Zur Unterscheidung zwischen Standard Bullterrier und Miniatur-Bullterrier mit Blick auf das LHundG

Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 19.10.2016, Az. 18 L 3440/16

Sachverhalt

Die Antragsgegnerin wendet sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen die Feststellung des zuständigen Ordnungsamtes, dass es sich bei dem von der Antragstellerin gehaltenen Hund um einen Bullterrier handele, dessen Gefährlichkeit gemäß § 3 Abs. 2 LHundG Nordrhein-Westfalen vermutet werde. Die Antragstellerin behauptet, dass es sich bei ihrem 39 cm großen und 15 kg schweren Hund um einen Miniatur-Bullterrier handele.

 

Der Beschluss

Das Verwaltungsgericht gab der Behörde Recht.

Die Antragstellerin konnte nicht glaubhaft machen, dass es sich bei ihrem Hund um einen solchen der Rasse Miniatur-Bullterrier handelt. Nach dem äußeren Erscheinungsbild (Phänotyp) handele es sich bei diesem wegen dessen Größe deutlich wahrscheinlicher um einen Bullterrier als um einen Miniatur-Bullterrier. Bei den von der FCI anerkannten Hunderassen „Bullterrier“ und „Miniatur-Bullterrier“ handele es sich um zwei verschiedene Rassen. Mit Ausnahme der Angaben zur Größe, die ausschließlich bei dem Miniatur-Bullterrier vorhanden seien und wonach dessen Widerristhöhe 35,5 cm nicht überschreiten solle, sind die Rassebeschreibungen wortgleich. Ein Miniatur-Bullterrier unterscheide sich vom Bullterrier aufgrund der jeweils wortgleichen Rassebeschreibungen daher nur durch die insgesamt proportional kleineren Abmessungen. Eine Unterscheidung anhand von individuell unterschiedlichen Rassemerkmalen ist bei vollständig wortgleichen Merkmalen der Rassebeschreibungen denklogisch schon deshalb nicht möglich, weil es an geeigneten Anknüpfungsmerkmalen in der Rassebeschreibung fehlt. Soweit bestimmte Gutachter der Auffassung seien, Bullterrier und Miniatur-Bullterrier durch besondere phänotypische Merkmale außerhalb der Größe voneinander differenzieren zu können und insofern auch in der Rechtsprechung bereits Gehör gefunden hätten, bestünden systematische Bedenken gegen diese Auffassung (Die Verfasserin teilt diese Bedenken nicht). Einen Abstammungsnachweis konnte die Antragstellerin nicht vorlegen. Der von ihr behauptete Vater des Hundes, habe seinerseits die Soll-Größe für Miniatur-Bullterrier um 2,5 cm überschritten und habe aus diesem Grund sowieso nicht zur Zucht eingesetzt werden dürfen. Dies ergebe sich schon aus dem zweiten N.B. (nota bene) aller Rassebeschreibungen des FCI, wonach zur Zucht ausschließlich funktional und klinisch gesunde, rassetypische Hunde verwendet werden sollen.

Es läge auf der Hand, dass bei der beabsichtigten Zucht von Miniatur-Bullterriern die Soll-Größe von 35,5 cm als phänotypisches Merkmal entwertet würde, wenn zur Zucht auch nur ein Elternteil zugelassen wird, welches das Kriterium „Widerristhöhe kleiner oder gleich 35,5 cm“ nicht erfüllt. Bei Zulassung einer solchen Zuchtpraxis wäre die Einhaltung der Soll-Größe vom Zufall abhängig und würde eine Unterscheidung des Miniatur-Bullterriers vom Bullterrier bis auf weiteres unmöglich machen.. Auf dieses Ziel scheine die einschlägige deutsche Zuchtpraxis gerichtet, wenn Züchter in der Vergangenheit sogar Hunde mit einer Widerristhöhe von über 39 cm  zur Zucht von (als Miniatur-Bullterriern deklarierten) Hunden eingesetzt hätten. ( Hinweis für Züchter von Miniatur Bullterriern in NRW: Soweit diese mit Hunden über 35,5 cm züchten könnten dies als massiver Verstoß gegen das LHundG NRW gewertet werden.)

