Typische Tiergefahr  Abruppte Richtungsänderung eines Hundes

Landgericht Tübingen, 12.05.2015, 5 O 218/14

Der Sachverhalt:

Im April 2011 ereignete sich auf einem asphaltierten landwirtschaftlichen Weg folgender Vorfall:

Eine Frau befuhr mit ihrem Fahrrad diesen Weg, das Radfahren war dort auch erlaubt. Gut sichtbar kam ihr ein Mann mit Hund entgegen. Der Mann bewegte sich am rechten Wegrand, der Hund am linken. Der Hund war mit einer Schleppleine mit dem Mann verbunden. Als die Fahrradfahrerin nur noch wenige Meter von Hund und Halter entfernt war, bewegte sich der Hund plötzlich nach rechts. Dadurch kam es zu einem Sturz der Fahrradfahrerin.

Diese verklagte den Hundehalter auf Schmerzensgeld aufgrund der durch den Unfall erlittenen Verletzungen.

Die Verhandlung:

Fraglich war bei dieser Fallkonstellation allerdings, ob § 833 BGB, der maßgeblich für die Tierhalterhaftung ist, angewendet werden kann.

Problematisch ist, dass die Verletzung der Klägerin, hier die Unfallverletzungen, durch die typische Tiergefahr verursacht worden sein müssen.

Das Landgericht Tübingen argumentierte zugunsten der Fahrradfahrerin. Denn der Sturz und die Begegnung mit dem Hund standen in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang. Dies würde für eine Verursachung des Sturzes durch den Hund sprechen.

Zu einer Verursachung durch den Hund muss allerdings noch die typische Tiergefahr realisiert werden. Diese liegt in der Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens. Das Landgericht vertrat die Auffassung, dass das Tier in einer typischen Weise unberechenbar und somit nicht mit dem Denken eines Verkehrsteilnehmers reagiert habe. Denn der Hund hätte abrupt und unvorhersehbar die Richtung geändert.

Auch ein Mitverschulden der Fahrradfahrerin sei ausgeschlossen. Man könnte annehmen, sie hätte anhalten können, absteigen können und langsam an dem Hund vorbeilaufen können. Aber dies kann nicht erwartet werden. Sie hat ihre Geschwindigkeit reduziert, damit sie langsam an dem Hund vorbeifahren konnte. Diese Maßnahme genügt.

Somit kann bei einer abruppten Richtungsänderung eines Hundes und einen dadurch verursachten Unfall von einer typischen Tiergefahr ausgegangen werden.