sich von hinten der Beklagten und ihrem freilaufenden Hund und hätte dahingehend damit rechnen müssen, dass der Hund der Beklagten auf seine beiden Schäferhund reagiere.

Der Kläger legte nach diesem Urteilsspruch Berufung beim Landgericht Münster ein.

Dieses bestätigte das Urteil des Amtsgerichts. Es lägen die Voraussetzungen einer Gefährungshaftung gem. § 833 S.1 BGB, der Tierhalterhaftung, unproblematisch vor.

Der Anteil des Mitverschuldens sei allerdings auch gerechtfertigt. Durch die äußerst gefährliche Fahrweise des Radfahrers mit zwei Hunden an der Leine wurde das Risiko eines Haftungsfalls erheblich erhöht. Er hätte darauf achten müssen, dass die Beherrschung seines Rades durch die Tiere nicht beeinträchtigt werde. Hier jedoch sei das Gleichgewicht gestört gewesen, auch hätte er bei anstehenden Abbiegemanövern auch nicht die erforderlichen Handzeichen geben können.

Im Übrigen hätten ihm auch diverse Vorrichtungen für das Fahrrad zur Verfügung gestanden, die es ermöglichen die Leinen am Fahrrad selbst zu befestigen und somit beidhändig fahren zu können.

Hund in Mietwohnung

Hund „Toby“ darf trotz mietvertraglichem Haltungsverbot in Wohnung bleiben

AG Hannover, Urteil vom 28.04.2016, 541 C 3858/15

Hund in Mietwohnung . Das Amtsgericht Hannover hat am 28.04.2016 der Klage auf Zustimmung zur Haltung des Mischlingshundes „Toby“ in der streitbefangenen Wohnung stattgegeben. Die Widerklage auf Entfernung des Hundes aus der Wohnung wurde abgewiesen.

Der Sachverhalt:

Vorliegend handelt es sich um den Fall des Mischlingshundes namens „Toby“. Die Parteien des Falles sind die Klägerin Mieterin und Halterin von Toby, und die Beklagte als Vermieterin der Wohnung. Die Wohung ist Teil einer Wohnunsgeigentumsanlage.

Im Jahre 2006 war von der Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossen worden, dass jegliche Tierhaltung bei Neuvermietungen zu untersagen sei. Die Halterin von Toby schloss ihren Mietvertrag am 17.07.2014. Im Mietvertrag ist geregelt, dass eine vorherige Genehmigung des Vermieters bei Tierhaltung eingeholt werden müsse. Damals gab die Klägerin an, dass keine Haustiere vorhanden seien. Im Herbst desselben Jahres nahm die Klägerin den Hund Toby auf, ohne die Erlaubnis des Beklagten einzuholen

Nach Beschwerden von Mitbewohnern der Wohnungsanlage sollte der Hund die Wohnung verlassen. Die Mieterin (Klägerin) jedoch klagte auf Haltungserlaubnis ihres Hundes im zweiten Stock ihrer Mietwohnung. Die Vermieterin erhob daraufhin Widerklage.

Die Entscheidung des Amtsgerichts:

Die Beklagte trug vor, dass sich weitere Mieter durch die Haltung von Toby gestört fühlten, er würde bellen und zudem unangeleint im Treppenhaus geführt werden. Des Weiteren zerkratze er den Hausflur und die Treppenstufen. Die Klägerin trug vor, dass sich seit dem Zusammenleben mit dem Hund ihre gesundheitlichen Probleme um ein Vielfaches gebessert hätten.

Zunächst wurde vom Gericht festgestellt, dass der von der Eigentümerversammlung getroffene Beschluss von 2006, Tierhaltung bei Neuvermietern zu untersagen, unwirksam sei.

Aus diesem Grunde regelt sich die Haltung eines Hundes nach den allgemeinen Regeln des Mietvertragsrechtes. Bereits 2013 wurde vom Bundesgerichtshof (VIII ZR 168/12) geurteilt, dass ein generelles Haltungsverbot von Katzen und Hunden unzulässig sei. Es müsse auf den Einzelfall und auf die damit verbundenen Interessenlagen abgestellt werden. (siehe auch https://kanzlei-sbeaucamp.de/hundehaltung-in-der-mietwohnung/)

Hier sei daher abzuwägen, inwieweit die Beeinträchtigungen durch den Mischlingsrüden den Anspruch des Vermieters auf Haltungsuntersagung des Hundes stützen könnten.

