Rechtswidrige Nebenbestimmungen zu Erlaubnisbescheiden gemäß § 11 I S. 1 Nr. 5 TierSchG (Impfung, Anzeigefrist, Befristung) – Korrektur auch nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist?
Erlaubnisse gemäß § 11 I S. 1 Nr. 5 TierSchG sind in aller Regel mit einer Vielzahl von Nebenbestimmungen versehen, die teilweise wörtlich den Formulierungsvorschlägen des Merkblatts Nr. 113 – „Hundeimporte aus Süd- und Osteuropa – Hundehandel unter dem Deckmantel des Tierschutzes?“ der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V. entsprechen. Wie schon der Titel des Merkblatts deutlich macht, geht es letztlich darum, die Vermittlung von Hunden aus dem Ausland zu erschweren. Ganz in diesem Sinne enthalten die meisten Erlaubnisse zahlreiche Auflagen, die für die Tierschutzvereine insbesondere auch mit einem erheblichen administrativen Aufwand verbunden sind. Die Erfüllung von Auflagen wird von vielen Veterinärämtern engmaschig überwacht. Verstöße gegen Auflagen können gemäß § 18 I Nr. 20 TierSchG als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden, was nicht selten geschieht. Zudem können Verstöße gegen Auflagen den Widerruf der Erlaubnis gemäß § 49 VwVfG zur Folge haben.
Das VG Düsseldorf hat in einer aktuellen Entscheidung zwei Auflagen für rechtswidrig erklärt, die sich in den meisten Erlaubnisbescheiden gemäß § 11 I S. 1 Nr. 5 TierSchG finden.
1. Rechtswidrig ist eine Auflage, nach der nur Hunde in das Inland verbracht werden dürfen, die neben dem gesetzlich vorgeschriebenen Tollwutschutz auch über Impfschutz gegen andere Erkrankungen – im Entscheidungsfall: Staupe, Parvovirose, Hepatitis contagiosa canis, Leptospirose und Parainfluenza – verfügen. Nach der Auffassung des Gerichts ist diese Auflage nicht durch § 11 2 a TierSchG a.F. gedeckt, weil sie nicht in erster Linie tierschutzrechtlichen, sondern seuchenrechtlichen Zwecken dient. Das VG Düsseldorf beurteilt die Rechtslage nicht anders als für den Erlaubnistatbestand des § 11 I S. 1 Nr. 8 f TierSchG (Ausbildung von Hunden). Auch für diesen Bereich qualifizieren die Verwaltungsgerichte Auflagen, wonach nur Hunde mit einem bestimmten Impfschutz an der Ausbildung teilnehmen dürfen, als rechtswidrig.
2. Ebenfalls rechtswidrig ist eine Auflage, die einen Tierschutzverein verpflichtet, jeden Transport mehrere Tage – im Entscheidungsfall drei Tage – vor der Durchführung bei der Erlaubnisbehörde anzumelden. Für die drei-Tages-Frist fehlt es an einer Ermächtigungsgrundlage. Nach den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen genügt eine Anzeige mindestens ein Werktag vor der Durchführung des Transportes.
3. In seiner Entscheidung hatte sich das VG Düsseldorf auch mit der Rechtmäßigkeit der Befristung einer Erlaubnis gemäß § 11 I S. 1 Nr. 5 TierSchG auseinanderzusetzen. Im Entscheidungsfall hat das Gericht die Befristung als rechtmäßig angesehen. Wie sich aus der Begründung ergibt, war diese Wertung aber den Besonderheiten des Entscheidungsfalls geschuldet. In der Vergangenheit war es zu Unklarheiten bei der Erstellung der TRACES-Meldungen gekommen, die aus Sicht der Behörde Zweifel an der Zuverlässigkeit des Tierschutzvereins begründeten. Das Gericht sah die Befristung als Warnung und als Hinweis darauf an, dass die Erlaubnis gleichsam nur „probeweise“ erteilt wurde. Im Umkehrschluss lässt sich daraus herleiten, dass die Befristung eines Erlaubnisbescheids nicht gerechtfertigt ist, wenn die Zuverlässigkeit des Tierschutzvereins außer Frage steht. Im Bereich der Erlaubnis gemäß § 11 I S. 1 Nr. 8 f TierSchG werden Befristungen grundsätzlich als rechtswidrig angesehen.
4.Was ist zu tun, wenn ein Erlaubnisbescheid gemäß § 11 I S. 1 Nr. 5 TierSchG eine der oben genannten Auflagen enthält, die Rechtsbehelfsfrist aber bereits abgelaufen ist?Gemäß § 48 I VwVfG kann die Behörde einen rechtswidrigen Verwaltungsakt, auch wenn er mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist bestandskräftig geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit oder für die Zukunft ganz oder teilweise zurücknehmen, also im Ergebnis aufheben oder ändern. Die Vorschrift findet auch auf Nebenbestimmungen Anwendung. Die Erlaubnisbehörde kann also Auflagen oder andere Nebenbestimmungen auch nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist aufheben oder modifizieren. Wie sich aus dem Wort „kann“ ergibt, liegt die Rücknahme einer rechtswidrigen Nebenbestimmung im Ermessen der Behörde. Es besteht also grundsätzlich – abgesehen von bestimmten Sachverhaltskonstellationen, deren Vorliegen immer zu prüfen ist – kein Anspruch auf Rücknahme einer rechtswidrigen Nebenbestimmung. Maßgeblich ist eine Abwägung im Einzelfall. Es kommt also auf die konkreten Umstände in jedem Einzelfall an. § 48 I VwVfG bietet also die Möglichkeit, rechtswidrige Nebenbestimmungen auch nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist aus einem Erlaubnisbescheid zu „entfernen“.
Wenn Sie zu den Betroffenen zählen und Sie sich entscheiden, bei Ihrer Erlaubnisbehörde die Rücknahme oder Änderung rechtswidriger Nebenbestimmungen zu beantragen, sind wir gerne bereit, Ihre Rechte durchzusetzen.
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Dr. Eugène Beaucamp
Rechtsanwalt
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