Zur Anordnung eines Leinen- und Maulkorbzwangs

VG Würzburg, Urteil vom 27.07.2018, AZ.: W 9 K 17.332

Sachverhalt:

Der Kläger ist Halter eines Leonberger Hundes, den er auf seinem Wohngrundstück mit angrenzendem Garten- und Baugrundstück hält. Es handelt sich hierbei um einen großen Hund mit mindestens 50 cm Schulterhöhe. Nachdem die Beklagte als zuständige Ordnungsbehörde Kenntnis von einem Beißvorfall erlangte, wonach der Leonberger unangeleint von dem nicht ausbruchsicheren Grundstück entkommen war und eine Labrador-Hündin ohne ersichtlichen Grund gebissen hatte, ordnete sie einen Leinen- und Maulkorbzwang für den Leonberger an. Durch den Bescheid wurde der Kläger dazu verpflichtet,

  1. den Hund außerhalb seines Grundstücks innerhalb zusammenhängend bebauter Ortsteile an einer höchstens 3 Meter langen Leine mit schlupfsicherem Halsband oder ähnlich zuverlässiger Körperbefestigung zu führen, insoweit werde Leinenzwang angeordnet. Komme es außerhalb dieser Bereiche zu Begegnungen mit Menschen oder Tieren, sei der Hund so rechtzeitig anzuleinen und dürfe erst dann wieder von der Leine gelassen werden, wenn ein ungewollter Kontakt mit Menschen oder Tieren mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne.
  2. Beim Ausführen des Hundes außerhalb des Grundstücks des Klägers sei diesem ein Maulkorb anzulegen, insoweit werde Maulkorbzwang angeordnet.
  3. Der Aufenthaltsbereich des Hundes auf dem Grundstück des Klägers sei so abzusichern, dass der Hund die Grundstücke nicht unbeaufsichtigt verlassen könne.

Zudem wurde die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 bis 3 angeordnet. Für den Fall, dass der Kläger die in den Ziffern 1 bis 3 genannten Pflichten nicht ab sofort erfülle, wurden Zwangsgelder festgesetzt.

Durch Änderungsbescheid wurden die Anordnungen dahingehend abgeändert, dass die örtliche Begrenzung auf zusammenhängend bebaute Ortsteile aufgehoben wurde und nun verfügt wurde, dass der Hund in einem beiliegenden Lageplan blau markierten Bereich freier Auslauf ohne Maulkorb gewährt werden dürfe, wenn er sich unter Aufsicht des Hundehalters befinde und gewährleistet sei, dass er den Anordnungen des Hundehalters Folge leiste.

Zur Begründung gab die Beklagte an, dass nach den gegebenen Tatsachen zu befürchten sei, dass der Hund Menschen oder erneut andere Tiere “angreife”, so dass von ihm eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehe. In der nachfolgenden Zeit ereigneten sich weitere Vorfälle mit dem Hund, wobei er sich in einem Fall aus dem Halsband und damit auch von der Leine befreite.

Gegen diesen Bescheid erhob der Hundehalter Klage vor dem Verwaltungsgericht, jedoch ausdrücklich nur gegen den angeordneten Maulkorbzwang. Der Kläger war der Ansicht, dass es des Maulkorbes nicht bedürfe, wenn er sich an den Leinenzwang halte, ein schlupfsicheres Halsband verwende und das Grundstück gegen Ausbrüche sichere, da unter diesen Bedingungen keine Gefahr von dem Hund ausgehe.

 

Entscheidung:

Die Klage wurde von dem Verwaltungsgericht als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Rechtsgrundlage für die angegriffene Anordnung ist Art. 18 Abs. 2 LStVG. Nach dieser Vorschrift können die Gemeinden zum Schutz von Leben, Gesundheit, Eigentum oder der öffentlichen Reinlichkeit Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden treffen. Eine solche Anordnung darf jedoch nur verfügt werden, wenn im zu betrachtenden Einzelfall eine konkrete Gefahr für die genannten Schutzgüter vorliegt. Letzteres ist dann der Fall, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden kann, dass es in absehbarer Zeit zu einer Verletzung der geschützten Rechtsgüter kommt. Da es vorliegend bereits zu einem Beißvorfall gekommen war, hatte sich die von jedem Hund ausgehende abstrakte Gefahr bereits realisiert, so dass eine konkrete Gefahr weiterer Vorfälle bestand. Weiterer Voraussetzungen für die Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes bedurfte es daher nicht. Insbesondere kommt es vorliegend nicht darauf an, ob von dem Hund eine gesteigerte Aggressivität gegen Menschen oder andere Hunde ausgeht oder ob es sich um ein hundetypisches Verhalten handelte.

