Gefährlichkeitseinstufung eines Hundes nach „Anspringen“

Anspringen kann zur Begründung der Gefährlichkeit eines Hundes ausreichen 

OVG NRW, Beschluss vom 20.04.2012 – 5 B 1305/11

Sachverhalt:

Die Antragstellerin ist Halterin eines Shar Pei. Dieser sprang bei einem Spaziergang, bei dem er angeleint war, ein sechsjähriges Mädchen an, wobei dieses hinfiel und sich zwei etwa 5cm lange Quetschungen am Bein zuzog. Ob diese Verletzungen durch den Sturz an sich oder einen Biss des Hundes entstanden sind, ist nicht aufklärbar. Jedenfalls hatte der Hund aber nach dem Kind geschnappt als er es ansprang.

Die Behörde erließ daraufhin eine Ordnungsverfügung gegen die Hundehalterin, in der sie verschiedene Auflagen anordnete, unter anderem wurde die Gefährlichkeit des Hundes festgestellt, ein Leinen- und Maulkorbzwang angeordnet und angeordnet einen Antrag auf Erteilung einer Haltungserlaubnis für den Hund innerhalb einer bestimmten Frist zu stellen.

Hiergegen wehrte sich die Antragstellerin im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes.

Die Entscheidung:

Dem Antrag wurde teilweise stattgegeben.

Die Einstufung des Hundes als gefährlich erfolgte rechtmäßig. Zwar sei das Beißen eines Menschen nicht sicher belegt im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW, es liegen aber zumindest die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 vor. Danach ist ein Hund bereits dann im Einzelfall gefährlich, wenn er einen Menschen in Gefahr drohender Weise angesprungen hat. Dies liegt dann vor, wenn durch das Anspringen, bei verständiger Betrachtung und Würdigung aller Umstände des Einzelfalles, die Gefährdung eines Menschen zu befürchten war. Insbesondere ist dies dann der Fall, wenn Kinder oder Senioren unkontrolliert so angesprungen werden, dass diese umfallen oder umzufallen drohen.

Der Einwand der Antragstellerin, es sei keine amtstierärztliche Begutachtung im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 2 LHundG NRW durchgeführt worden, blieb ohne Erfolg. Der Begutachtung und Beurteilung durch den Amtstierarzt kommt nach ständiger Rechtsprechung keine konstitutive Bedeutung zu. Sie dient im Zusammenhang mit der Prüfung der Tatbestandsmerkmale nach § 3 Abs. 3 Satz 1 LHundG lediglich der Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und soll sicherstellen, dass die Ordnungsbehörde dabei eine sachverständige Unterstützung erfährt. Da der Begutachtung eine reine verfahrensrechtliche Bedeutung zukommt, ist es nach § 46 VwVfG NRW unbeachtlich, wenn sie nicht hinreichend durchgeführt wird und offensichtlich ist, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

Für im Einzelfall gefährliche Hunde im Sinne des § 3 Abs. 3 LHundG ist keine Verhaltensprüfung zum Nachweis dessen, dass keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit von dem Hund ausgeht, vorgesehen, da diese ihre Gefährlichkeit bereits durch tatsächliches Fehlverhalten bewiesen haben.

Erfolgreich war hingegen der Antrag gegen die Anordnung, einen Antrag auf Erteilung einer Haltungserlaubnis innerhalb einer bestimmten Frist zu stellen. Für eine solche Anordnung fehlt der Behörde die Rechtsgrundlage. Eine Verpflichtung zur Antragstellung kann weder auf § 12 Abs. 1 noch auf § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG gestützt werden, da ein gesetzlicher Zwang zur Antragstellung nicht besteht. Die Antragstellung liegt allein im Interesse des Hundehalters eines gefährlichen Hundes, um der sonst drohenden Haltungsuntersagung zu entgegnen, sie kann daher nicht selbständig mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Hundehaltungsverbot auf Grund wiederholter Verstöße gegen das LHundG NRW

Hundehaltungsverbot auf Grund wiederholter Verstöße gegen das LHundG NRW

Jeder Hundehalter muss ohne Einschränkungen willens und in der Lage sein, die Pflichten, die sich im Zusammenhang mit der Hundehaltung ergeben, jederzeit und überall zu erfüllen.“

Verwaltungsgericht Aachen, Beschluss vom 12. Juli 2011, Az. 6 L 198/11

Der Sachverhalt

Der Kangal-Rüde (65 kg) der Antragstellerin wurde auf Grund von mindestens zwei Beißvorfällen mit anderen Hunden, wobei in einem Fall auch der gegnerische Halter verletzt wurde, als gefährlicher Hund im Sinne des § 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 LHundG NRW eingestuft. Eine vorherige Begutachtung der Amtsveterinärin fand statt.