Aus Sicht des Gerichts bestünde der Verdacht, dass in den einschlägigen Kreisen nicht die Absicht bestünde, rassetypische Miniatur-Bullterrier zu züchten (diese wären nämlich kleiner oder gleich 35,5 cm groß), sondern solche Hunde, die dem Phänotyp des Bullterriers insbesondere aufgrund ihrer Größe (ganz oder annähernd) entsprechen, ohne dessen Namen tragen zu müssen. Die Gründe hierfür lägen angesichts der unterschiedlichen rechtlichen Behandlung der Rassen auf der Hand.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

Miniature Bullterrier

Der Miniature Bullterrier nach dem neuen HundeG Sachsen- Anhalt: Ein „Listenhund“?

Über unterschiedliche Behörden- und Gerichtsmeinungen und deren Gründe
– und wie Sachsen- Anhalts Gesetzgeber dem „Wirrwarr“ nun Einhalt gebieten will

Der Miniature Bullterrier (häufig auch „Miniatur Bull Terrier“ geschrieben) erfreut sich bei Hundehaltern großer Beliebtheit. Bei einer Wahl der beliebtesten Hunderassen auf der Internetseite des VDH (Verband für das deutsche Hundewesen) http://www.vdh.de/welpen/top50-beliebteste-hunderassen beispielsweise rangiert er direkt hinter dem American Staffordshire Terrier und dem Labrador Retriever auf Platz drei.

Die Freude an der Haltung dieses Vierbeiners kann jedoch in einigen Bundesländern durch die einschlägigen Gesetze und Verordnungen getrübt werden. Denn diese verursachen oft Unklarheit darüber, ob der Miniature Bull Terrier zur Gruppe der „Listenhunde“ gehört, also derjenigen Hunde, deren Gefährlichkeit allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse gesetzlich vermutet wird. Die Einstufung eines Hundes als „Listenhund“ oder als Kreuzung mit einem solchen hat in allen Bundesländern (außer in Niedersachsen und Schleswig- Holstein, die in ihren Hundegesetzen eine sog. „Rasseliste“ abgeschafft haben) weitreichende Konsequenzen für Hund und Halter, angefangen vom Erfordernis einer Haltungserlaubnis über Leinen- und Maulkorbzwang bis hin zu Zuchtverboten. Bei Zuwiderhandlungen können Bußgelder und sogar die Einziehung des Hundes drohen. Es ist also essentiell für jeden Halter, zu wissen, ob sein Hund einer der „Listenhunderassen“ bzw. einer Kreuzung mit einer von ihnen angehört, oder nicht.

Das Problem des Miniature Bull Terrier liegt dabei in seiner Ähnlichkeit zum Bull Terrier, denn dieser gehört zur sog. Rasseliste des Bundes (§ 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG: https://www.gesetze-im-internet.de/hundverbreinfg/BJNR053010001.html), auf die alle Bundesländer mit eigener Rasseliste (außer das Saarland) Bezug genommen haben. Zwar wird der Miniature Bull Terrier selbst nicht ausdrücklich in den Gesetzen und Verordnungen der Länder genannt, doch könnte er von dem Begriff des „Bull Terriers“ umfasst sein, was dann auch für ihn die Konsequenz hätte, dass er als „Listenhund“ gilt- mit allen genannten möglichen Konsequenzen.

Die Unsicherheit der Hundehalter wird vielerorts noch durch teils stark divergierende Ansichten und Entscheidungen der zuständigen Behörden und Gerichte verstärkt, sodass meist nicht klar ist, auf wessen Meinung vertraut werden kann und darf. Aktuell ist dies vor allem in Sachsen- Anhalt besonders akut, wo am 27. Oktober 2015 Änderungen des „Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren“ (nunmehr auch amtlich „Landeshundegesetzes“ oder kurz HundeG LSA“ genannt) beschlossen wurden, welche teilweise bereits ab dem 03.November 2015 gelten, spätestens aber am 01. März 2016 in Kraft treten werden. Im Vorfeld der Gesetzesänderung hatten sich zwar viele Kommunen und auch Richter ausdrücklich gewünscht, dass der Gesetzgeber eine klarstellende Regelung zum Miniature Bull Terrier in das neue Hundegesetz aufnehmen solle- geschehen ist dies jedoch nicht. Als „gefährlich“ vermutete Hunde sind damit offiziell auch in Sachsen-Anhalt weiterhin die sogenannten Listenhunde nach § 2 Abs. 1 S.1 HundVerbrEinfG (s.o.), also u.a. der Bull Terrier und dessen Kreuzungen mit anderen Hunden. Zum Miniature Bull Terrier hingegen schweigt auch das nunmehr geänderte HundeG LSA.

