Regelungen und Vorschriften „Listenhunde“

Viele deutsche Bundesländer führen in ihrer/em Hundeverordnung/Hundegesetz sog. „Listenhunde“, die als „gefährlich gelten“ oder deren „Gefährlichkeit vermutet“ wird.

Derzeit gibt es in fünf Bundesländern abgestufte Rasselisten (1 = gefährlich und 2 = Gefährlichkeit wird vermutet), wie zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen. Die gelisteten Rassen unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland, ebenso wie die Art der Gefährlichkeit. So kann für einige Rassen in einigen Bundesländern die Gefährlichkeit widerlegt werden, für andere nicht. Daraus folgernd gibt es ca. ein Dutzend verschiedene Definitionen dafür, welche Hunderassen genetisch bedingt gefährlich sein könnten.

Nur Niedersachsen (seit 2003) und Schleswig-Holstein (seit 2016) haben sich gegen Rasselisten ausgesprochen. Hier vertritt man die (nach Auffassung der Verfasserin richtige) Meinung, dass ein Hund erst durch falsche Haltung und/oder Erziehung aggressiv gegenüber dem Menschen oder Artgenossen wird – dadurch wird ein klares Votum gegen die Diskriminierung ausgesprochen. Derzeit finden sich  ca. ein Dutzend verschiedene Definitionen dafür, welche Hunderassen genetisch bedingt gefährlich sein könnten.

Jedes Bundesland hat damit eine andere ‚Lösung‘ für die Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes gefunden.

Im Niedersächsischen Hundegesetz heißt es hierzu in §7:

(1) Erhält die Fachbehörde einen Hinweis darauf, dass ein Hund, der von einer Hundehalterin oder einem Hundehalter nach § 1 Abs. 2 gehalten wird, eine gesteigerte Aggressivität aufweist, insbesondere

1. Menschen oder Tiere gebissen oder sonst eine über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft, Angriffslust oder Schärfe gezeigt hat oder auf Angriffslust, auf über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft

2. oder Schärfe oder auf ein anderes in der Wirkung gleichstehendes Merkmal gezüchtet, ausgebildet oder abgerichtet ist,

so hat sie den Hinweis zu prüfen. Ergibt die Prüfung nach Satz 1 Tatsachen, die den Verdacht rechtfertigen, dass von dem Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, so stellt die Fachbehörde fest, dass der Hund gefährlich ist.

Für alle Bundesländer gilt ohne Ausnahme: Jeder Hund, der einen Menschen oder ein Tier gebissen und dabei mehr als nur ganz geringfügig verletzt hat, kann als gefährlich eingestuft werden. Dabei kann es im Einzelfall schwierig sein, Ausnahmetatbestände wie z.B. artgerechtes Abwehrverhalten, zu erkennen oder auszuschließen.

Gefährlichkeit nach Beißvorfällen

Nach einem Beißvorfall kann in jedem Bundesland eine Einstufung eines Hundes als gefährlich durch die zuständige Behörde erfolgen.

So stellte das Verwaltungsgericht Trier in Rheinland-Pfalz stellte in einem Beschluss vom 23.05.2013 sowie einem Beschluss vom 16.01.2013 fest, dass ein Hund sich nach einem Beißvorfall gegenüber einem Menschen (1L 593/13.TR), bzw. einem Hund (1L 1740/12.TR), alleine dadurch als bissig erwiesen hat und somit als gefährlich gilt.

In Niedersachsen muss der Biss eines Hundes zu einer nicht nur ganz geringfügigen Verletzung führen, um den beißenden Hund als gefährlich einzustufen. Bereits am 18.01.2012 erfolgte ein Beschluss vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (11ME 423/11), demnach es zur Feststellung der Gefährlichkeit regelmäßig ausreicht, dass der Hund einen anderen Hund gebissen, bzw. nicht nur ganz geringfügig verletzt hat. Allerdings werden Ausnahmen formuliert, so z.B. für erlaubtes Beißen im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs, z.B. bei Dienst-, Wach- und Jagdhunden, für eindeutig artgerechtes Abwehrverhalten gegenüber anderen (Haus-)Tieren, sowie für das Beißen und Töten von Mäusen oder Insekten.

Hat ein Hund ein Schaf gerissen, kann dieser ohne Weiteres als gefährlich eingestuft werden. Das Verwaltungsgericht Oldenburg urteilte im Juni 2014 (Az. 7A 788/14), dass aus Gründen der Gefahrenvorsorge ein derartiger einmaliger Vorfall ausreicht und ohne weitere Prüfung die Gefährlichkeit ausgesprochen werden kann.