Die Antragstellerin hat durch die Haltung ihres Hundes auch wiederholt gegen Vorschriften des LHundG NRW bzw. aufgrund dieses Gesetzes getroffene Anordnungen verstoßen. Sie hat weder den erforderlichen Sachkundenachweis zum Führen von gefährlichen Hunden oder den zum Führen von großen Hunden vorgelegt. Die Nichtvorlage hat die Antragsgegnerin bereits mit Bußgeldbescheid vom 13. März 2010 – erfolglos – geahndet. Auch die hierauf gerichtete und bestandskräftig gewordene Ordnungsverfügung vom 15. Juli 2010 blieb unbeachtet.

Weiterhin hat die Antragstellerin mehrfach gegen den angeordneten Maulkorb- und Leinenzwang verstoßen. Wegen verschiedener – teilweise angezeigter, teilweise durch Außendienstmitarbeiter der Antragsgegnerin aus eigener Wahrnehmung festgestellter – Verstöße wurden die angedrohten Zwangsgelder mit Ordnungsverfügungen jeweils in Höhe von 500 Euro bestandskräftig festgesetzt.

Mit Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 3. Mai 2011 wurde der Antragstellerin das Halten ihres Hundes untersagt und ihr unter Androhung der Anwendung unmittelbaren Zwangs aufgegeben, den Hund innerhalb von 5 Tagen nach Zustellung der Ordnungsverfügung in die Obhut des Tierheimes zu geben.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin im einstweiligen Rechtsschutz.

Die Entscheidung

Das Gericht wies den Antrag zurück.

Die Voraussetzungen für die auf § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW gestützte streitgegenständliche Maßnahme seien vorliegend gegeben.

Bei dem Hund der Antragstellerin handele es sich um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 LHundG NRW. Danach seien im Einzelfall gefährliche Hunde u.a. solche Hunde, die einen Menschen gebissen haben, sofern dies nicht zur Verteidigung anlässlich einer strafbaren Handlung geschah (Nr. 3), sowie Hunde, die einen anderen Hund durch Biss verletzt haben, ohne selbst angegriffen worden zu sein, oder die einen anderen Hund trotz dessen erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik gebissen haben (Nr. 5).

Der Kangalrüde habe unstreitig einen Menschen gebissen, ohne dass dies zur Abwehr einer strafbaren Handlung geschah. Damit erfülle er zunächst dem Wortlaut nach ohne weiteres die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW.

Allerdings gehöre Beißen (als Schreck- oder Abwehrreaktion) zum arttypischen Verhalten eines Hundes, so dass nicht jeder Beißvorfall ohne Würdigung des konkreten Sachverhaltes eine Bissigkeit im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW belegen könne. Folgerichtig und zutreffend führen die Verwaltungsvorschriften zum Landeshundegesetz (VV LHundG NRW) unter Ziffer 3.3.1.3 zu § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW deshalb auch aus:

„Soweit eine Hundehalterin oder ein Hundehalter bei einer Beißerei unter Hunden gebissen wurde oder Umstände vorliegen, bei denen der Biss auf einer reflexartigen Abwehrreaktion des Hundes beruhte (z.B. wenn eine Person versehentlich auf die Rute tritt) soll die amtliche Tierärztin/der amtliche Tierarzt den Hund begutachten. Ziel der Begutachtung ist herauszufinden, ob die Einstufung als gefährlicher Hund nach § 3 Abs. 3 gerechtfertigt ist. Die örtliche Ordnungsbehörde soll das Ergebnis der Begutachtung bei ihrer Entscheidung beachten.“

Eine derartige Begutachtung durch die Amtstierärztin und Würdigung durch die Antragsgegnerin habe hier stattgefunden.

Bei dieser Sachlage sei für eine die Gefährlichkeit des Hundes nach Maßgabe des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW verneinende Einschätzung kein Raum.

Ob darüber hinaus auch die Alternative der Nr. 5 erfüllt ist, ob der Hund der Antragstellerin

Durch die wiederholten Verstöße der Antragstellerin seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW erfüllt.

