Grober Behandlungsfehler bei Dressurpferd – Haftung des Tierarztes
LG Bochum, Urteil vom 10.11.2010, 6 O 480/08
OLG Hamm, Urteil vom 21.02.2014, 26 U 3/11
Der Sachverhalt:
Vorliegend handelt es sich um ein 1995 geborenes Pferd, welches bis zur Grand-Prix-Reife als Dressurpferd ausgebildet wurde. Seit 1997 befand sich das Pferd in Behandlung in der Praxis des Beklagten. Im Jahre 2004 wurden im hinteren Bereich des Fesselgelenks zwei sogenannte „Chips“, zwei kleine Knorpel-Knochenfragmente im Gelenk, festgestellt.
Vom beklagten Tierarzt wurde der Klägerin und ihrem Mann geraten, eine Operation zur Entfernung der Chips durchzuführen.
Am 07.10.2004 wurde diese Operation durchgeführt, wobei der Tierarzt nicht beide Chips entfernen konnte. Das lag daran, dass es sich bei dem Chip im hinteren Bereich um eine Birkelandfraktur handelte, welche ihm bei der Operation entglitt und aufgrund der Dauer der Narkose auch nicht entfernt werden konnte.
Am 28.10.2004 wurde das Pferd daher erneut operiert. Allerdings lahmte es nach seiner Entlassung und es wurde ihm eine Platte zur Stabilisierung im Bein eingesetzt. Seitdem ist es als Dressurpferd unbrauchbar und dauerhaft lahm.
Nach Ansicht der Klägerin habe der Tierarzt sie nicht über das hohe Risiko der Operation aufgeklärt und weiterhin ohne ausreichende Indikation und überdies fehlerhaft operiert.
Sie verlangt vom Tierarzt Schadensersatz in Höhe von 60.000 €.
Die Entscheidung der Gerichte:
Das Landgericht Bochum wies die Klage ab.
Die von der Klägerin eingelegten Berufung vor dem Oberlandesgericht Hamm hatte jedoch Erfolg.
Nach Auffassung des OLG wurde vom beklagten Tierarzt ohne ausreichende Notwendigkeit und weiterhin mit einem suboptimal gelegten Zugang operiert. Dies sei grob fehlerhaft gewesen.Des Weiteren habe er nicht ausreichend über die Risiken der Operation aufgeklärt.
Im Leitsatz des Urteils heißt es, dass wenn ein Tierarzt bei einem derart wertvollen Dressurpferd eine komplizierte Operation durchführe, grob fehlerhaft handele, wenn die Erfolgsquote der Operation nur bei 50 % liege und er den Eigentümer nicht über dieses hohe Risiko aufkläre.
Läge ein derartiger Fall vor, so trete auch im Bereich der Tiermedizin eine Beweislastumkehr ein und die Klägerin müsse nicht beweisen, dass der eingetretene Gesundheitsschaden des Tieres auf einem Fehler des Tierarztes beruhe. Der Tierarzt müsse sich in diesem Falle exculpieren und beweisen, dass es nicht sein Verschulden sei. Gelinge ihm das nicht, sei er schadensersatzpflichtig.
Im Rahmen der Aufklärungspflicht des Tierarztes müsse beachtet werden, dass es sich vorliegend um ein hochwertiges Dressurpferd handele, welches möglichst gut vermarktet werden sollte. Hier hätte darauf hingewiesen werden müssen, dass die Operation sehr kompliziert ist und einen ungewissen Ausgang haben könnte, der unter Umständen zu einem „Totalverlust“ führe. Vorliegend sei nach Aussage des Sachverständigen eine gerade mal eine Chance von 50 – maximal 60 % da gewesen, die Birkelandfraktur ohne Beschädigung des Bewegungsapparates des Pferdes zu entfernen.
Die Aufklärungspflicht des Tierarztes habe nicht das Maß dessen der Humanmedizin, jedoch habe er eine Aufklärungs- und Beratungspflicht, soweit die Behandlung des Tieres besonders risikoreich sei, möglicherweise keinen Erfolg verspreche und weiterhin hohe finanzielle Interessen des Tierhalters berührt seien. Überdies habe er nicht operieren dürfen, weil seinerzeit das Ergebnis einer positiven Beugeprobe nicht festgestanden habe.
Die eingetretene dauerhafte Lahmheit des Pferdes gehe zulasten des Beklagten, welcher nicht nachweisen kann, dass seine Operation erfolgreich gewesen ist und nicht durch ein späteres „hengsthaftes“ Verhalten des Pferdes eingetreten sei.
Der beklagte Tierarzt sei nun schadensersatzpflichtig.