Mangelhafter Welpe

Wasserkopf als Sachmangel – Beweislastumkehr bei Verbrauchsgüterkauf

„Ein bereits seit der Geburt des Tieres bestehender Hydrozephalus internus congenitalis („Wasserkopf“) ist ein Sachmangel im Sinne von § 434 BGB.“

Amtsgericht Brandenburg, Urteil vom 11. Mai 2018, Az. 31 C 14/16

Der Sachverhalt

Die Beklagte betreibt eine Golden Retriever Hobbyzucht. Die Klägerin erwarb von der Beklagten im September 2015 einen Welpen (Hündin) zu einem Kaufpreis von 900,- Euro. Der Welpe war zunächst an eine andere Familie vermittelt worden, diese gaben den Welpen jedoch an die Beklagte zurück. In dem schriftlichen Kaufvertrag wurde zwischen den Parteien unter anderem vereinbart: „Sollte der Käufer von dem Kauf Abstand nehmen aus Gründen, die nicht der Verkäufer zu vertreten hat, ist der Verkäufer berechtigt, die Anzahlung als pauschalen Betrag einzubehalten. Der Käufer hat den Zustand des Muttertieres und des Welpen begutachtet und das Geburtsprotokoll bzw. den Welpengewichtsplan und Gesundheitszeugnis eingesehen. Sollte der Welpen dennoch innerhalb von 10 Tagen nach Erwerb Krankheitsmängel aufweisen, die auf die Erhaltung der Zucht zurückzuführen sind, so erhält der Käufer die Kaufsumme bei Rückgabe des Welpen an die Verkäuferin zurück.“ Noch in derselben Woche stellte die Klägerin die Hündin einem Tierarzt vor, da der Welpe nicht in der Lage war optischen und akustischen Reizen zu folgen. Diese Untersuchung habe einen starken Verdacht auf neurologische Defizite der Hündin erbracht. Durch eine weitere tierärztliche Untersuchung wurde dieser Verdacht bestätigt. Als die Klägerin die Beklagte über den Gesundheitszustand informierte und vom Kaufvertrag zurücktreten wollte, teilte diese der Klägerin schriftlich mit, dass die Hündin gemäß eines ihr vorliegenden tierärztlichen Attestes vom August „als frei von Symptomen zentralnervöse Erkrankung, auch solcher mit vermuteten Erbgang, befunden“ worden sei. Auch würde es ein Gesundheitszeugnis für alle Welpen individuell geben, welches im Alter von 5 Wochen erstellt worden sei. Außerdem habe die Klägerin selbst die Hündin bei ebay Kleinanzeigen für für 1.200,-€ angeboten.

Die Klägerin begehrt nun von der Beklagten die Rücknahme des Tieres gegen Erstattung des Kaufpreises sowie die Erstattung der ihr entstandenen Kosten für Tierarzt, Futter, Zubehör etc.

 

Die Entscheidung

Das Gericht gab der Klägerin teilweise Recht. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages. Mangels Verschulden der Beklagten stünde der Klägerin jedoch kein Anspruch auf Schadensersatz hinsichtlich der geltend gemachten Kosten zu.

Gemäß § 434 Abs. 1 BGB – der nach § 90a BGB auf Tiere entsprechend anzuwenden sei – sei ein Tier nur dann mangelfrei, wenn es bei Gefahrübergang auch die vereinbarte bzw. übliche Beschaffenheit habe. Zur „üblichen“ Beschaffenheit eines Tieres gehöre es jedoch nicht, dass dieses Tier in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen „Idealnorm“ entspreche. Diese Wertung trage dem Umstand Rechnung, dass es sich bei Tieren um Lebewesen handele, die einer ständigen Entwicklung unterlägen und die – anders als tote Sachen – mit individuellen Anlagen ausgestattet und dementsprechend mit sich daraus ergebenden unterschiedlichen Risiken behaftet seien. Der Käufer eines Hundes könne deshalb nicht erwarten, dass er ein Tier mit „idealen“ Anlagen erhalte, sondern müsse im Regelfall damit rechnen, dass das von ihm erworbene Tier in der einen oder anderen Hinsicht physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufweise, wie sie für Lebewesen nicht ungewöhnlich seien. Auch die damit verbundenen Risiken für die spätere Entwicklung des Tieres seien für Lebewesen typisch und stellten für sich genommen noch keinen vertragswidrigen Zustand dar, denn der Verkäufer eines Tieres hafte nicht für den Fortbestand des bei Gefahrübergang gegebenen Gesundheitszustands.

