Hundehalterhaftung § 833 BGB

Sturz vom Fahrrad bei einhändigem Führen von zwei Hunden – Mitverschulden 

Hundehalterhaftung § 838 BGB

AG Steinfurt, Urteil vom 09.04.2015, 21 C 58/15

Berufung: LG Münster, Urteil vom 16.12.2015, 01 S 56/15

Der Sachverhalt:

Vorliegend handelt es sich um einen Radfahrer (Kläger), der seine beiden Schäferhunde an der Leine mit der rechten Hand führte. In der linken Hand hielt er den Lenker.

Er näherte sich dabei von hinten der Beklagten, welche auf einem Grünstreifen mit ihrem Hund spazieren ging. Diesen führte sie allerdings nicht an der Leine, er lief wenige Meter hinter ihr.

Als der Kläger näher kam, bewegte sich der Hund der Beklagten auf ihn zu, der Kläger versuchte zu bremsen und kam hierdurch zu Fall.

Bei dem Bremsmanöver erlitt der Kläger eine Risswunde zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand und war 18 Tage krank geschrieben. Des Weiteren zog der Kläger sich Prellungen an den Schienenbeinen zu. Aufgrund dieses Vorfalls verlangte der Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 € und Schadensersatz für sein beschädigtes Handy, Attestkosten und zusätzlich eine Unkostenpauschale.

Die Entscheidung der Gerichte:

Zunächst beschäftigte sich das Amtsgericht Steinfurt mit dem Fall.

Die Beklagte wurde hinsichtlich des Schmerzensgeldes lediglich zu einer Zahlung von 200 € verurteilt. Dies rühre daher, dass dem Kläger hier vorliegend ein Mitverschuldensanteil in Höhe von 75 % anzurechnen sei und das Gericht 1.500 € Schmerzensgeld für zu viel befand. Sie ging von einem Anspruch lediglich in Höhe von 800 € aus. Im Übrigen wies es die Klage des Radfahrers ab.

In der Begründung des AG wurde darauf abgestellt, dass die Stabilität des Klägers auf dem Fahrrad deutlich eingeschränkt gewesen sei, da er seine zwei großen Schäferhunde an der Leine in der rechten Hand führte und lediglich mit der linken Hand den Lenker fixieren konnte. Hätte er beide Hände frei gehabt, hätte er bei dem Bremsmanöver mit einer zweiten Hand das Rad halten können, er konnte der auftretenden Gefahr jedoch vorliegend nicht unbeschadet begegnen, weil er das Rad mit einer Hand nicht unter Kontrolle hatte.

Zwar ist es grundsätzlich erlaubt ein Fahrrad nur einhändig zu führen, auch ist es erlaubt gem.

§ 28 I StVO Hunde am Rad zu führen. Allerdings sei in diesem Fall die Obliegenheitsverletzung im Sinne der Mitverschuldensnorm des BGB verschärft, weil er die Gefahr hätte erkennen und dieser angemessen hätte begegnen müssen.

Der Kläger näherte sich von hinten der Beklagten und ihrem freilaufenden Hund und hätte dahingehend damit rechnen müssen, dass der Hund der Beklagten auf seine beiden Schäferhund reagiere.

Der Kläger legte nach diesem Urteilsspruch Berufung beim Landgericht Münster ein.

Dieses bestätigte das Urteil des Amtsgerichts. Es lägen die Voraussetzungen einer Gefährungshaftung gem. § 833 S.1 BGB, der Tierhalterhaftung, unproblematisch vor.

Der Anteil des Mitverschuldens sei allerdings auch gerechtfertigt. Durch die äußerst gefährliche Fahrweise des Radfahrers mit zwei Hunden an der Leine wurde das Risiko eines Haftungsfalls erheblich erhöht. Er hätte darauf achten müssen, dass die Beherrschung seines Rades durch die Tiere nicht beeinträchtigt werde. Hier jedoch sei das Gleichgewicht gestört gewesen, auch hätte er bei anstehenden Abbiegemanövern auch nicht die erforderlichen Handzeichen geben können.

Im Übrigen hätten ihm auch diverse Vorrichtungen für das Fahrrad zur Verfügung gestanden, die es ermöglichen die Leinen am Fahrrad selbst zu befestigen und somit beidhändig fahren zu können.

