Beißvorfall Schäferhund – Zum Haltungsverbot von großen Hunden

VG Düsseldorf, Urt. v. 27.06.2018 – 18 K 1929/16

Sachverhalt:

Im Frühjahr 2011 kam es mit dem Schäferhund des Klägers zu einem Vorfall, bei dem der Schäferhund einem Mädchen ins Bein gebissen und es dadurch verletzt hatte. Die beklagte Ordnungsbehörde begutachtete den Schäferhund daraufhin und stellte dessen Gefährlichkeit fest. Durch die begutachtende Amtstierärztin wurde mündlich ein sofortiger Leinen- und Maulkorbzwang angeordnet. Der Kläger erklärte sich hiermit einverstanden und verzichtete ausdrücklich auf eine schriftliche Bestätigung.

Über ein Jahr später kam es erneut zu einem Vorfall, bei dem der Schäferhund einem Mann ins Bein gebissen haben soll. Der Schäferhund soll dabei weder angeleint gewesen sein, noch einen Maulkorb getragen haben. Ob der Schäferhund des Klägers den Mann überhaupt gebissen und verletzt hatte, war zwischen den Parteien jedoch umstritten und blieb ungeklärt.

Aufgrund dieses Vorfalls erließ die Beklagte einen Bescheid gegen den Hundehalter und ordnete ein Hundehaltungsverbot sowohl bezüglich des Schäferhundes, als auch bezüglich der generellen Haltung großer Hunde im Sinne des § 11 LHundG NRW an. Zudem sollte der Schäferhund bis zur Überprüfung der Gefährlichkeit in einem Tierheim untergebracht werden.

Gegen diesen Bescheid klagte der Hundehalter und stellte zugleich einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz. Der Antrag wurde abgelehnt, denn das Gericht sah die Unzuverlässigkeit des Hundehalters als erwiesen an. Der zweite Vorfall hätte vermieden werden können, hätte sich der Kläger an die Haltungsauflagen nach dem ersten Vorfall gehalten. Da er sich in der mündlichen Verhandlung darauf berufen hatte, dass seiner Meinung nach die mündliche Anordnung keine Wirkung ihm gegenüber entfaltet hätte, war auch davon auszugehen, dass er sich weder an den Leinen- noch an den Maulkorbzwang gehalten hatte. Somit war von einem Verstoß gegen § 2 Abs. 1 LHundG NRW auszugehen. Er habe außerdem nach dem ersten Vorfall gewusst, dass sein Schäferhund aggressives Verhalten zweigen würde und hätte daher den Schäferhund erst recht sichern müssen.

Das Hauptsacheverfahren wurde eingestellt, da der Schäferhund zwischenzeitlich abgegeben worden war.

Weil der Geschädigte des zweiten Vorfalls seinerseits den Hundehalter verklagte, kam es zu einem weiteren Gerichtsverfahren, bei dem mehrere Zeugen zu dem Vorfall angehört wurden. Das Amtsgericht Düsseldorf wies die Klage gegen den Hundehalter im Januar 2015 ab. Das Gericht hatte erhebliche Zweifel daran, dass der Schäferhund den Mann verletzt hatte, denn die Zeugenaussagen blieben unergiebig, der Kläger konnte somit keinen Biss beweisen. Es blieb offen, ob der Schäferhund seinerzeit angeleint gewesen war.

Im November 2015 stellte der Halter des Schäferhundes einen Antrag bei der Beklagten, das Verbot zur Haltung großer Hunde aufzuheben. Er begründete den Antrag damit, dass ein Biss bei dem Gerichtsverfahren nicht festgestellt werden konnte. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid ab. Für eine Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens gäbe es keine Gründe, es fehle an neuen Anhaltspunkten. Eine Rechtsmittelbelehrung fehlte in dem Bescheid.

Anfang 2017 erhob der Hundehalter Klage hiergegen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen. Die Ablehnung der Aufhebung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, er hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Haltungsverbots für große Hunde.

Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 22 OBG NRW. Nach dieser Vorschrift kann die von einer Ordnungsverfügung mit fortdauernder Wirkung betroffene Person verlangen, dass die Verfügung aufgehoben wird, wenn die Voraussetzungen der Ordnungsverfügung fortfallen.