Dafür hat sich etwas anderes Entscheidendes geändert: Die Zugehörigkeit eines Hundes zu einer Rasse wird sich nach der Gesetzesänderung in Sachsen- Anhalt ausdrücklich nach dem Phänotyp bestimmen, also dem äußeren Erscheinungsbild des jeweiligen Tieres (§ 3 Abs. 2 S. 2 HundeG LSA). Auch wurde in das LandeshundeG nun eine eigene Definition des Begriffes Kreuzung aufgenommen: Demnach sind damit Hunde gemeint, „bei denen der Phänotyp einer der Rassen zu erkennen ist“ (§ 3 Abs. 2 S. 4 HundeG LSA).

Mit dieser Definition schlägt das HundeG Sachsen-Anhalt nun eine Brücke zu den einschlägigen Landeshundegesetzen in Nordrhein-Westfalen und Thüringen, welche ähnliche Begriffsbestimmungen enthalten. Damit wollten die für den Gesetzesentwurf verantwortlichen Fraktionen CDU und SPD Probleme bei der täglichen Anwendung des LandeshundeGs durch die Behörden verringern, stellt sich doch die Einordnung eines individuellen Tieres als typischer Vertreter einer bestimmten Rasse oder einer Kreuzung bestimmter Rassen schwierig dar: Ein Sachverständiger kann beispielsweise in einem Tier zu 75 % einen „gefährlichen“ American Pitbull Terrier erkennen, während ein zweiter einen völlig harmlosen Labrador-Mix vor sich sieht (so geschehen in dem Sachverhalt, der einem Urteil des OVG Magdeburg vom 04.06.2014 (AZ 3 L 230/13, BeckRS 2014, 59455) zugrunde liegt). Für Miniature Bull Terrier- Halter stellt sich also die Frage: Welchem Phänotyp gehört mein Hund an?

Die Antwort auf diese Frage gestaltet sich wegen der Ähnlichkeit des Miniature Bull Terriers zum als gefährlich vermuteten Bull Terrier schwierig:
Beide Rassen unterscheiden sich voneinander nach den Rassenstandards des FCI (
Fédération Cynologique Internationale, der größte kynologische Dachverband mit Sitz in Belgien) ausdrücklich nämlich nur durch die Größe. Danach sollte ein Miniature Bull Terrier eine Widerristhöhe von 35,5 cm nicht überschreiten, während für den Bull Terrier keine Größenbeschränkungen vorgegeben sind (PDF-Dokumente mit einer Beschreibung der Rassestandards können auf der Website des FCI heruntergeladen werden; für den Miniature Bull Terrier auf http://www.fci.be/de/nomenclature/MINIATURE-BULL-TERRIER-359.html und für den Bull Terrier auf http://www.fci.be/de/nomenclature/BULL-TERRIER-11.html).

Vom Gesetzgeber allein gelassen, behalfen sich auch die Gerichte Sachsen- Anhalts in der Vergangenheit des klaren Abgrenzungskriteriums der Größe, um Streitfälle entscheiden zu können. So führte 2013 das Oberverwaltungsgericht (OVG) Sachsen- Anhalt (Beschluss vom 14. Oktober 2013, Aktenzeichen: 3 M 229/13) aus: „Für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geht der Senat davon aus, dass § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG, § 3 Abs. 2 GefHundG i. V. m. den von der FCI bestimmten Rassestandards für Bullterrier und Miniatur Bullterrier verfassungskonform so ausgelegt werden kann, dass die „Soll-Bestimmung“ für die maximale Widerristhöhe eines Miniatur Bullterriers den Regelfall darstellt, welcher die Abgrenzung zwischen den beiden Hunderassen ermöglicht.“ (Rn. 12, zitiert nach juris). Und 2014 betonte das Gericht in einem weiteren einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Beschluss vom 18. Juni 2014, Aktenzeichen 3 M 255/13), dass Hunde der Rasse Miniature Bull Terrier nicht mit Hunden der in § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG genannten Rassen gleichzusetzen seien (Rn. 4, zitiert nach juris).