Hundehalterin zum Schadensersatz verurteilt

Hundehalterin zum Schadensersatz verurteilt

(OLG Oldenburg, Hinweisverfügung vom 09.10.2015, Az. 5 U 94/15)

Leitsatz: Das OLG Oldenburg hat entschieden, dass es keine Mithaftung begründet, wenn ein Hund möglicherweise durch die bloße Anwesenheit eines anderen Hundes zum Angriff auf diesen und eine Radfahrerin verleitet worden ist.

Der Sachverhalt:

Hundehalterin zum Schadensersatz verurteilt   Die Klägerin war am Nachmittag des 09.12.2013 mit Fahrrad und ihrem Labradormischling, welcher angeleint auf ihrer rechten Seite lief, in Melle unterwegs. Die Beklagte befand sich ebenso vor Ort und unternahm gerade einen Spaziergang mit ihrer Bordeaux-Dogge. Als die Parteien sich begegneten, wich die Beklagte mit ihrer Dogge auf ein angrenzendes Feld aus, nahm dort ihren Hund zwischen die Beine und hielt das Tier an seinem Halsband fest. Die Dogge riss sich jedoch los und lief auf die Klägerin und ihren Hund zu. Daraufhin stürzte die Klägerin vom Fahrrad und erlitt dadurch Knieverletzungen.

Die Entscheidung des OLG:

Der 5. Zivilsenat des OLG Oldenburg bestätigte die vorinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Osnabrück und erteilte der Berufungsklägerin (die Eigentümerin der Bordeaux-Dogge) den Hinweis, aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten, die Berufung zurück zu nehmen. Diese kam dem Hinweis des Gerichts nach, womit das Landgerichtsurteil rechtskräftig wurde.

Die Entscheidung des Landgerichts:

Die Klägerin (hier die Halterin des Labradormischlings) nahm mit der Klage vor dem Landgericht die Beklagte (hier die Eigentümerin der Bordeaux-Dogge) auf Schadensersatz in Anspruch. Sie behauptete, dass die Bordeaux-Dogge sie zu Fall gebracht habe und ihr Labradormischling am gesamten Geschehen völlig unbeteiligt gewesen wäre. Nach durchgeführter Beweisaufnahme sah das Landgericht das Vorbringen der Klägerin als bewiesen an.

Das Landgericht Osnabrück verurteilte die Beklagte zur Zahlung einer Schadensersatzsumme aufgrund des von ihrem Tier ausgehenden Angriffs auf die klägerische Radfahrerin. Rechtliche Grundlage bot sowohl die Tierhaltergefährdungshaftung gem. § 833 BGB, als auch eine Verschuldenshaftung gem. § 823 BGB.

Allein die Anwesenheit des Labradormischlings begründe nach Ansicht des Landgerichts keine Mithaftung der Klägerin. Eine etwaige Mitverantwortlichkeit trete im Falle einer Abwägung aber jedenfalls hinter jene der Beklagten zurück.

Das Landgericht entscheid bezüglich des Umfangs der Ersatzpflicht, dass alle Schäden von der Beklagten zu tragen sind. Dies bedeute alle bereits entstandenen Schäden, aber auch alle künftig noch eintretenden Schäden aufgrund des Angriffs.

Tierhalterhaftung aufgrund von missachteter Anleinpflicht

Tierhalterhaftung aufgrund von missachteter Anleinpflicht

Tierhalterhaftung, Anscheinsbeweis aufgrund von missachteter Anleinpflicht

OLG Hamm, Urteil vom 21.07.2008, 6 U 60/08

Der Sachverhalt:

Tierhalterhaftung aufgrund von missachteter Anleinpflicht Am 10.01.2005 fuhren die Klägerin und ihr Ehemann auf dem Fahrrad über einen Wirtschaftsweg in E. Dabei kamen ihnen der mittlerweile verstorbene Vater des Beklagten und C entgegen. Vor den beiden lief ihr französischer Hirtehund O unangeleint in einem Abstand von etwa 10-20 m.

Die Klägerin kannte O und sprach ihn bei der Begegnung an, daraufhin kam sie in einem engem zeitlichen Zusammenhang zu Fall. Der genaue Geschehensablauf ist zwischen beiden Parteien stark umstritten und undurchsichtig. Beim Sturz erlitt sie einen Bruch des 9. Brustwirbelkörpers.

Ihrer Meinung nach sei sie gestürzt, weil O von rechts kommend vor das Fahrrad geraten sei und dann das Vorderrad berührt habe.

