Hundehalterhaftung
Verwirklichung der spezifischen Tiergefahr bei Schreckreaktion eines Radfahrers nach Hundegebell
AG Coburg, Urteil vom 28.08.2015, 12 C 766/13
Der Sachverhalt:
Hundehalterhaftung Ein junger Mann war zum betreffenden Zeitpunkt mit dem Fahrrad zur Schule unterwegs. Der Weg, auf dem er sich befand war mindestens 2,3 m breit und verlief gerade. Über Kopfhörer hörte der Kläger Musik.
Der Beklagte sah den Radfahrer entgegenkommen und hielt seinen nicht allzu großen Hund am Halsband fest und wartete am Wegesrand, sodass der Radfahrer in Ruhe passieren konnte.
Als der Radfahrer auf der Höhe des Hundes angekommen war, bellte der Hund einmal kurz und machte eine kurze Bewegung auf den Kläger zu. Daraufhin stürzte derselbe kurz nach der Begegnung und trug Verletzungen im Gesicht und an den Zähnen davon.
Behauptungen des Klägers zufolge, habe der Hund einen Satz in Richtung der Mitte des Weges gemacht, der Beklagte sei zwar in der Lage gewesen, das Tier festzuhalten, jedoch habe er selbst sich so erschrocken, dass er eine spontane Ausweichbewegung hätte machen müssen, bei welcher er gestürzt sei.
Der Kläger verlangte Schmerzensgeld im vierstelligen Bereich.
Der beklagte Hundehalter schilderte die Situation derart, als dass sein Hund versucht hätte, hochzuspringen, jedoch sei ihm dies nicht gelungen. Vom Kläger sei auch zunächst gar keine Reaktion auf das Bellen des Hundes ersichtlich gewesen, er sei mit hoher Geschwindigkeit vorbei gefahren und anschließend erst gestürzt.
Die Entscheidung des Amtsgerichts Coburg:
Die Klage des Radfahrers wurde vom AG Coburg abgewiesen.
Das Gericht führte aus, dass ein Tierhalter auch dann unabhängig von eigenem Verschulden dann zum Schadensersatz verpflichtet sei, wenn DURCH sein Tier jemand verletzt werde.
Dafür sei allerdings Voraussetzung, dass die „spezifische Tiergefahr“ verwirklicht worden ist.
Dies sei in diesem Falle problematisch, da es sich um eine Schreckreaktion des Klägers handelte. Für menschliche Schreckreaktionen hafte der Tierhalter, wenn jene Reaktionen, gemessen an der Bevölkerungsgruppe des Verletzten, noch verständlich und nachvollziehbar seien.
So sei es bei einem kleinen Kind oder einem alten Menschen durchaus nachvollziehbar, dass ein einmaliges Bellen des Hundes ausreiche, eine Schreckreaktion hervorzurufen.
Sei die Reaktion des Verletzten jedoch völlig unverständlich und überzogen, dann wäre er für den Schaden selbst verantwortlich.
Das Gericht ging im vorliegenden Falle von einer unangemessenen Schreckreaktion des Radfahrers aus. Der Hund (welcher auch eher klein gewesen sei) wäre an der Seite eines breiten Weges festgehalten worden. Zudem habe er nur einmal gebellt und sich kurz in Richtung Radfahrer bewegt. Für den Kläger sei es ferner frühzeitig zu erkennen gewesen, dass ein Hund in Reichweite ist und er hätte sich auf die Situation einstellen können.
Überdies sei es auch erkennbar gewesen, dass der Hund nicht ohne Leine herumlief, sondern fest vom Beklagten am Halsband gehalten wurde. Der Kläger hätte somit ohne weiteres langsamer fahren können, oder sogar das Rad ein kleines Stückchen schieben können.
Stattdessen jedoch sei er, über seine Kopfhörer Musik hörend, am Hund vorbeigefahren.
Nach Auffassung des Gerichts sei die zum Sturz führende Reaktion dann nicht mehr auf die „spezifische Tiergefahr“ des Hundes zurückzuführen, sondern stelle eine schuldhafte Überreaktion des Klägers dar.
Die Klage hatte keinen Erfolg.