Diese Rechtsprechung führte dann auch dazu, dass die Behörden Sachsen- Anhalts offiziell darauf hingewiesen wurden, dass sie bei Hunden mit einer Widerristhöhe von unter 35, 5 cm im Einzelfall von der Vollstreckung einer Sicherstellungsverfügung (die möglich ist, wenn der Halter einen Wesenstest des Hundes nicht bei der Behörde vorgelegt hat) absehen könne. Dies galt jedoch ausdrücklich nur bei Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, denn allein in solchen (in denen Gerichte wegen der Eilbedürftigkeit nur eine sog. summarische Prüfung vornehmen, sie also nicht derart umfangreich prüfen wie in einem Hauptverfahren) hatte das OVG sich bisher auf die Größe des Hundes als maßgebliches Kriterium gestützt. In allen anderen Fällen gab es die interne Anweisung an die Behörden, Hunde des Phänotyps des FCI- Rassestandards des Miniature Bull Terriers als Bull Terrier oder jedenfalls als Bull Terrier- Kreuzung untereinander oder mit einem anderen Hund einzuordnen, was diese Tiere automatisch zu als gefährlich vermuteten Hunden machte.

Was aber, wenn der Hund ein ziemlich groß geratener Miniature Bull Terrier ist? Denn Tiere sind eben (wie wir Menschen) nicht streng kategorisierbar und wachsen nicht „nach Maß“, sondern bleiben Individuen, die trotz ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse andere Merkmale aufweisen können als die typischen Vertreter ihrer Rasse.

Mit einem solchen Fall hatte sich zwar kein Gericht aus Sachsen- Anhalt, aber erst im letzten Jahr eines aus Nordrhein- Westfalen zu befassen: Dort hatte der Halter behauptet, sein Hund sei mit 41,5 cm ein groß geratener Miniature Bull Terrier, während die Behörde davon ausging, es handle sich um einen 44,5 cm großen Standard- Bullterrier. Für die Richter war jedoch im Endeffekt egal, ob der Hund nun 41,5 oder aber 44,5 cm groß war, denn beides stellten sie als nicht mehr nur geringfügige Abweichung von der Sollgrenze des FCI (35,5 cm) fest, weshalb der Hund nicht mehr dem Phänotyp eines Miniature Bull Terriers entspreche.


Interessant war jedoch in diesem Fall, dass die Richter eine Möglichkeit gesehen hatten, den Hund trotz seiner Größe als Miniatur Bull Terrier einzustufen. Dafür hätte der Halter nachweisen müssen, dass beide Elternteile des Tieres als Vertreter dieser Rasse eingestuft worden waren: „Daraus folgt, dass ein genealogisch von Miniatur Bullterriern abstammender Hund auch bei geringfügiger Überschreitung der Widerristhöhe von 35,5 cm noch ein Miniatur Bullterrier bleiben kann. Wo die Grenze der Geringfügigkeit im Einzelfall zu ziehen ist, kann hier dahinstehen, weil dies voraussetzt, dass der Halter den Nachweis führt, dass der Hund von als Miniatur Bullterriern eingestuften Eltern abstammt.“ (VG Düsseldorf, Beschluss vom 22. September 2015, Aktenzeichen: 18 L 2817/15, Rn. 6, zitiert nach juris). Diesen Nachweis hatte der Halter des Hundes jedoch nicht geführt, weshalb die Richter auf die Rasseeinstufung seines Hundes ausschließlich nach dem phänotypischen Erscheinungsbild zurückgreifen mussten- das hieß also, auf eine Einstufung nach der Größe des Hundes. Da der Hund also die „magische“ Grenze von 35,5 cm überschritt, wurde er als Standard-Bull Terrier eingestuft- und damit als ein als gefährlich vermuteter Hund.

Selbst für Hundehalter, die die Elterntiere ihres Hundes genau kennen, wird in Sachsen- Anhalt ein solcher Nachweis der genealogischen Abstammung des Hundes hingegen seit der Gesetzesänderung wohl nicht mehr helfen können, wird doch nunmehr für die Rasse- bzw. Kreuzungszugehörigkeit allein auf den Phänotyp abgestellt werden (s.o.).