Die Mieterin bewohnt eine 97 m2 große Vierzimmerwohnung. Diese sei zunächst einmal ausreichend groß zur Haltung dieses Hundes. Zur weiteren Beweisaufnahme wurden sieben verschiedene Zeugen gehört und ebenso zu einem Ortstermin geladen, um sich ein Bild von der Wohnsituation und auch von den vorgetragenen Zuständen in Flur und Treppenhaus ein Bild zu machen.

Dabei wurden jedoch keine unangemessenen Belästigungen in Form von Lärm oder Schmutz festgestellt. Im Treppenhaus konnten vereinzelte Kratzer entdeckt werden, die jedoch nicht eindeutig der Hundehaltung zuzuordnen seien, da insbesondere im Winter oder an regnerischen Tagen  Dreck und Split mit Schuhen in das Treppenhaus getragen würde, was auch die vereinzelten Kratzer erklären könnte. Diese seien auch in Bereichen vorhanden, in denen Toby nicht verkehre. Im Übrigen war das Treppenhaus sehr gepflegt und sauber.

Da der Treppenbelag 2006 bereits verlegt wurde, könne ein Vermieter vorliegend nicht verlangen, dass es durch die natürliche Nutzung des Treppenhauses zu keinerlei Abnuntzungserscheinungen komme.

Während der Verhandlung wurde auch von Zeugen in Form von Mitbewohnern des Hauses bestätigt, dass Toby mittlerweile nicht mehr störe, er habe lediglich als Welpe öfter mal gebellt, dies habe sich aber positiv verändert.

Mithin wurden vom Gericht keine unzumutbaren Beeinträchtigungen der Wohnungsgemeinschaft durch Toby festgestellt, sodass das Recht zur Haltung von dem Mischlingsrüden als Ausdruck des Rechtes der freien Bestimmung des höchstpersönlichen Lebensbereiches hier bestehe.

LHundG NRW gefährlicher Hund

 

Einstufung als gefährlicher Hund ohne erneute tierärztliche Begutachtung

LHundG NRW gefährlicher Hund

VG Minden, Urteil vom 17.08.2015, 11 K 1136/15

Der Sachverhalt:

Vorliegend handelt es sich um einen Hund der Rasse „Deutsch Langhaar“. Sein Halter ist Kläger des Sachverhalts. 2009 und 2010 war der Hund vier Mal in Beißvorfälle mit einem anderen Hund, S, verwickelt. Das Gefhrlichkeitsfeststellunsgverfahren im Sinne des LHundG NRW wurde eingeleitet. Mit Ordnungsverfügung vom 10.11.2010 wurde beschlossen, dass der Hund des Klägers sich einer amtstierärztlichen Begutachtung zu unterziehen habe. Diese wurde am 28.04.2011 auch durchgeführt.

Nach den Ausführungen des Amtstierarztes sei der Hund gegenüber Testhunden außerhalb des eigenen Reviers unauffällig, daher sei eine Einstufung als gefährlicher Hund nicht gerechtfertigt. Nach den Angaben des Klägers und ebenso der Halterin des Hundes S bestehe aber zwischen ihren Hunden eine gewisse Spannung und bekannte Abneigung, daher bestehe auch die Gefahr, dass es bei erneutem Zusammentreffen wiederholt zu einer aggressiven Auseinandersetzung kommen könne.

Mithin seien die Halter aufgefordert, künftige Begegnungen zu verhindern und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, die ein Zusammentreffen gefahrlos gestalten können. Außerdem soll der Halter des Deutsch Langhaars sicherstellen, dass sein Hund das Grundstück nicht ohne seinen Willen verlassen könne.

Am 31.05.2011 wurde daher der angeordnete Leinenzwang für den Deutsch Langhaar aufgehoben; der Hund wurde zu diesem Zeitpunkt nicht als gefährlich eingestuft

Jedoch kam es vier Jahre später, am 23.03.2015 zu einem erneuten Beißvorfall zwischen den bekannten Hunden. Der Hund S wurde dabei so schwer verletzt, dass er eingeschläfert werden musste.