Die Haftpflichtversicherung des Beklagten zahlte 1.000 € Schadensersatz an die Klägerin.

Allerdings will die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld von zusätzlichen 4.000 €, sowie 2.371 € als Ersatz des materiellen Schadens und die Zusicherung des Beklagten, dass er ihr jeden weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus dem Unfall am 10.01.2005 zu ersetzen habe.

Der Beklagte widerum bestritt den Vorgang, wie er von der Klägerin geschildert wurde, und verneinte eine Verursachung des Sturzes durch seinen Hund.

Die Entscheidung der Gerichte:

Das Landgericht Dortmund hat nach einer Vernehmung der Zeugen eine Verursachung des Sturzes durch den Hund für nicht bewiesen erachtet und die Klage daraufhin abgelehnt.

(LG Dortmund, Urteil vom 14.02.2008, 12 O 366/05)

Die Berufung vor dem OLG Hamm hatte Erfolg. Bei der vor dem Oberlandesgericht durchgeführten Beweisaufnahme hielten die Parteien an den Schilderungen des Unfallgeschehens fest, die sie bereits vor dem Landgericht getätigt hatten. Allerdings stimmten sie in dem Punkt überein, dass sich O kurz vor dem Sturz der Klägerin rechts von ihr befunden hatte. Abschließend wurde allerdings die Aussage des T, des Ehemanns der Klägerin, für wahrscheinlicher empfunden, als diejenige der Zeugin C. Aber aufgrund einer Zeugenaussage eine volle erforderliche Gewissheit zu gewinnen, dass der Sturz sich tatsächlich wie von der Klägerin geschildert ereignete, kann dahingestellt bleiben.

Denn ein Anscheinsbeweis für die Verursachung des Sturzes durch den Hund läge in der Tatsache, dass dieser nicht angeleint war. Zwar besteht gem. § 2 II Nr. 1 und 2 LHundG NRW die Verpflichtung, Hunde an einer Vermeidung von Gefahren geeignete Leine zu führen, nur in Fußgängerzonen, innerörtlichen Bereichen, Straßen, Parkplätzen mit Publikumsverkehr, Parkanlagen usw. Jedoch lag die Unfallstelle nicht in einem derartigen Bereich, sodass aus dem LHundG keine Anleinpflicht hergeleitet werden könne.

Gem. § 15 der Ordnungsbehördlichen Verordnung über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Stadt E vom 15.05.1994, werden allerdings von der Anleinpflicht alle Straßen und Anlagen, die vom tatsächlichen öffentlichen Verkehr, wie auch Geh- und Radwege umfasst.

Eine solche städtische Hundeanleinverordnung sei ein Schutzgesetz iSd § 823 II BGB. Mithin habe ein Verstoß gegen dieses beweisrechtliche Konsequenzen. Entgegen dieser Verordnung war der Hund nicht angeleint und konnte sich frei bewegen. Mithin spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass sein Bewegungsverhalten ursächlich für den Sturz der Klägerin war.

Der Beklagte muss gem. § 833 BGB für die Folgen des Unfalls der Klägerin haften.

Ein Mitverschulden seitens der Klägerin wurde nicht angenommen.

Sie erhält weitere 2.500 € Schmerzensgeld, einen Haushaltsführungsschaden von 1.626, 75 € und einen materiellen Schaden von 186,75 €.

Typische Tiergefahr Abruppte Richtungsänderung eines Hundes

Typische Tiergefahr  Abruppte Richtungsänderung eines Hundes

Landgericht Tübingen, 12.05.2015, 5 O 218/14

Der Sachverhalt:

Im April 2011 ereignete sich auf einem asphaltierten landwirtschaftlichen Weg folgender Vorfall:

Eine Frau befuhr mit ihrem Fahrrad diesen Weg, das Radfahren war dort auch erlaubt. Gut sichtbar kam ihr ein Mann mit Hund entgegen. Der Mann bewegte sich am rechten Wegrand, der Hund am linken. Der Hund war mit einer Schleppleine mit dem Mann verbunden. Als die Fahrradfahrerin nur noch wenige Meter von Hund und Halter entfernt war, bewegte sich der Hund plötzlich nach rechts. Dadurch kam es zu einem Sturz der Fahrradfahrerin.

Diese verklagte den Hundehalter auf Schmerzensgeld aufgrund der durch den Unfall erlittenen Verletzungen.