Der Gesetzesentwurf zum geänderten HundeG (als Download verfügbar unter http://www.landtag.sachsen-anhalt.de/fileadmin/files/drs/wp6/drs/d4359lge.pdf) führt dazu ausdrücklich aus: „Von einer Zuordnung mittels DNA- Tests oder anhand von Ahnentafeln o.Ä. wird unverändert abgesehen. (…) Denn eine hinreichend verlässliche Rassenzuordnung mittels eines DNA-Tests ist nach dem derzeitigen Wissensstand trotz beachtlicher Fortschritte in den letzten Jahren noch nicht in allen Fällen möglich, zumal derzeit nur von ca. der Hälfte der von dem weltweit größten kynologischen Fachverband erfassten Hunderassen Vergleichsmaterial in den Unternehmen vorliegt, welche DNA- Tests für Hunde durchführen (…)“ (S. 15). Dass für die Rassen Bull Terrier und Miniature Bull Terrier solches Vergleichsmaterial jedoch durchaus bereits 2013 vorlag, zeigt beispielsweise ein Blick auf die Liste des Fachlabors Galantos Genetics, wo anhand eines sog. Mixed Breed Tests herausgefunden werden kann, welcher Rasse der eigene Hund angehört (www.dogdna.de/hunderassen/rassenliste_2013.pdf). Ein solcher Test ist zwar kostspielig (ein DNA-Profil z.B. kostet dort 79 €, ein Mischlingstest stolze 119 €), bringt aber deutlich mehr Sicherheit als die Zuordnung mittels Phänotyp.

Zum Landeshundegesetz NRW, das ebenfalls auf den Phänotyp abstellt, entschied bereits 2011 das Verwaltungsgericht Düsseldorf (Urteil vom 9. November 2011, Aktenzeichen 18 K 2679/11), dass es „für die Einstufung eines Hundes als gefährlich im Sinne des § 3 Abs. 2 LHundG NRW nicht auf irgendwelche Ahnentafeln, Bescheinigungen o.ä. ankommt, sondern allein auf das äußere Erscheinungsbild (…)“ (Rn. 8, openJur 2012, 83009).

Auf eine Ahnentafel des Hundes nahm demgegenüber das Verwaltungsgericht Meiningen in seinem Urteil vom 26.02.2013 (Aktenzeichen 2 K 361/12 Me) Bezug und stellte klar, dass aus seiner Sicht der Miniatur-Bullterrier nicht vom Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ThürTierGefG erfasst sei.

Verlässliche Angaben dazu, wie die Behörden in Sachsen- Anhalt mit dem neuen Hundegesetz umgehen werden, können natürlich leider erst gemacht werden, wenn die neuen Durchführungsverordnungen und Verwaltungsvorschriften bzw. Erlasse zu der Gesetzesänderung vorliegen. Eine Anfrage beim Innenministerium des Landes Sachsen- Anhalt ergab, dass zu diesem Thema derzeit noch nichts mitgeteilt werden könne; ältere Verwaltungsvorschriften könne man „möglicherweise kostenpflichtig“ anfordern.

Doch kristallisiert sich beim Lesen der zahlreichen Dokumente, die im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens veröffentlicht wurden, heraus, dass der sachsen- anhaltische Gesetzgeber mit seiner Änderung des Hundegesetzes durchaus geplant hat, wie die Behörden und Gerichte des Landes zukünftig mit dem Miniature Bull Terrier umgehen sollen. Sollte sich diese Einschätzung bewahrheiten, brechen für Halter dieser Hunde Zeiten an, in denen Auseinandersetzungen mit den Behörden vorprogrammiert sein werden:  Denn der Gesetzesentwurf lässt anklingen, dass Miniature Bull Terrier im Gegensatz zu der bisherigen Rechtsprechungspraxis weiterhin der Rasse der Bull Terrier zugerechnet werden sollen, also Teil der als gefährlich vermuteten Hunde sein sollen.