Ein einmaliges Beißen eines Menschen kann in Niedersachsen zu einer Prüfung auf gesteigerte Aggressivität führen, mehrmaliges Beißen kann hingegen direkt zur Gefährlichkeitsfeststellung führen. In dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg (7B 5951/13) vom 20.09.2013 wurde festgehalten, dass es zur Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes ausreicht, dass dieser einmalig einen Menschen gebissen hat. Hat ein Hund bereits mehrmals Menschen gebissen, kann die Gefährlichkeit aus Gründen der Gefahrenvorsorge regelmäßig auch ohne weitere Prüfung festgestellt werden. Dies wird auch durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 30.06.2015 bestätigt (Aktenzeichen 11 LA 250/14). Die Überprüfungspflicht umfasst lediglich die Überprüfung der näheren Umstände des Vorfalls. Weitere Überprüfungen des Hundes durch eine Verhaltensüberprüfung oder einen Wesenstest sind zur Gefährlichkeitseinstufung nicht erforderlich. Auch kann ein bestandener Wesenstest die Gefährlichkeit des Hundes rechtlich nicht wiederlegen.

Gefährlichkeit ohne Beißvorfälle

Hunde – unabhängig von ihrer Rassezugehörigkeit – können auch ohne Beißvorfall als gefährlich eingestuft werden.

In Rheinland-Pfalz klagte die Halterin einer Schäferhündin ohne Beißvorfall gegen den verhängten Leinen- und Maulkorbzwang der Hündin. Das Oberverwaltungsgericht sah es als erwiesen an, dass die Hündin sich mehrfach bellend und zähnefletschend auf Artgenossen gestürzt und diese angegriffen habe. Dies zeige eine überdurchschnittlich ausgeprägte extreme Kampfbereitschaft, was dazu führt, dass die Hündin laut rheinland-pfälzischem Landesgesetz über gefährliche Hunde als gefährlich einzustufen ist (Oberverwaltungsgericht OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.06.2013 (7B 10501/13.OVG).

In Bayern wurden im Februar 2015 zwei sich widersprechende Beschlüsse erlassen.
Am 11.02.2015 beschloss der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, dass ein Hund auch bei gutem Erziehungsstand und bestandenem Wesenstest als gefährlich gelten kann und somit ein großer Hund auch ohne Vorfall nicht frei herumlaufen darf, sofern sich Dritte hierdurch bedroht sehen (Aktenzeichen 10 ZB 14.2299).

Am 18.02.2015 beschloss der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem anderen Fall, dass für die Haltung eines Rottweilers nicht alleine aufgrund seiner Größe und der Listung unter Kategorie 2 der bayerischen Hundeverordnung spezielle Anordnungen wie Leinen- und Maulkorbzwang getroffen werden können (Aktenzeichen 10 CS 14.2558). Grundsätzlich gehe von großen Hunden, die auf öffentlichen Straßen und Wegen frei herumlaufen, vom Führen derartiger Hunde durch eine hierzu nicht befähigte Person oder durch eine nicht ausbruchssichere Unterbringung solcher Hunde in der Regel eine konkrete Gefahr für Leib und Leben Dritter aus. Es verstoße jedoch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn Hunderassen der Kategorie 2 anders als sonstige große Hunde Anordnungen zur Hundehaltung unterliegen, unabhängig vom Verhalten des Hundes, vom Vorliegen besonderer Umstände wie eines Beißvorfalls oder von Empfehlungen eines Hundesachverständigen.

Beispiele für weitere abstruse Unterschiede in den landeseigenen Regelungen

In Niedersachsen wird jeder Hinweis auf gesteigerte Aggressivität eines Hundes von der zuständigen Behörde überprüft, in Hessen kann ebenfalls aufgrund des Verhaltens eine Gefahr angenommen werden, in Bayern kann ein Hund bereits aufgrund seines Erscheinungsbildes als gefährlich eingestuft werden, u.a. in Schleswig-Holstein kann aufgrund von gefahrdrohendem Anspringen in der Öffentlichkeit eine Einstufung als gefährlich erfolgen.

Weitreichende Konsequenzen für den Halter

Ist ein Hund vom zuständigen Veterinäramt als gefährlich eingestuft worden, wird die Haltung des Hundes meist erlaubnispflichtig und es muss z.B. In Nierdersachsen ein Wesenstest abgelegt werden. Zudem gilt für gefährliche Hunde in der Regel ein Leinen- und Maulkorbzwang. Sollten Auflagen nicht eingehalten werden, kann in letzter Konsequenz sogar eine Sicherstellung des Hundes durch die Behörden erfolgen. Auch hier gibt es landeseigene Besonderheiten. 

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Susan  Beaucamp

Rechtsanwältin