„Hunde-Rudelführen“

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 03.02.2015
– 9 U 91/14 –

 

„Hunde-Rudelführen“ führt zur erhöhten Verkehrssicherungspflichten!

„Hunde-Rudelführen“ Wer aus Gefälligkeit mehrere Hunde gleichzeitig ausführt („Rudelführen“ „Mehrhundeführen“), ist verpflichtet, sämtliche Hunde so zu beaufsichtigen, dass sie Menschen oder andere Hunde nicht gefährden. Verletzt der Hundeführer diese Verkehrs­sicherungs­pflicht, in dem einer der Hunde an einer fremden Person hochspringt und diese verletzt, haftet er eindeutig auf Schadensersatz. Das hat das Oberlandesgericht Hamm gerade entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Dortmund aufgehoben

Im vorliegenden Fall trafen die Klägerin  und die Beklagte  im April 2013 beim Spazierengehen im Lünen-Brambauer aufeinander. Die Beklagte führte insgesamt drei angeleinte Hunde, neben ihrem eigenen Schäferhund aus Gefälligkeit einen Boxermischling und den Cane Corso eines Bekannten. Der Cane Corso sprang die Klägerin überraschend an, als die Klägerin an der  Beklagte mit ihren Hunden vorbeigehen wollte. Die Klägerin erlitt Schürfwunden und unter ihrem Auge eine kleinere blutende Gesichtsverletzung, eine Narbe blieb zurück. Von der Beklagten verlangte sie daraufhin ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000 Euro.

Die Schadensersatzklage der Klägerin war erfolgreich. Das Oberlandesgericht Hamm sprach der Klägerin für die erlittenen Verletzungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000 Euro zu. Die Beklagte hafte wegen der Verletzung einer ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht. Wer aus Gefälligkeit Hunde ausführe, müsse die Tiere so halten, dass von den Hunden keine Gefahr für Leben und/oder Gesundheit von Menschen ausgehe, denen sie beim Ausführen begegneten.

Mit Blick auf den Hund Cane Corso habe die Beklagte zwar der im Landeshundegesetz Nordrhein-Westfalen geregelten Leinenpflicht (20/40 Regelung)genügt. Die Beklagte habe aber den Cane Corso aber dennoch nicht so gehalten bzw. geführt, dass er nicht von sich aus die Klägerin habe anspringen und verletzen können. Die Auffassung der Beklagten, es müsse ausreichend sein, den Hund anzuleinen und eng bei sich zu führen, teilte das Gericht nicht. Vielmehr wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, ein Hoch-oder Anspringenspringen des Hundes durch einen entsprechend sicheren Griff beim Passieren eines fremden Menschen von vornherein zu verhindern. Erschwerend kam hinzu, das ihr – wie sie selbst eingeräumt habe – bekannt gewesen sei, dass der Hund zum „Schmusen“ schon einmal an Personen hochzuspringen und ihnen die Pfoten auf die Schultern zu legen pflegte. (Köstlich, wer die Rasse des Cane Corso kennt, ahnt was es bedeutet, von einem solchen Hund  „beschmust“ zu werden, vor allem wenn man den Hund nicht kennt ) Dass die Beklagte kummulativ zwei weitere Hunde an Leinen geführt habe, entlaste sie nicht. Eine derartige „Mehrhunde-oder Rudelführung“ sei hier zwar nicht verboten gewesen, führe aber eindeutig zu einer Steigerung des Gefährdungspotential für Dritte und müsse daher die an den Hundeführer zu stellenden Sorgfaltsanforderungen erhöhen.