Dieses Ergebnis soll juristisch dadurch erreicht werden, dass das neue Hundegesetz zwar einerseits explizit auf den Phänotyp abstellt (s.o.) und die Merkmale der verschiedenen Phänotypen in einer gesonderten Verordnung (vgl. § 3 Abs. 2 S. 3 des neuen HundeG LSA) so festgelegt werden sollen, dass sie „hinreichend bestimmbar“ voneinander abzugrenzen sind (S. 16 des Gesetzesentwurfs). Andererseits sollen aber in dieser Verordnung keine vollständig eigenen Standards entwickelt werden, sondern es sollen diejenigen Kriterien berücksichtigt werden, die zu der Zeit galten, als das bereits erwähnte HundVerbrEinfG erlassen wurde- jenes Gesetz also, das die „Rasseliste“ des Bundes enthält und damit fast allen Bundesländern beim Erlass ihrer Hundegesetze als Vorlage diente. Die Krux dabei: Zum Zeitpunkt des Bundestagsbeschlusses zum HundVerbrEinfG, am 09. Februar 2001, gab es noch keinen eigenständigen Rassestandard des FCI für den Miniature Bull Terrier! Er galt damals vielmehr noch als „Varietät“, also als Untergruppe des Bull Terriers; erst 2012 wurde der neue Standard der Nr. 359 vom FCI für die Rasse Miniature Bull Terrier festgelegt. Das heißt also: Durch diese nun vom sachsen- anhaltischen Gesetzgeber festgelegte sog. statische Verweisung auf die Rassestandards des FCI vom 09. Februar 2001 muss der Miniature Bull Terrier trotz dessen, dass er mittlerweile als eigenständige Rasse anerkannt ist, als Untergruppe des Bull Terriers eingeordnet werden.

Rechtlich lässt sich dieses von außen durchaus sehr konstruierte Vorgehen dadurch erklären, dass eine Verweisung auf die jetzt und nicht 2001 geltenden Rassestandards des FCI verfassungsrechtlich bedenklich wäre. Denn damit würde der sachsen- anhaltische Gesetzgeber teilweise darauf verzichten, seine Gesetze inhaltlich selbst auszufüllen, indem er darauf verweist, wessen Inhalte gelten sollen. In diesem Falle also: Private Verbände wie der FCI könnten durch einfache Änderungen ihrer Rassestandards bestimmen, wie das HundeG LSA aussieht und was es in diesem speziellen Punkt regelt. Eine solche Situation wäre äußerst bedenklich, sind doch weder der FCI noch andere Hundezuchtverbände oder dergleichen demokratisch legitimiert und durchlaufen Änderungen ihrer Statuten kein solch dezidiertes und öffentliches Verfahren wie das Gesetzgebungsverfahren. Da aber Bundestag und Bundesrat im Jahr 2001, als sie das HundVerbrEinfG erließen, auf die Rassestandards des FCI zurückgriffen, um zu bestimmen, welcher Hund ein „Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier, Bullterrier sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden“ (§ 2 Abs. 1 S. 1 HundVerbrEinfG) ist, steht jedenfalls fest, dass die damaligen FCI- Rassestandards dem Willen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers entsprachen. Auf sie kann also im Wege einer statischen Verweisung bedenkenlos Bezug genommen werden, was das geänderte HundeG LSA daher auch tut.

Auf den Standpunkt, dass nicht allein die Kriterien der FCI maßgeblich sein können, stellten sich dagegen schon in den letzten Jahren verschiedene Gerichte: So führte das Verwaltungsgericht Meiningen in o.g. Urteil unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Magdeburg aus dem Jahr 2012 (Urteil vom 02. April 2012, Aktenzeichen 2 A 13/11) aus, dass aus seiner Sicht entscheidend dafür, ob eine eigenständige Hunderasse in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt sei, nicht ausschließlich die Bewertung durch die FCI, sondern vielmehr die Einschätzung des nationalen Zuchtverbandes, also in Deutschland des VDH sei.