Im hiesigen Fall handele sich um einen Verbrauchsgüterkauf, denn die Beklagte sei als Züchterin, die bereits mehrere Würfe verkauft habe, als Unternehmerin einzustufen. Eine Gewinnerzielungsabsicht sei hierbei nicht erforderlich. Es komme nur auf ein selbständiges und planmäßiges, auf gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt an. Von maßgebender Bedeutung für die Unternehmereigenschaft sei darüber hinaus auch, ob der veräußerte Hund zuvor privat von der Beklagten genutzt wurde und aus welchem Anlass er verkauft werden sollte. Die Veräußerung eines vom Verkäufer privat genutzten Hundes sei regelmäßig nicht als Unternehmergeschäft zu qualifizieren. Die Beklagte habe den streitgegenständlichen Hundewelpen zu keinem Zeitpunkt „zu eigenen Zwecken“ durch die Hündin werfen lassen, sondern vielmehr um die Hundewelpen an dritte Personen zu verkaufen. Für gewerbliches Handeln spreche zudem weiter hier auch der Inhalt des Kaufvertragsformulars. Dieses beinhalte ersichtlich allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), da die von der Beklagten insofern verwendeten Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert seien. Auch dieses Vorgehen zeige die bei einem Gewerbetreibenden vorliegende Wiederholungsabsicht bei der Ausübung seiner Tätigkeit. Bei einem derartigen Verbrauchsgüterkauf werde aber, falls ein Sachmangel innerhalb von 6 Monaten nach Gefahrübergang auftrete, grundsätzlich vermutet, dass das Tier bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war.  Anderes würde nur dann gelten, wenn die Vermutung des § 476 a.F. BGB (§ 477 n.F. BGB) mit dem Mangel seiner Art nach unvereinbar wäre. Dies sei aber vorliegend gerade nicht anzunehmen, weil es durchaus möglich sei, dass bei einem Hund ein sog. „Wasserkopf“ erst mehrere Monate nach Besitz- und Gefahrübergang von einem Tierarzt diagnostiziert werden könnten, obwohl deren Ursache ggf. schon zum Zeitpunkt des Besitz- und Gefahrübergang vorgelegen hatten. Der Käufer müsse auch nicht nachweisen, dass ein nach Gefahrübergang eingetretener akuter Mangels eine Ursache in einem latenten Mangel hat. Daraus folge hier, dass die Beklagte als Verkäuferin im vorliegenden Fall hätte darlegen und beweisen müssen sog. Beweislastumkehr, dass die bei dem streitgegenständlichen Hund innerhalb von 6 Monaten aufgetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen ihre Ursache nicht in dem Zustand hatten, der schon bei dem Gefahrübergang vorgelegen hat. Diesen Beweis habe die Beklagte vorliegend aber nicht führen können. Im Gegenteil, der Sachverständige habe bestätigt, dass die Veränderungen der Ventrikel und des Arachnoidealraumes bereits seit der Geburt dieser Hündin bestehen würden. Da die Hündin daher zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs mit einem Sachmangel behaftet gewesen sei, habe die Klägerin ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages.

Da diese Krankheit bei der streitbefangenen Hündin jedoch noch nicht einmal für eine Tierärztin zu erkennen gewesen sei, habe die Beklagte bei Gefahrübergang auch keine Kenntnis von diesem Umstand haben können. Sie habe entsprechende Erkenntnisse auch nicht aus ihrem Zuchtbetrieb herleiten müssen, da keine der früheren Würfe diese Krankheit aufwiesen. Ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz sei daher nicht gegeben.

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

Behandlungsfehler von Tierärzten

Erstmalig – Beweislastumkehr auch bei groben Behandlungsfehlern von Tierärzten möglich

LG Osnabrück, Urteil vom 12.09.2014, 3 O 1494/11

OLG Oldenburg, Urteil vom 26.03.2015, 14 U 100/14

BGH, Urteil vom 10.05.2016, VI ZR 247/15

Der Sachverhalt:

Der elfjährigen Hengst der Klägerin erlitt im Juli 2010 eine Verletzung am rechten Hinterbein. Der konsultierte Tierarzt aus Niedersachsen verschloss die Wunde, nahm jedoch keine weiteren Untersuchungen vor. Weiterhin bekam die Klägerins die Anweisung, das Pferd zwei Tage zu schonen, wenn das Bein in dieser Zeit nicht anschwelle, so dürfe es wieder geritten werden.

Nach zwei Tagen versuchte die Klägerin Leiknir wieder zu reiten und stellte eine leichte Unsicherheit des Tieres fest. Daraufhin beschloss sie den Hengst weiter zu schonen. Allerdings erlitt dieser beim Aufstehen drei Tage später eine Fraktur des rechten Hinterbeines und musste operiert werden.

Die durchgeführte Operation misslang , Leiknir musste noch am selben Tag eingeschläfert werden.

Die Halterin des Islandhengstes (Klägerin) verklagte daraufhin den behandelnden Tierarzt auf Schadensersatz in Höhe von mehr als 100.000 €.

Die Entscheidung der Gerichte:

Das Oberlandesgericht Oldenburg verurteilte den Tierarzt zur Zahlung von Schadensersatz aufgrund der fehlerhaften Behandlung des Pferdes.