Bei Anhörung des Klägers bestritt dieser nicht, dass es einen Beißvorfall gegeben hätte, sein Hund sei einfach durch die geöffnete Eingangstür der Werkstatt entwischt und auf S zugerannt. Bei jenem Zusammentreffen konnte er seinen Hund auch nicht durch irgendeine Maßnahme von dem Hund S losbekommen.

Allerdings wurde vom Kläger auch behauptet,vorgetragen, dass eine jetzige Einstufung seines Hundes als gefährlicher Hund nicht gerechtfertigt sei, da es zwischen Oktober 2010 und Februar 2015 zu keinen gefährlichen Auseinandersetzungen gekommen war.

Die Behörde sah dies anders stufte den Hund ohne weitere Begutachtungdurch den Amtstierarzt, sondern allein auf den Vorfall gestützt als „gefährlich“ ein. Dagegen hat der Kläger am 21.04.2015 Klage  erhoben. Seiner Ansicht nach müsse eine erneute Begutachtung vom Amtstierarzt eingeholt werden, die nur bei negativem Ausfall in einer Einstufung als gefährlicher Hund enden dürfe. Ohne eine solche erneute Begutachtung sei die Verfügung nicht gerechtfertigt. Kunden und Bekannte seinerseits könnten auch bezeugen, dass sein Hund nie durch eine aggressive Verhaltensweise aufgefallen sei, lediglich der Hund S sei von ihm gebissen worden.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts:

Das Verwaltungsgericht Minden führte in seinen Entscheidungsgründen aus, dass eine erneute Begutachtung durch einen Amtstierarzt im vorliegenden Falle nicht erforderlich sei. Der Kläger sei dahingehend auch nicht in seinen Rechten verletzt, denn die Begutachtung durch einen Amtstierarzt sei eine reine Verfahrensvorschrift, die keine konstitutive Wirkung habe. Sie diene weiterhin nur der Ermittlung eines entscheidungserheblichen Sachverhalts und solle sicherstellen, dass eine sachverständige Unterstützung für die Ordnungsbehörde vorhanden sei.

Eine Entscheidung über die Gefährlichkeit eines Hundes gemäß § 3 Abs. 3 S.2 LHundG NRW träfe die Ordnungsbehörde jedoch in eigener Zuständigkeit aufgrund ihrer vorliegenden Ermittlungen. Hier würde eine Begutachtung durch einen Tierarzt auch nur eine von mehreren verwertbaren Erkenntnissen sein.

Hier würde eine nicht durchgeführte Verhaltensprüfung nicht unbedingt zu einer Rechtswidrigkeit des Feststellungsbescheides der Ordnungsbehörde führen, da ein etwaiger Verfahrensfehler unbeachtlich sei, wenn keine andere Entscheidung über die Feststellung der Gefährlichkeit möglich war.

Vorliegend sei allerdings von einer Gefährlichkeit des Deutsch Langhaars allein aufgrund des Beißvorfalls auszugehen. Vom Kläger selbst wurde dieser Vorfall auch nicht bestritten, der Hund S musste nach dem Zusammentreffen eingeschläfert werden.

Der Angriff erfolgte nach Angaben der Halterin des Hundes S auch „grundlos“.(Kynologisch natürlich Unsinn Anm. der Verfasserin) Als die Halterin am Grundstück des Klägers vorbeilief, kam der Hund des Klägers unangeleint vom Grundstück gerannt. Auch liegen keine Anhaltspunkte vor, dass sich der Hund des Klägers in einer Notwehrsituation befand, oder eine Verteidigung des eigenen Reviers nötig war.

Infolge der eindeutigen Zeugenaussagen und amtsärztlichen Atteste des Hundes S bedurfte es keiner erneuten amtstierärztlichen Begutachtung im vorliegenden Fall.

Denn wenn ein Sachverhalt vorliege, der eindeutig die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 S.1 Nr. 3 und Nr. 5 LHundG NRW erfülle, sei die Gefährlichkeit indiziert. (Das ist sicherlich der Kernsatz dieses Urteils und für uns Hundehalter NRWs wichtig zu wissen)

Auch die Tatsache, dass dies nicht der erste Vorfall war, in den der Hund des Klägers involviert war, untermauere die Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung.

Der durch Menschenhand vergiftete Hund

Durch Menschenhand vergiftete Hund

Bloß eine Sachbeschädigung?

 

Was ist eigentlich ein Hund aus juristischer Betrachtung – ein Lebewesen mit eigenen Rechten, nur eine Sache oder irgendwie beides?