Daneben würden auch hinreichende Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Antragstellerin nicht die für das Halten gefährlicher Hunde erforderliche Zuverlässigkeit besitze (vgl. §§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 7 LHundG NRW bzw. – hier ebenfalls einschlägig – für große Hunde: § 11 Abs. 2 Sätze 1 und 2 LHundG NRW), weshalb zusätzlich auch – ungeachtet des Fehlens des erforderlichen Sachkundenachweises – die Erlaubnisvoraussetzungen für das Halten eines gefährlichen Hundes nicht vorliegen würden.

Jeder Hundehalter müsse ohne Einschränkungen willens und in der Lage sein, die Pflichten, die sich im Zusammenhang mit der Hundehaltung ergeben, jederzeit und überall zu erfüllen. Unzuverlässig im Sinne des Landeshundegesetzes ist daher, wer keine Gewähr dafür biete, dass er seinen Hund ordnungsgemäß, d.h. in einer Weise halten wird, dass von dem Hund keine Gefahren ausgehen werden. Unerheblich sei hierbei, aus welchen Gründen der Hundehalter zu einer ordnungsgemäßen Hundehaltung nicht imstande sei. Unzuverlässigkeit setze daher auch weder ein Verschulden noch einen Charaktermangel des Hundehalters voraus.

Hiervon ausgehend spreche viel dafür, dass die Antragstellerin unzuverlässig im Sinne des Landeshundegesetzes sei. Maßgeblich für diese Einschätzung sei der Umstand, dass die Antragstellerin trotz verschiedener aktenkundiger mündlicher und schriftlicher Belehrungen und sogar ungeachtet eines Bußgeldbescheides und mehrfacher Zwangsgeldfestsetzungen über einen längeren Zeitraum hinweg wiederholt und schwerwiegend ihre Halterpflichten missachtet habe. Insoweit gehöre es auch zu den Pflichten eines zuverlässigen Hundehalters sicherzustellen, dass der jeweilige Hundeführer seinerseits die Anforderungen des Landeshundegesetzes erfülle bzw. den hierzu ergangenen Anordnungen (hier: Maulkorbpflicht) Folge leiste. Tue er dies wiederholt nicht, wirke sich das zu Lasten des Hundehalters aus. Die Antragstellerin habe durch ihr Verhalten daher gezeigt, dass sie nicht willens oder nicht in der Lage ist, ihren Hund so zu halten, wie das Gesetz bzw. die hierzu ergangenen Anordnungen es zur Vermeidung von Gefahren für die Allgemeinheit von ihr verlangen.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Gefährlichkeitsfeststellungsverfahren NRW

Im Einzelfall gefährliche Hunde

OVG NRW, Beschluss vom 16.06.2009 – 5 B 409/09

Hund hetzt Hühner

Hat ein Hund mehrere Hühner gehetzt und gerissen, so ist er als im Einzelfall gefährlicher Hund nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 LHundG NRW einzustufen. Dies gilt auch unabhängig davon, ob der Hund von einem Amtstierarzt begutachtet wurde.

Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 LHundG NRW sind im Einzelfall gefährliche Hunde solche, die gezeigt haben, dass sie unkontrolliert Wild, Vieh, Katzen oder andere Tiere hetzen, beißen oder reißen.

Im vorliegenden Fall hatte sich der Hund, was auch unstreitig war, beim Spaziergang von der Leine seines Herrchens losgerissen und ist, trotz der Rückrufkommandos, weggelaufen. Während dessen sprang der Hund über den Zaun einer Kleingartenanlage und drang in einen Hühnerpferch ein, wo er drei Hühner hetzte und riss.

Das Gesetz stellt bei der Unkontrollierbarkeit gerade nicht auf die Unkontrollierbarkeit durch den Halter ab, sondern allein darauf, ob der Hund sich bei Hetzen und Reißen der Hühner unkontrolliert verhielt. Es ist daher unerheblich, dass der Hund entlaufen war und die Hühner erst etwa eine dreiviertel Stunde nach dem Losreißen in Abwesenheit des Halters die Hühner gerissen hat.

Darüber hinaus bedarf es für die Einordnung eines Hundes als gefährlich nach § 3 Abs. 3 Satz 1 LHundG NRW nicht zwingend einer tierärztlichen Begutachtung im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 2, denn der Begutachtung und Beurteilung durch einen Amtstierarzt kommt keine konstitutive Bedeutung zu. Es handelt sich dabei um ein bloßes Verfahrenserfordernis. Die Begutachtung nach § 3 Abs. 3 Satz 2 LHundG NRW dient lediglich der Ermittlung des Sachverhalts und einer sachverständigen Unterstützung der Ordnungsbehörde dabei. Die Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes im Einzelfall setzt nämlich eine gründliche Ermittlung des Sachverhalts und eine sachkundige Begutachtung voraus. Findet im Einzelfall keine tierärztliche Begutachtung statt, so stellt dies jedoch einen reinen Verfahrensfehler dar, welcher, sofern er die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat, nach § 46 VwVfG NRW unerheblich ist.