Die Verhandlung:

Fraglich war bei dieser Fallkonstellation allerdings, ob § 833 BGB, der maßgeblich für die Tierhalterhaftung ist, angewendet werden kann.

Problematisch ist, dass die Verletzung der Klägerin, hier die Unfallverletzungen, durch die typische Tiergefahr verursacht worden sein müssen.

Das Landgericht Tübingen argumentierte zugunsten der Fahrradfahrerin. Denn der Sturz und die Begegnung mit dem Hund standen in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang. Dies würde für eine Verursachung des Sturzes durch den Hund sprechen.

Zu einer Verursachung durch den Hund muss allerdings noch die typische Tiergefahr realisiert werden. Diese liegt in der Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens. Das Landgericht vertrat die Auffassung, dass das Tier in einer typischen Weise unberechenbar und somit nicht mit dem Denken eines Verkehrsteilnehmers reagiert habe. Denn der Hund hätte abrupt und unvorhersehbar die Richtung geändert.

Auch ein Mitverschulden der Fahrradfahrerin sei ausgeschlossen. Man könnte annehmen, sie hätte anhalten können, absteigen können und langsam an dem Hund vorbeilaufen können. Aber dies kann nicht erwartet werden. Sie hat ihre Geschwindigkeit reduziert, damit sie langsam an dem Hund vorbeifahren konnte. Diese Maßnahme genügt.

Somit kann bei einer abruppten Richtungsänderung eines Hundes und einen dadurch verursachten Unfall von einer typischen Tiergefahr ausgegangen werden.

Tierhalterhaftung

Keine Tierhalterhaftung
bei Überreaktion des Geschädigten

(LG Coburg, Urteil v. 29.11.2013, Az. 32 S 47/13; Pressemitteilung 521/13) 

 
Tierhalterhaftung „Grundsätzlich haftet der Halter eines Tieres gem. § 833 BGB für die Schäden, die durch sein Tier verursacht werden. Auch bei einer gewöhnlichen Schreckreaktion ist der Schaden durch das Tier verursacht. Deswegen kann allen Tierhaltern eine Tierhalterhaftpflichtversicherung nur empfohlen werden. Nur bei einer nachgewiesenen Überreaktion, wie im vorliegenden Fall, besteht keine Tierhalterhaftung.“ 
 
Sachverhalt:
Geklagt hat ein Schüler, der auf dem Schulweg mit seinem Fahrrad einen schmalen Weg befuhr. Am Wegesrand ging der Beklagte mit seinem Hund spazieren. Als der Schüler an dem Beklagten vorbeifuhr, bellte der Hund und sprang auf. Der Beklagte konnte seinen Hund am Halsband packen und zurückhalten.
Der Kläger erschrak hierbei derart, dass er von seinem Rad stürzte und sich am Gesicht und an den Zähnen verletzte
 
Der Kläger beantragte daraufhin gerichtlich ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 1800 Euro.
 
Gerichtsentscheidung:
Zunächst wies das Amtsgericht Coburg die Klage des Schülers ab. Nach Auffassung des Gerichts sei ein Anspruch aus Tierhalterhaftung dann nicht gegeben, wenn der entstandene Schaden unmittelbar durch eine ungewöhnliche Schreckreaktion des Geschädigten hervorgerufen wird.
Dies sei hier der Fall. Der Kläger habe durch sein Ausweichmanöver selbstschädigend reagiert. Eine solche Reaktion war bei vernünftiger Betrachtung nicht geboten. Sie stand außer Verhältnis zur realisierten Tiergefahr. Das Gericht würdigte hierbei die Größe und Gefährlichkeit des Hundes, sowie die körperlichen Fähigkeiten des Klägers. Es erkannte, dass der Hund klein war und nicht besonders gefährlich wirkte. Der Kläger sei jung und sportlich und habe demnach mit dem heftigen Ausweichen überreagiert. Hierbei haftet der Tierhalter nicht aus § 833 BGB.
 
Auch das Landgericht Coburg kam zu keinem anderen Ergebnis, nachdem der Kläger in die Berufung ging. Es bestätigte, dass für den Kläger keine vernünftige Veranlassung zum Ausweichen bestand. Insofern sind die Verletzungen lediglich auf sein Verhalten und nicht auf die Tiergefahr des Beklagten-Hundes zurückzuführen.