Die Anordnung erfolgte auch ermessensfehlerfrei. Liegt eine konkrete Gefahr vor, sind an die Begründung des Entschließungsermessens regelmäßig nur geringe Anforderungen zu stellen. Bei ihrer Auswahlentscheidung hat die Beklagte die entscheidungsrelevanten Belange abzuwägen, die von Art. 18 LStVG geschützten Rechtsgüter zu beachten und die Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die für die Bejahung der konkreten Gefahr maßgeblich sind. Zudem muss die Maßnahme verhältnismäßig sein. Eine Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang ist möglich, wenn im Einzelfall eine konkrete Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Hund auch angeleint beißen würde oder sich von der Leine losreißen würde. Vorliegend hatte der Leonberger sich bereits zuvor aus dem Halsband befreit, so dass eine konkrete Wahrscheinlichkeit hierfür bestand.

Durch die neue Regelung, dass der Hund in festgelegten Bereichen auch ohne Leine und Maulkorb ausgeführt werden darf, wurde auch dem natürlichen Bewegungsbedürfnis des Hundes entsprochen, weswegen die Anordnungen insgesamt als verhältnismäßig anzusehen waren.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Hundehalterhaftung – „Der will nur spielen“

OLG Koblenz, Beschluss vom 18.10.2018 – 1 U 599/18

Sachverhalt:

Der Beklagte und seine Ehefrau gingen mit ihrem Gordon Setter im Wald spazieren, wobei der Hund nicht angeleint war. Der Hund verschwand aus der Sichtweite des Beklagten und rannte auf den Kläger zu, der gerade joggte, wobei er eine Hündin angeleint mit sich führte. Die Hündin führte der Kläger regelmäßig für einen Bekannten aus. Der Kläger konnte den Beklagten nicht sehen, rief aber laut, dass die Hundehalter ihren Hund zurückrufen und anleinen sollten. Auf die Rufe des Beklagten reagierte der Gordon Setter jedoch nicht. Der Kläger versuchte den Hund mit einem Ast auf Abstand zu halten, wobei er ausrutschte und sich eine Verletzung zuzog, die im Krankenhaus zweimal operiert werden musste.

Der Kläger trug vor, dass der Hund des Beklagten in aggressiver Weise auf ihn und die Hündin zugerannt sei und sie dann umkreiste. Er forderte Schadensersatz und Schmerzensgeld für die erlittene Verletzung. Der Beklagte behauptete hingegen, der Gordon Setter habe die Hündin lediglich spielerisch umtänzelt, sein Verhalten sei keineswegs aggressiv gewesen. Außerdem habe der Kläger den Hund mit dem Stock geschlagen, obwohl dies nicht notwendig gewesen sei.

 

Entscheidung:

Das Landgericht Mainz (Urteil vom 02.05.2018 – AZ.: 9 O 1651/17) hatte erstinstanzlich dem Kläger Recht gegeben und den Beklagten entsprechend verurteilt.

Das Gericht hatte im Wesentlichen ausgeführt, dass nach der geltenden kommunalen Gefahrenabwehrverordnung Hundehalter ihre Hunde außerhalb bebauter Ortslagen umgehend und unaufgefordert anzuleinen haben, wenn sich andere Personen nähern oder sichtbar werden. Aus dieser Pflicht folge auch, dass der Hundehalter jederzeit die Möglichkeit haben muss, den Hund anleinen zu können. Diese Gefahrenabwehrverordnung stellt ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB dar. Hiergegen hat der Beklagte verstoßen, da er den Hund im Wald frei und außerhalb der Sichtweite laufen ließ, so dass er keine Möglichkeit hatte, ihn jederzeit anzuleinen. Der Verstoß ist auch kausal zu dem Schaden gewesen, denn wäre der Hund angeleint gewesen, so wäre er nicht auf den Kläger zugerannt und er hätte ihn nicht abwehren müssen. Dass jemand bei einem solchen Abwehrverhalten ausrutscht und sich verletzt liege auch nicht außerhalb der Lebenserfahrung. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass es für den Kläger erkennbar war, dass der fremde Hund nur mit der Hündin spielen wollte. Der Kläger durfte sich daher zur Verteidigung herausgefordert sehen. Ein eigenes Verschulden treffe ihn daher nicht.

Die hiergegen von dem Beklagten erhobene Berufung wurde durch Beschluss des Oberlandesgerichts zurückgewiesen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hatte.

Das Berufungsgericht ist den Ausführungen des Landgerichts gefolgt und hat darüber hinaus festgestellt, dass den Kläger auch kein Mitverschulden treffe. Entgegen der Auffassung des Beklagten habe sich der Kläger gegen den herannahenden Hund zur Wehr setzen dürfen, wobei es unerheblich sei, ob der Hund sich freundlich und schwanzwedelnd in spielerischer Absicht näherte oder nicht. Es ist einem Spaziergänger nicht zumutbar, unklares tierisches Verhalten eines sich nähernden Hundes zu analysieren und zu bewerten und damit auch Gefahr zu laufen, dieses eventuell falsch zu interpretieren. Gelangt ein fremder Hund nicht angeleint und ohne Kontrolle durch den Hundehalter in die Nähe eines Spaziergängers, so kann dieser effektive Abwehrmaßnahmen vornehmen. Hierbei war auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte selbst vorgetragen hat, dass er seinen Hund nicht mehr zurückrufen konnte.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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