Anders als für gefährliche Hunde im Sinne des § 3 Abs. 2, sieht das Gesetz für im Einzelfall gefährliche Hunde gemäß Absatz 3 keine Verhaltensprüfung voraus zum Nachweis dessen, dass keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit von dem Hund ausgeht, § 5 Abs. 3 LHundG NRW. Im Falle des Absatz 3 hat der Hund nämlich bereits durch tatsächliches Fehlverhalten seine Gefährlichkeit bewiesen.

Ein solches Fehlverhalten hatte der Hund im vorliegenden Fall unstreitig gezeigt und sich somit als im Einzelfall gefährlich erwiesen. Daran hätte auch keine tierärztliche Begutachtung etwas ändern können.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Gefährlichkeitsfeststellungsverfahren Niedersachsen

Gefährlicher Hund nach erstmaligem Beißvorfall

OVG Lüneburg, AZ.: 11 ME 423/11

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Osnabrück ( 6 B 96/11) beschlossen, dass ein Hund bereits nach einem einmaligen Beißvorfall als gefährlicher Hund im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 NHundG einzuordnen ist.

Im vorliegenden Fall hatte der Hund, welcher zunächst als Staffordshire Terrier, später als Boxermischling eingeordnet wurde, ein Grundstück verlassen, auf welchem er sich besuchsweise befand und hatte einen Jack-Russel-Terrier gebissen, der über die angrenzende Straße gelaufen war. Dabei erlitt der Terrier eine blutende Bisswunde am Ohr, die geklammert werden musste. Der Feststellungsbescheid über die Gefährlichkeit des Hundes wurde mit diesem einmaligen Vorfall begründet.

In dem erstinstanzlichem Eilrechtsschutzverfahren hatte das Verwaltungsgericht beschlossen, dass es für die Feststellung nicht ausreiche, dass der Hund erstmalig einen anderen Hund gebissen habe. Vielmehr bedürfe es zusätzlicher Hinweise darauf, dass bei dem Hund ein gesteigertes, über ein artgerechtes (Beiß-)Verhalten hinausgehendes, Aggressionsverhalten vorliege. Anders sah dies jedoch das OVG. Nach ständiger Rechtsprechung würde das Gesetz im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 NHundG a.F., als Vorgängerregelung des § 7 Abs. 1 NHundG, ausgelegt werden. Demnach gelte ein Hund schon dann als gefährlich, wenn der bloße Verdacht der Gefährlichkeit bestünde. Dafür reiche es bereits aus, dass er ein anderes Tier gebissen und mehr als unerheblich verletzt hat. Einer weitergehenden Prüfung der Gefährlichkeit des Hundes bedürfe es daher nicht. Die Regelung diene der Gefahrenabwehr, welche nur effektiv gewährleistet werden könne, wenn die Behörde ohne gesteigerte Prüfungsanforderungen die Gefährlichkeit des Hundes nach einmaligem Vorfall feststellen könne. Einschränkungen und Ausnahmen von dieser Regelung sollen nicht bereits auf der Tatbestandsebene, sondern auf Rechtsfolgenseite erfolgen, zum Beispiel durch einen Wesenstest, durch welchen zum Beispiel der Leinenzwang ausgesetzt werden kann.

Demnach liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 LHundG bereits nach einem erstmaligen Beißvorfall, bei dem das andere Tier nicht unerheblich verletzt wurde, vor. Nach Sinn und Zweck der Regelung kann eine Ausnahme davon gemacht werden, wenn die Verletzung im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs etwa eines Dienst-, Wach- oder Jagdhundes erfolgte oder es sich bei der Verletzung eines anderen Tieres offensichtlich um ein artgerechtes Abwehrverhalten handelte. Ein solcher Fall war vorliegend jedoch nicht erkennbar, weswegen der Feststellungsbescheid rechtmäßig war und der Antrag zurückgewiesen wurde.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Haftung eines Hundebesitzers für ungewollten Deckakt

 

LG Coburg, Vergleich vom 01.07.2014, 11 O 185/13

Eine Rassehündin wurde durch einen ungeplanten Deckakt eines Mischlingsrüden für die geplante Zucht untauglich.