§ 90a BGB gibt Aufschluss. Hier heißt es:Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Auf sie sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.“

Doch was bedeutet das konkret?

Tiere haben im deutschen Recht eine Art Zwitterstellung. Einmal werden sie wie Sachen behandelt – ein anderes Mal wie Lebewesen mit eigenen Rechten. Wann auf sie sachenrechtliche und wann Tierschutzvorschriften anwendbar sind hängt immer davon ab, ob sich in erster Linie der Mensch oder das Tier im Fokus der Rechtsfrage befindet.

Die für Sachen geltenden Vorschriften sind auf das Tier anzuwenden, wenn Rechtsverhältnisse zwischen den Menschen geregelt werden müssen. Es handelt sich um Fragen wie: Wer ist Eigentümer des Tieres? Wie erfolgt eine ordnungsgemäße Kaufabwicklung? Unter welchen Voraussetzungen erlange ich Schadensersatz für mein verletztes Tier? Habe ich Gewährleistungsrechte, wenn mein erworbener Welpe krank ist usw.

All diese Fragen verbindet, dass es insofern irrelevant ist, ob es sich hierbei um ein Tier oder beispielsweise ein Auto handelt. In beiden Fällen geht es letztendlich nicht um das Tier oder den Gegenstand, sonder primär um das Recht und die Ansprüche des Menschen gegenüber anderen Menschen. Hierbei können Tiere wie Sachen behandelt werden. Spezialvorschriften bedarf es nicht.

Etwas anderes gilt immer dann, wenn nicht der Mensch, sondern das Tier in den Mittelpunkt der Rechtsfrage rückt. Fragen wie, „Was darf ich mit meinem Tier anstellen?“ oder“ Wie soll es gehalten werden?“ betreffen nicht die Rechtsverhältnisse zwischen den Menschen. Es geht um das Rechtsverhältnis zwischen Tier und Mensch. Hierbei wird das Tier nicht wie eine Sache behandelt, sondern wie ein Lebewesen mit eigenen Rechten gegenüber dem Menschen.

Wird mein Hund vergiftet durch einen Dritten bewusst und gezielt vergiftet, so sind beide Betrachtungsweisen zu berücksichtigen. Zum einen sind zivilrechtliche Normen und zivilschützende Strafvorschriften anwendbar. Zum anderen greift aber auch das Tierschutzgesetz.

Bei Vorschriften, die mich vor dem Täter schützen sollen, wird mein Hund wie eine Sache betrachtet. Mir steht zum Einen Schadensersatz wegen Eigentumsverletzung zu. Das hilft mir natürlich über den Verlust meines Hundes nicht hinwegzukommen. Schmerzensgeld wird nach ständiger Rechtsprechung bei Tod eines Tieres dem Halter nicht gewährt.

Zudem ist der Täter wegen Sachbeschädigung zu bestrafen.

Hinzu kommen aber auch Vorschriften, die den Hund schützen sollen. Hier wird das Tier nicht bloß wie eine Sache behandelt. Dem Täter drohen bis zu 3 Jahren Haft wegen der qualvollen Tötung eines Tieres.

Bei der Vergiftung des Hundes durch Giftköder ist es oftmals schwierig den Täter zu ermitteln. Zudem benötigt man Beweise. Sowohl bei zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen, als auch bei strafrechtlichen Sanktionen muss dem Täter die Tat bewiesen werden. Solange dies nicht gelingt gilt die Unschuldsvermutung.

Hierbei gibt es allerdings den Unterschied, dass der Eigentümer des Hundes bei einer Schadensersatzforderung selber die Beweise hervorbringen muss. Im Strafprozess hingegen übernehmen dies die Strafverfolgungsbehörden, die viel effizientere Möglichkeiten zur Beweissicherung haben als der betroffene Bürger. Es empfiehlt sich also zunächst eine Strafanzeige. Ermittelt die Behörde erfolgreich und wird der Täter verurteilt, so kann die Strafakte später im Schadensersatzprozess herangezogen werden und erspart dem Bürger die Beweisjagd.

Aber natürlich zeigt die Praxis, dass das Interesse an der Strafverfolgung der unsere Hunde vergiftenden Tierquäler doch leider recht gering ist.

Susan Beaucamp

Rechtsanwältin

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