Hund beißt Jogger Kein artgerechtes Abwehrverhalten

Hund beißt Jogger Kein artgerechtes Abwehrverhalten und daher keine Ausnahme von Gefährlichkeitsfeststellung nach dem NHundG

OVG Braunschweig stellt klar: Hund darf nicht grundlos „verteidigen“

Eine Hundehalterin scheiterte mit ihrem Vorgehen gegen die Gefährlichkeitsfeststellung ihrer 8-jährigen Malinois- Mischlingshündin vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig (Beschluss vom 18. August 2016, Aktenzeichen: 5 B 105/16).
Die Frau war im Februar zusammen mit einer Bekannten und deren Hund auf einem Feldweg mit ihrer angeleinten Hündin spazieren gegangen, als sich ihnen von hinten ein Jogger in schnellem Tempo näherte und zwischen den beiden Frauen hindurch lief. Daraufhin biss die Hündin den Jogger in den Unterarm, wodurch eine blutende Wunde entstand, die im Krankenhaus behandelt werden musste. Aufgrund dieses Vorfalls wurde die Malinois- Mischlingshündin von der zuständigen Behörde als gefährlich im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 2 des Niedersächsischen Gesetzes über das Halten von Hunden (NHundG) eingestuft. Gegen diese Gefährlichkeitsfeststellung wollte sich die Halterin gerichtlich zur Wehr setzen, scheiterte jedoch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens.
Zu seinem Ergebnis kam das Gericht, indem es der ständigen Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg folgte, das die Ansicht vertritt, dass ein Hund grundsätzlich als gefährlich eingestuft werden kann, wenn er einen Menschen nicht nur geringfügig verletzt. Dies findet sich auch so im zugrundeliegenden Gesetz, dem NHundG, in dessen § 7 davon ausgegangen wird, dass Hunde, die Menschen gebissen haben, eine gesteigerte Aggressivität aufweisen (vgl. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 NHundG).
Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine von den Gerichten anerkannte Ausnahme vorliegt. Eine solche kann zum Beispiel sein, dass der Hund nur ein eindeutig artgerechtes Abwehrverhalten gezeigt und deshalb zugebissen hat.
Auf eine solche Ausnahme wollte sich auch hier die Hundehalterin stützen: So vertrat sie vor Gericht die Ansicht, der plötzlich von hinten kommende Jogger habe sie erschreckt, weshalb sie zusammengezuckt sei; dies habe ihre Hündin bemerkt und daraufhin die fremde Person „abgeschnappt“. Ein solches Verhalten sei als artgerechtes und hundetypisches Abwehrverhalten einzustufen, deshalb sei ihre Hündin eben nicht als gefährlich nach dem NHundG einzustufen.
Dieser Argumentation folgte das Gericht nicht. Vielmehr führte es deutlich aus, dass eine vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht anerkannte Ausnahme dann nicht vorliegt, wenn ein Hund auf das Verhalten einer Person reagiert, das als solches nicht mit aggressiver Zielrichtung gegen den Halter des Hundes oder gegen den Hund selbst gerichtet ist, und wenn der Hundehalter mit solchen Situationen im gesellschaftlichen Miteinander grundsätzlich zu rechnen hat.
Dabei spielt es keine Rolle, wenn das von der anderen Person gezeigte Verhalten nicht in allen Belangen vollständig regelkonform ist, hier also beispielsweise das Durchlaufen des von hinten kommenden Joggers in der Mitte der beiden Hundehalterinnen. Ein Hund kann ein solches sozialtypisches Verhalten eines Menschen zwar nach seinen eigenen, tierpsychologischen Kriterien fehlinterpretieren und davon ausgehen, dieser Mensch zeige ihm oder seinem Herrchen/ Frauchen gegenüber gerade eine Aggression. Dies darf dann aber nicht dazu führen, dass der Hund in einer solchen Situation zubeißt.
Vielmehr hat der jeweilige Hundehalter durch geeignete Maßnahmen wie konsequentes Training mit dem Hund, das Anleinen des Tieres und (wenn nötig) auch den Einsatz eines Maulkorbes dafür Sorge zu tragen, dass der Hund keine anderen Menschen verletzen kann.