Das Verwaltungsgericht Magdeburg hatte dazu klargestellt: „Darauf, dass die F.C.I. erst seit dem 23.12.2011 den Miniatur Bullterrier unter einer eigenen FCI-Standard Nr. führt, kommt es nicht an, denn die maßgeblichen Unterschiede zum Standard-Bullterrier waren bis dahin bereits unter dem FCI-Standard Nr. 11 (Bull Terrier) bestimmt. Im Übrigen ist entscheidend dafür, ob eine eigenständige Hunderasse in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt ist, nicht ausschließlich die Bewertung durch die F.C.I., sondern zuvorderst die Einschätzung des nationalen Zuchtverbandes, hier des Verbandes für das Deutsche Hundewesen e. V. (VDH). Dieser geht ausweislich seiner Schreiben vom 28.05.2009 und 11.07.2000 von der Existenz einer eigenständigen Rasse aus. Deshalb ist es jedenfalls im vorliegenden Fall rechtlich unerheblich, dass der Miniatur Bullterrier bis zum Jahre 2011 von der F.C.I. nicht unter einer eigenen Rassestandardnummer beschrieben worden ist.“ (Rn. 33, zitiert nach juris). Im nächsten Atemzug erklärte das Gericht aber, weshalb es sich auf diesen Standpunkt stellte: „Somit hätte es dem Gebot der Normenklarheit und -bestimmtheit entsprechend der ausdrücklichen Entscheidung des Satzungsgebers dazu bedurfte, ob er Miniatur-Bullterrier ebenfalls unter die unwiderlegbare Vermutung der Gefährlichkeit fasst. Mangels ausdrücklicher Aufnahme in die Rasseliste hat der Satzungsgeber der Hundesteuersatzung dies stillschweigend verneint.“ (Rn. 34).

In dem Urteil ging es zwar um die HSS, also die Hundesteuersatzung der beklagten Gemeinde, doch lassen sich daraus dennoch Rückschlüsse für die zukünftige Situation des Miniature Bull Terriers schließen. Denn indem der sachsen-anhaltische Gesetzgeber das HundeG in der Form geändert hat, wie es der Gesetzesentwurf mit seiner genannten klaren Positionierung forderte, reagierte auf das Klarstellungsbedürfnis der Gerichte. Wie sich die Rechtsprechung auf der Basis des neuen HundeG LSA entwickelt, wird daher nicht nur von Miniature Bull Terrier- Haltern, sondern auch seitens der juristischen Fachwelt interessiert zu verfolgen sein.

Zusammenfassend lässt sich also das Folgende festhalten:
– Ab dem 01. März 2016 wird in Sachsen- Anhalt offiziell der Phänotyp eines Hundes entscheidend sein, um seine Rassezugehörigkeit festzustellen.

– Miniature Bull Terrier werden nach derzeitigem Stand weiterhin als Untergruppe der Bull Terrier eingestuft und damit den als gefährlich vermuteten Hunden zugerechnet werden.
– Eine auf der Grundlage des neuen § 3 Abs. 2 S. 3 HundeG LSA zu erlassende Rechtsverordnung wird endgültig Klarheit bringen.

Einstufung als gefährlicher Hund – Miniatur-Bullterrier ?

Einstufung als gefährlicher Hund – Miniatur-Bullterrier ?

Verwaltungsgericht Gera, Urteil vom 06.01.2014, 2 K 513/12

Der Sachverhalt:

Einstufung als gefährlicher Hund – Miniatur-Bullterrier ?

Der Kläger des Streitfalls wandte sich gegen eine Einordnung seines Miniatur-Bullterriers als gefährliche Hunderasse. Der Hund wurde zuvor als Bullterrier eingestuft.

Ein Bullterrier ist kraft des Thüringer Gesetzes zum Schutze der Bevölkerung vor Tiergefahren, TierGefG, als gefährlicher Hund normiert. Als solcher unterliegt er unter anderem einem gesetzlichen Zucht- und Handelsverbot.

Der Stadt Altenburg zufolge verhielt sich der Kläger ordnungswidrig im Sinne des TierGefG, da er ihrer Auffassung nach einen gefährlichen Hund halte. Im Zuge dieses Ordnungswidrigkeitenvorwurfs hatte sich der Kläger mit einer Feststellungsklage gegen die Einordnung seines Miniatur-Bullterriers als Bullterrier gewandt. 

Die Entscheidung des Gerichts:

Das Verwaltungsgericht Gera entschied zugunsten des Klägers, dass es sich bei einem Miniatur-Bullterrier um eine eigenständige Hunderasse handele, die nicht kraft Gesetzes als gefährliche Hunderasse eingestuft werden kann. Zu diesem Ergebnis führte ein eingeholtes Sachverständigengutachten. Ebenso wurde dies auf Stellungnahmen von Hundezuchtverbänden gestützt.

Für den Fall, dass sich Beißvorfälle ereignen sollten, stellte das Verwaltungsgericht fest, dass eine Möglichkeit bestehe den Miniatur-Bullterrier als gefährlichen Hund im Zuge einer Rechtsverordnung auf Grundlage des § 3 IV TierGefG zu erfassen.