Der Sachverhalt:

Die Klägerin des zugrundeliegenden Falls ist die Halterin einer Rassehündin, die sie später zur Zucht einsetzen wollte. Die im gleichen Ort wohnende Beklagte ist Halter eines Mischlingsrüden.

Nach dem Vortrag der Klägerin streunte der Mischlingsrüde der Beklagten immer wieder  durch den Ort. Der Mischlingsrüde sei so auf das Grundstück der Klägerin gelangt und habe anschließend mit der sich im Garten befindlichen Rassehündin der Klägerin einen ungewollten Deckakt vollzogen.

Die Rassehündin sei dadurch trächtig geworden. Jedoch habe die Klägerin unter keinen Umständen Mischlingswelpen gewollt. Daher wurde ein Eingriff vorgenommen, mit dem die ungewollte Mutterschaft der Hündin unterbunden werden sollte, allerdings kam es dabei  zu einer Gebärmutterentfernung.

Nach diesem Vorfall war die geplante Verwendung der Rassehündin für die Zucht nicht mehr möglich.

Daher verlangte die Klägerin vom Beklagten Schadensersatz in Höhe von  16.000 € von der  beklagten Hundehalterin des Mischlingsrüden.

Der Vergleich vor Gericht:

Rechtlich wurde der ungewollte Deckakt von der Klägerin als Sachbeschädigung gewertet, weil von der Beklagten nicht verhindert wurde, dass der Mischlingsrüde unbeaufsichtigt herumstreune. Auch müsse aufgrund der Tierhalterhaftung für den entstandenen Schaden eingestanden werden.

Der behauptete Schaden der Klägerin belaufe sich auf 16.000 €. Dabei berechnete sie Tierarztkosten von über 300 €, eine Schadenspauschale von 25 € und dem entgangenen Gewinn aufgrund der beabsichtigten Zucht.

Von der Klägerin wurde davon ausgegangen, dass sie mit den Welpen pro Wurf 10.000 € verdienen könne, wobei über 6.000 € Gewinn verblieben. Bei zwei bis drei möglichen Bedeckungen entstand eine Summe von über 15.000 €.

Von Beklagten und auch ihrer Haftpflichtversicherung wurde eine Schadensersatzzahlung zunächst abgelehnt.

Jedoch einigten sich die Parteien später vor Gericht dahingehend, dass die Klägerin 500 € von der Beklagten erhält und dahingehend alle Ansprüche der Klägerin aus dem behaupteten Deckakt zwischen den Hunden abgegolten seien.

Fazit:

Was sind nun aber rechtliche Folgen bei einem ungewollten Deckakt eines Hundes?

In einem Urteil des OLG Hamm vom 08.07.1993, 6 U 44/93 wurde davon ausgegangen, dass die Gefahr eines unerwünschten Deckakts in erster Linie von der läufigen Hündin ausgehe.(die Unterzeichnerin hält diese Auffassung für mehr als fragwürdig)

Wurde aber der Leinenpflicht bei der läufigen Hündin gewissenhaft nachgekommen und wird diese nun durch einen freilaufenden Rüden trächtig, so entstünden Schadensersatzansprüche gegen den Halter des Rüden nach § 833 S. 1 BGB nach den Grundsätzen der Tierhalterhaftung.

Jener ungewollte Deckakt werde sodann als Sachbeschädigung gewertet.

Dies heißt, dass der Tierhalter im Rahmen der Tierhalterhaftung auch für Schäden haftet, die infolge eines ungewollten Deckakts geschehen.

Jedoch ist zu beachten, dass man als Halter der nun trächtigen Hündin zu einer Schadensminderungspflicht aufgerufen ist, welche sich aus § 254 Abs. 2 BGB ergibt.

„§ 254

Mitverschulden

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.“

Dementsprechend müsse der entstehende Schaden so gering wie möglich gehalten werden.. Wenn dem nicht nachgekommen werde, so liegt eine Verletzung der Schadensminderungspflicht vor, sodass die Tierhalterhaftpflicht des Hundehalters des Rüden gänzlich entfalle. (so LG Kassel, Urteil vom 04.06.1981, 1 S 39/81)Folglich ist es wichtig für Halter einer läufigen Hündin auf diese zu achten und sie sinnvollerweise an der Leine zu halten. Ebenso muss bei einer eventuellen Trächtigkeit der Schaden gemindert werden im Sinne einer Abtreibung.(die Unterzeichnerin hält auch diese Auffassung für mehr als fragwürdig)

Auch der BGH führte in seinem Urteil vom 06.07.1976 (VI ZR 177/75) aus, dass der vom Hundehalter nicht gewünschte Deckakt zur Tiergefahr im Sinne des § 833 BGB gehört. Der Halter des Rüden wäre demnach dem Halter der Hündin im Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet, wenn diese trächtig wurde.