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Susan Beaucamp

Rechtsanwältin

Gefährlichkeit eines Hundes in Niedersachsen nach dem NHundG

Gefährlichkeit eines Hundes in Niedersachsen nach dem NHundG

Niedersächsisches OVG  Beschluss 11 ME 423/11.
Die Gefährlichkeit eines Hundes in Niedersachsen nach dem NHundG kann von der Behörde bereits dann festgestellt werden, wenn der Hund erstmals und einmalig einen Artgenossen beißt.
Dies entschied das Niedersächsische OVG in seinem Beschluss 11 ME 423/11.
Geklagt hatte die Halterin einer Boxermischlingshündin. Ihr Tier befand sich besuchsweise auf einem fremden, nicht umschlossenen Grundstück. Als die Hündin, hiervon ab, auf die anliegende öffentliche Straße lief, begegnete ihr ein Jack-Russel-Terrier. Zwischen den Tieren ereignete sich eine Auseinandersetzung, wobei der Boxermischling den Terrier in das Ohr biss und hierdurch eine blutende Wunde verursachte. Die zuständige Behörde stellte daraufhin die Gefährlichkeit der Mischlingshündin gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 NHundG fest. Hiernach heißt es, dass die Fachbehörde einen Hinweis, ein Hund weise eine gesteigerte Aggressivität auf, insbesondere weil er einen anderen Hund gebissen habe, prüfen müssen und bei Bestätigung dieser Prüfung die Gefährlichkeit des Tieres festzustellen hat. Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass der Biss ihres Hundes keine gesteigerte Aggressivität anzeige, sondern zum tierisch bedingten Normalverhalten eines Hundes zähle. Die Gefährlichkeitsfeststellung sei nicht angemessen.
Das vorangegangene Verwaltungsgericht gab der Klägerin zunächst Recht. Es entschied, dass ein Beißvorfall zwischen Hunden per se die Gefährlichkeit des Tieres nach § 7 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 NHundG nicht vermuten lässt. Vielmehr müssten weitere Hinweise vorliegen, nach denen von einer gesteigerten, also nicht art- und situationsgerechten, Aggressivität auszugehen ist.
Diese Einschätzung teilte das OVG als Beschwerdeinstanz jedoch nicht. Es entschied, dass jeder Hundebiss, sofern er nicht nur ganz geringfügige Verletzungen verursacht, bereits ausreiche, um die Gefährlichkeit eines Hundes annehmen zu können. Da OVG begründete diese Entscheidung damit, dass § 7 Abs. 1 NHundG der Gefahrenvorsorge diene. Um effektiv die öffentliche Sicherheit zu wahren und die Bevölkerung hierbei vor bissigen Hunden zu schützen, sei es erforderlich, bereits frühzeitig nötige Maßnahmen zu treffen. Dieser Schutz sei nicht möglich, wenn entsprechende Maßnahmen erst beim Vorliegen konkreter Gefahren getroffen werden können. Vorbeugender Schutz sei nur durch vorsorgliches Einschreiten, bereits beim Vorliegen abstrakter Gefahren garantiert. Hiernach sei folglich ein Beißvorfall bereits für die Gefährlichkeitsfeststellung ausreichend, ohne dass es weiterer Voraussetzungen bedürfe.
Insofern durch diese Feststellung im Einzelfall bedenkliche und unangemessene Folgen für Tier und Halter zu befürchten sind, zum Beispiel weil sich der betroffene Hund nach umfassender Betrachtung als gesellschaftsverträglich erweist, so ändert dies nichts an der ersten Einschätzung der Behörde. Vielmehr seien in solchen Fällen die Rechtsfolgen entsprechend anzupassen. Eine solche Anpassung sieht § 14 Abs. 3 S. 2 NHundG vor, wonach ein als gefährlich eingestuftes Tier nach bestandener Wesenprüfung vom Leinenzwang befreit werden kann.