Hunde-Leinenpflicht

Wann gilt ein Hund im Sinne des Gesetzes als angeleint?
Die Hunde-Leinenpflicht  findet sich in vielen Landesverordnungen. Danach muss ein Hund in bestimmten Gebieten der Stadt oder an öffentlichen Plätzen angeleint sein. Ebenso, wenn es sich um einen sogenannten „gefährlichen Hund“ handelt.
1. Was ist eine Leine?
2. Wozu dient sie?
3. Gibt es eine Mindestlänge bzw. Höchstlänge der Leine?
4. Muss diese Leine eine Verbindung zwischen Hund und Halter darstellen?
5. Wie ist es bei sog. angehängten „Kurzführern“ am Geschirr des Hundes?
Was ist eine Leine?
Fangen wir ganz von vorne an. Im Duden steht unter dem Begriff Leine ein „am Halsband
befestigter Riemen aus Leder o.ä., an dem ein Tier, besonders ein Hund, geführt wird.“
Bei Wikipedia wird von einer Leine auch geredet wenn sie am Geschirr befestigt wird. (im
Gegensatz zum Duden).
Auf der Seite eines Tierzentrums wird ebenfalls geschrieben, dass eine Leine Geschirr oder
Halsband mit einem Haltegriff oder einer Schlaufe verbindet und zum Führen von Hunden oder
Haustieren verwendet wird.
Egal wie viele Definitionen man sich anschaut, eine Leine ist ein am Halsband oder Geschirr des
Tieres befestigter Riemen, durch den Mensch und Tier eine Verbindung herstellen. Somit soll das
Tier „geführt“ werden.
Wozu dient eine Leine?
In den unterschiedlichen Gemeindeverordnungen steht meist, dass die Halter mit der Leinenpflicht
dafür Sorge tragen sollen, dass ihre Hunde  nicht andere Menschen oder Tiere „anspringen“ oder
Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum verhütet werden sollen. Ebenso soll die öffentliche
Reinlichkeit geschützt werden.
Länge der Leine?
Es ist fraglich, „wie“ ein Hund angeleint zu sein hat. Gibt es eine vorgeschriebene Länge der „Leine“

Fündig wird man vorerst in verschiedenen Gemeindeverordnungen. Dort ist häufig ein
„Höchstmaß“ der Leine vorgegeben. Dieses variiert zwischen 1,2 Metern und 3 Metern.
Die Stadt Oberhausen verlangt z. B. im § 1 (Verbote) eine Höchstlänge von 120 cm der reißfesten
Leine. (Satzung zur Erhaltung der öffentlichen Reinlichkeit und Verordnung zum Schutz der
Öffentlichkeit vor Gefahren durch Hunde, 2.6.05).
Die Stadt Detmold in Nordrhein-Westfalen normiert in ihrer „Ordnungsbehördlichen Verordnung zur
Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Gebiet der Stadt Detmold (23.3.09)
im § 5 (Halten und Mitführen von Tieren) eine 1,5 m lange feste Leine. (ebenso in Garmisch-
Partenkirchen)
Die Stadt Hainburg verlangt eine zulässige Höchstlänge von 2 Metern der Leine.
Gießen verlangt ebenfalls ein Höchstmaß von 2 Metern.
Die Stadt Bad Kissingen in Bayern normiert in ihrer Verordnung über das Umherlaufen von großen
Hunden und „Kampf“hunden (21.3.03) in § 1 (Leinenpflicht) eine Höchstlänge von drei Metern.
Dies sind einige Beispiele. Ab und zu ist sogar ein Zusatz über Leinen mit selbstständiger
Aufrollvorrichtung zu finden, die 10 m nicht überschreiten darf. (sog. „Flexi-Hundeleinen,
Rollleinen)
Muss die Leine eine Verbindung zwischen dem Tier und dem Halter darstellen?
In einem Forum stieß ich auf eine interessante Diskussion, in der es darum ging, ob ein Hund, der
das Ende seiner Leine selbst im Maul trägt ebenfalls „angeleint“ ist.
Es besteht eine Leinenpflicht, der Hund muss eine Leine tragen. Dies ist somit zwar erfüllt.
ABER in den verschiedenen Gemeindeverordnungen steht, dass der Hund entweder
„geführt“ werden muss (Oberhausen) -> dies geht nur, wenn der Halter den Hund an der Leine
führen kann oder dass zB  wie in Gießen, „der Hund sicher gehalten werden kann“. Dieses sichere Halten
funktioniert nur mit einer Leine.
Wie sieht es aus mit einem angehängten Kurzführer am Geschirr des Hundes?
Ein sog. Kurzführer ist eine Abwandlung der „normalen“ Leine. Sie hat meist eine Länge von unter
1,5 m und wird am Geschirr des Hundes eingehängt. Das Ende der Leine zum Halten besitzt eine
Schlaufe. Durch diese Leine wird der Hund ganz dicht beim Herrchen gehalten.
Solch eine Leine wird, wenn sie auch am anderen Ende festgehalten wird, den Verordnungen in
jedem Fall gerecht, da sie kürzer ist als die meisten vorgegbenen Höchstmaße.
Wenn der Kurzführer nur angehängt ist und der Halter es nicht in der Hand hält, gilt der Hund nicht
als angeleint im Sinne der Verordnungen, weil kein sicheres Halten möglich ist.

Rechtsanwältin Susan Beaucamp ©