 

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Susan Beaucamp

Rechtsanwältin

Gefährlichkeitsfeststellung eines Hundes im Eilverfahren

Rechtmäßige Gefährlichkeitsfeststellung eines Hundes im Eilverfahren

Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 03.01.2017– 18 L 4205/16 –

Die Tötung von mehreren Kleintieren rechtfertigt die Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes und die aufgrund des Vorfalls gegen den Halter ergangene Ordnungsverfügung.

Der Sachverhalt:

Der Antragsteller des Eilverfahrens ist Halter eines Jagdhundes der Rasse „Deutsch Drahthaar“. Nach einer amtstierärztlichen Begutachtung stellte die Behörde, die Antragsgenerin die Gefährlichkeit nach den Vorschriften des Landeshundegesetzes durch Ordnungsverfügung fest. Der Hund habe gezeigt, dass er unkontrolliert Tiere reiße. Gesetzliche Folge ist ein Leinen- und Maulkorbzwang beim Ausführen des Hunde.

Zum Einen habe der Hund bereits im Mai 2016 einen Kaninchenstall aufgebrochen und das darin befindliche Tier getötet und anschließend mitgenommen. Zum Anderen sei er am 03.08.2016 in einen Kleintierzwinger eingedrungen und habe dabei zehn Meerschweinchen und sieben Kaninchen, vermutlich durch Genickbiss, getötet. Für beide Vorfälle gibt es Zeugen.

Der Antragsteller begehrte nun die Aufhebung dieser Verfügung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Die Entscheidung des VG Düsseldorf:

Nach Auffassung des Verwaltungsgericht erging die Ordnungsverfügung rechtmäßig.

Alle Erkenntnisse würden für ein Fehlverhalten des Hundes sprechen. Der Antragsteller hingegen berief sich erst darauf, dass drei Vorfälle geschehen müssten, um eine Gefährlichkeit seines Hundes festzustellen. Dies ist nach Ansicht des Gerichts keineswegs der Fall.

Nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 LHundG NRW sind im Einzelfall gefährliche Hunde solche, die unkontrolliert Wild, Vieh, Katzen oder andere Tiere hetzen, beißen oder reißen.

Ein unkontrolliertes Verhalten sei im Sinne der gesetzlichen Legaldefinition dann anzunehmen, wenn der Hund nicht auf Anweisung bzw. Kommandos des Halters, sondern aus eigenem Antrieb handele. Daher könne sogar bei einem einmaligen (Fehl)Verhalten der Tatbestand des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 LHundG NRW verwirklicht werden, entscheidend sei einzig und allein, dass der Hund sich unkontrolliert verhalte

Die Feststellung der Gefährlichkeit nach Satz 1 erfolgt durch die zuständige Behörde nach Begutachtung durch den amtlichen Tierarzt.

Ein unkontrolliertes Verhalten habe vorliegend stattgefunden, Anhaltspunkte dafür, dass der Hund auf Kommando seines Halters die Ställe aufgebrochen habe lägen nicht vor.

Auch anderweitige Einwände des Antragstellers, zum Beispiel, dass sein Hund an beiden Tagen weder Blut- oder Fellspuren am Maul hatte, sprächen nicht dafür, die Ordnungsverfügungen aufzuheben. Ein Hund könne sich die Spuren ohne Probleme selbst entfernen und zudem müsse bei einem „Genickbiss“ kein Blut am Maul des Tieres befindlich sein.

Überdies seien beide Tatorte weniger als einen Kilometer Luftlinie von dem Wohnort des Tieres entfernt.

Wenn sich im Hauptsacheverfahren ergeben sollte, dass der Hund des Antragstellers die Vorkommnisse nicht verursacht habe, sei eine Befolgung der Ordnungsverfügung bis zu diesem Zeitpunkt trotzdem zumutbar, es sei lediglich Leinen- und Maulkorbpflicht außerhalb des eigenen Grundstücks, angeordnet, dies könne sowohl Halter als auch Hund zugemutet werden.

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Susan Beaucamp

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