Gefährlichkeit eines Hundes in Niedersachsen nach dem NHundG

Niedersächsisches OVG  Beschluss 11 ME 423/11.
Die Gefährlichkeit eines Hundes in Niedersachsen nach dem NHundG kann von der Behörde bereits dann festgestellt werden, wenn der Hund erstmals und einmalig einen Artgenossen beißt.
Dies entschied das Niedersächsische OVG in seinem Beschluss 11 ME 423/11.
Geklagt hatte die Halterin einer Boxermischlingshündin. Ihr Tier befand sich besuchsweise auf einem fremden, nicht umschlossenen Grundstück. Als die Hündin, hiervon ab, auf die anliegende öffentliche Straße lief, begegnete ihr ein Jack-Russel-Terrier. Zwischen den Tieren ereignete sich eine Auseinandersetzung, wobei der Boxermischling den Terrier in das Ohr biss und hierdurch eine blutende Wunde verursachte. Die zuständige Behörde stellte daraufhin die Gefährlichkeit der Mischlingshündin gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 NHundG fest. Hiernach heißt es, dass die Fachbehörde einen Hinweis, ein Hund weise eine gesteigerte Aggressivität auf, insbesondere weil er einen anderen Hund gebissen habe, prüfen müssen und bei Bestätigung dieser Prüfung die Gefährlichkeit des Tieres festzustellen hat. Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass der Biss ihres Hundes keine gesteigerte Aggressivität anzeige, sondern zum tierisch bedingten Normalverhalten eines Hundes zähle. Die Gefährlichkeitsfeststellung sei nicht angemessen.
Das vorangegangene Verwaltungsgericht gab der Klägerin zunächst Recht. Es entschied, dass ein Beißvorfall zwischen Hunden per se die Gefährlichkeit des Tieres nach § 7 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 NHundG nicht vermuten lässt. Vielmehr müssten weitere Hinweise vorliegen, nach denen von einer gesteigerten, also nicht art- und situationsgerechten, Aggressivität auszugehen ist.
Diese Einschätzung teilte das OVG als Beschwerdeinstanz jedoch nicht. Es entschied, dass jeder Hundebiss, sofern er nicht nur ganz geringfügige Verletzungen verursacht, bereits ausreiche, um die Gefährlichkeit eines Hundes annehmen zu können. Da OVG begründete diese Entscheidung damit, dass § 7 Abs. 1 NHundG der Gefahrenvorsorge diene. Um effektiv die öffentliche Sicherheit zu wahren und die Bevölkerung hierbei vor bissigen Hunden zu schützen, sei es erforderlich, bereits frühzeitig nötige Maßnahmen zu treffen. Dieser Schutz sei nicht möglich, wenn entsprechende Maßnahmen erst beim Vorliegen konkreter Gefahren getroffen werden können. Vorbeugender Schutz sei nur durch vorsorgliches Einschreiten, bereits beim Vorliegen abstrakter Gefahren garantiert. Hiernach sei folglich ein Beißvorfall bereits für die Gefährlichkeitsfeststellung ausreichend, ohne dass es weiterer Voraussetzungen bedürfe.
Insofern durch diese Feststellung im Einzelfall bedenkliche und unangemessene Folgen für Tier und Halter zu befürchten sind, zum Beispiel weil sich der betroffene Hund nach umfassender Betrachtung als gesellschaftsverträglich erweist, so ändert dies nichts an der ersten Einschätzung der Behörde. Vielmehr seien in solchen Fällen die Rechtsfolgen entsprechend anzupassen. Eine solche Anpassung sieht § 14 Abs. 3 S. 2 NHundG vor, wonach ein als gefährlich eingestuftes Tier nach bestandener Wesenprüfung vom Leinenzwang befreit werden kann.