Die Voraussetzungen der ersten Ordnungsverfügung aus dem Jahr 2012 sind vorliegend jedoch nicht entfallen. Die Rechtsgrundlage für ein allgemeines Haltungsverbot von großen Hunden ist in § 12 Abs. 2 LHundG NRW geregelt. Danach kann das Halten eines großen Hundes im Sinne des § 11 Abs. 1 LHundG NRW untersagt werden, wenn ein schwerwiegender Verstoß oder wiederholte Verstöße gegen Vorschriften des LHundG NRW oder auf Grund dieses Gesetzes getroffener Anordnungen vorliegen, die Haltungsvoraussetzungen nach § 11 Abs. 2 LHundG nicht erfüllt sind oder die Haltungsvoraussetzungen nicht innerhalb einer behördlich bestimmten Frist der zuständigen Behörde nachgewiesen wurden.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte in dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren bereits ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine solche Anordnung vorlagen, denn der Kläger hatte sich nach eigenen Angaben trotz ausdrücklicher Zustimmung und Verzichts auf eine schriftliche Ausführung nicht an die Haltungsanordnungen gebunden gefühlt und in der Folge hiergegen verstoßen. Diese Voraussetzungen sind auch nicht durch die Entscheidung des Amtsgerichts Düsseldorf oder durch Zeitablauf entfallen.

Die Entscheidung des Amtsgerichts enthält weder die Feststellung, dass es nicht zu einem Biss gekommen ist, noch, dass der Schäferhund des Klägers bei dem Vorfall angeleint gewesen ist oder einen Maulkorb trug. Es stellt lediglich fest, dass ein Biss durch die beigebrachten Beweismittel nicht zweifelsfrei bewiesen werden konnte. Zudem hatte das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss nicht auf den Umstand abgestellt, dass es bei dem zweiten Vorfall tatsächlich zu einem Biss gekommen ist. Ausschlaggebend für die Feststellung war, dass der Kläger schwerwiegend und wiederholt gegen Vorschriften des LHundG NRW verstoßen hat und sich als unzuverlässig im Sinne des § 7 Abs. 2 LHundG NRW erwiesen hat und zwar hauptsächlich wegen des ersten Vorfalls bei dem der Schäferhund ein Kind gebissen hatte und weil der Kläger trotz Kenntnis der von seinem Schäferhund ausgehenden Gefahren die Anordnung der Amtsveterinärin zwar scheinbar akzeptierte, sie zugleich aber mit Verweis auf deren mögliche Nichtigkeit vorsätzlich missachtete.

Auch der Zeitablauf seit Erlass der Verfügung führt nicht zu einem Fortfall der ihr zugrundeliegenden Voraussetzungen. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, aus denen sich ergäbe, dass der Kläger sein Fehlverhalten mittlerweile eingesehen hätte und zukünftig nicht mehr mit Verstößen gegen das LHundG NRW zu rechnen ist. Dabei ist zu beachten, dass der Kläger – selbst wenn es bei dem zweiten Vorfall nicht zu einem Biss durch seinen Schäferhund gekommen sein sollte – massiv und wiederholt gegen Vorschriften des LHundG NRW verstoßen hat, so dass auch nach sechs Jahren noch von einer Unzuverlässigkeit des Klägers ausgegangen werden kann.

Eine abweichende Betrachtung erlaubt auch § 7 Abs. 1 LHundG NRW nicht. Danach besitzen Personen die zur Haltung eines Hundes erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht, die wegen der dort genannten Straftaten rechtskräftig verurteilt worden sind, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind. Hieraus kann nicht abgeleitet werden, dass nach einem Ablauf von fünf Jahren auch sonstige Tatbestände, die zur Annahme der Unzuverlässigkeit des Hundehalters geführt haben, nicht mehr zu berücksichtigen wären. Die Unzuverlässigkeit des Klägers ergibt sich hier aus § 7 Abs. 2 Nr. 2, der im Gegensatz zu § 7 Abs. 1 Satz 1 LHundG gerade keine zeitliche Einschränkung vorsieht. Aber auch eine festgestellte Unzuverlässigkeit wegen der Begehung von Straftaten entfällt nicht automatisch nach Ablauf von fünf Jahren. Raum für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf § 7 Abs. 2 Nr. 2 LHundG besteht aber auch bereits mangels Regelungslücke und mangels vergleichbarer Interessenlage nicht.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Gefährlichkeitsfeststellung und Haltungsuntersagung zweier Akita-Inu Rüden nach Angriff auf Schafe

OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 04.12.2018 – OVG 5 S 19.18

Sachverhalt:

Die Antragstellerin ist Halterin zweier Akita-Inu Rüden. Diese wurden eines Tages von einem Schäfer dabei angetroffen, wie sie seine verängstigten Schafe, die sich in ihrer Schutzhütte in eine Ecke drängten, anbellte. Der Schafhalter rief die Polizei und die Hundehalterin hinzu, so dass der Vorfall bei der beklagten Ordnungsbehörde aktenkundig wurde. Der Schäfer stellte kurz nach dem Vorfall bei zwei Schafen offene, noch nicht verschorfte Bisswunden fest. Die Beklagte stellte daher die Gefährlichkeit der Akita-Inu Rüden fest und ordnete eine sofort vollziehbare Haltungsuntersagung an, sowie dass die Akita-Inu Rüden an ein Tierheim oder eine andere Person die gefährliche Hunde halten darf abgegeben werden.

Hiergegen hat die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz ersucht und unter anderem  eingewendet, dass der Schäfer gar nicht gesehen hätte, dass die Akita-Inu Rüden die Schafe tatsächlich gebissen hätten, er habe lediglich die Akita-Inu Rüden im Stall angetroffen. Zeugen dafür, dass die Akita-Inu Rüden die Schafe tatsächlich gebissen hätten, gäbe es nicht.

Entscheidung:

Der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung wurde abgelehnt. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit überwiegt vorliegend das private Interesse der Hundehalterin, vorerst von der Vollziehung verschont zu bleiben. Nach der summarischen Prüfung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ist davon auszugehen, dass sich der Bescheid auch in der Hauptsache voraussichtlich als rechtmäßig erweisen wird. Der Schäfer konnte glaubhaft bezeugen, dass die Akita-Inu Rüden die Schafe in ihrem Unterstand angebellt hatten und sie kurz darauf Bissverletzungen aufgewiesen haben. Es ist daher davon auszugehen, dass die Verletzungen durch die Akita-Inu Rüden verursacht wurden. Die Einwände der Antragstellerin waren dagegen völlig unsubstantiiert. So hatte sie vorgetragen, es könne genauso gut sein, dass die Schafe von einem Wolf angegriffen worden seien und ihre Akita-Inu Rüden den Wolf vertrieben hätten. Zudem sei es völlig lebensfremd, dass die Akita-Inu Rüden, die ebenfalls auf dem Grundstück befindlichen Hühner unbehelligt gelassen haben sollen, aber die Schafe angegriffen hätten. Diese Behauptungen wurden in keiner Weise näher belegt. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren hat das Gericht nur eine summarische Prüfung vorzunehmen und brauchte daher nicht näher auf diese rein spekulativen Behauptungen einzugehen. Auch dass die Akita-Inu Rüden keine Blutspuren an ihren Schnauzen gehabt haben sollen, kann den von dem Zeugen dargelegten Sachverhalt nicht widerlegen, denn es ist nicht zwingend notwendig, dass nach dem Biss eines Schafes Blutspuren am Maul des Hundes zu finden sind. Die Akita-Inu Rüden haben daher nach Überzeugung des Gerichts ohne Anlass die Schafe des Zeugen gebissen und verletzt.

Die Vermutung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 HundehV ist unwiderleglich, so dass die Feststellung der Beklagten, dass es sich bei den Akita-Inu Rüden um gefährliche Hunde nach dieser Vorschrift handelt, nicht zu beanstanden ist. Es spielt daher auch keine Rolle, dass die Akita-Inu Rüden zuvor nie auffällig geworden sind und auch der Amtstierarzt kein aggressives Verhalten feststellen konnte. Ein einmaliger Beißvorfall reicht für die Vermutung der Feststellung der Gefährlichkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 HundehV aus.

Die Akita-Inu Rüden der Antragstellerin sind daher gefährliche Hunde, weswegen es zu ihrer weiteren Haltung einer Erlaubnis gemäß § 10 Abs. 1 HundehV bedürfe. Eine solche hat die Antragstellerin jedoch bislang weder beantragt noch erhalten, so dass auch das Haltungsverbot rechtmäßig erfolgte.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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