Dies wurde damit begründet, dass der Tierarzt einen groben Behandlungsfehler in Form eines Befunderhebungsfehlers begangen habe.  So hätte er erkennen müssen, dass Leiknir beim erstmaligen Besuch eine Fissur erlitten habe. Er hätte, statt die Wunde nur zu verschließen, weitere Untersuchungen vornehmen müssen.

Vorliegend gestaltete sich die Beweiserhebung allerdings problematisch, da der hinzugezogene Sachverständige nicht abschließend klären konnte, ob der unterlaufene Behandlungsfehler auch ursächlich (kausal) für den später erlittenen Beinbruch von Leiknir war. Jedoch sei gerade diese Frage der Ursächlichkeit streitentscheidend. 

Bei Anwendung der üblichen Beweisregeln hätte von der Klägerin die Ursächlichkeit bewiesen werden müssen, da grundsätzlich den Kläger die volle Beweislast trifft. In der Humanmedizin tritt allerdings in den Fällen des groben Behandlungsfehlers, eine sog. Beweislastumkehr ein.

Grob sind solche Behandlungsfehler, die sich als Verstoß gegen elementare Behandlungsregeln, also gegen elementare Erkenntnisse der Medizin darstellen. Solche seien aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich, weil sie einem Arzt nicht unterlaufen dürften. Wann ein Fehler als grob einzuordnen ist, wird vom Gericht anhand einer juristischen Wertung beurteilt, welche sich auf tatsächliche Anhaltspunkte beziehen muss, in der Regel auf ein Sachverständigengutachten.

Tritt die Beweislastumkehr letztendlich ein, so muss jetzt der Tierarzt beweisen, dass sein Fehler nicht ursächlich für die nachziehenden Gesundheitsschäden war.

Sowohl das Landgericht Osnabrück, sowie auch das Oberlandesgericht Oldenburg zogen, in der Rechtssprechung vermutlich das erste Mal, eine Parallele zur ärztlichen Behandlung von Menschen. In der Veterinärmedizin wurde eine solche Beweislastumkehr bisher nicht angewandt. Der BGH bestätigte nun eindeutig und unmißverständlich das Urteil des Oberlandesgerichtes und begründeten ihre Entscheidung damit, dass sich beide Tätigkeite auf einen lebenden Organismus bezögen, daher seien die Auswirkungen von Behandlungsfehlern ähnlich.

Der vorliegend grob fehlerhaft handelnde Tierarzt habe einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Regeln der tierärztlichen Kunst begangen und Aufklärungserschwernisse verursacht, die die Beweisnot der Pferdehalterin vertieft hätte, so der BGH weiterhin.

Die Höhe des zu zahlenden Schadensersatzes müsse nun vom Oberlandesgericht entschieden werden.

Pferdekauf Mangel

Pferdekauf Mangel

Pferdekauf – Rückabwicklung des Vertrages bei unerkannter Krankheit innerhalb von sechs Monaten möglich

Landgericht Coburg, Urteil vom 07.08.2012, 23 O 368/11

Der Sachverhalt:

Vorliegend erwarb die Klägerin vom Beklagten im Oktober 2010 ein Pferd zum Kaufpreis von 4.900 €. Im Mai 2011 ließ der Käufer durch seinen Anwalt dem Verkäufer mitteilen, dass das Pferd beim Reiten häufig stolpere. Vom Verkäufer hingegen wurden alle Ansprüche zurück gewiesen.

Nach Aussage des Klägers sei das Pferd bereits im Oktober 2010 beim Ausreiten mehrfach gestolpert, jedoch habe er geglaubt dies sei auf seine mangelnde Erfahrung als Reiter zurück zu führen. Im November und Dezember 2010 allerdings trat eine starke Lahmheit auf, die bis März 2011 andauerte. Mithin habe er das Pferd erst im April 2011 wieder reiten können, wobei es auch dabei stark gestolpert sei.

Ebenso habe man dieses Stolpern auch bei erfahrenen Reitern feststellen können.

Der Kläger begehrte Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 4.900 € und überdies Schadensersatz in Höhe von 2.500 € für Kosten des Ankaufs, Behandlungskosten und Einstellkosten. Das Pferd würde er im Zuge dessen zurück geben.

Vom Beklagten dahingegen wurde eingewandt, dass er nur gelegentlich Pferde züchte und veräußere. Er könne aufgrund dessen nicht wie ein Unternehmer behandelt werden, sodass die Beweislastumkehr des Vebrauchsgüterkauf vorliegend nicht zum tragen käme . Ferner habe bei Übergabe des Pferdes kein Mangel  vorgelegen und das Stolpern sei auf die mangelnden Reitfähigkeiten des Klägers zurück zu führen.

Die Entscheidung des Landgerichts:

Mithilfe eines sachverständigen Tierarztes wurde festgestellt, dass das Pferd an einer Erkrankung der beiden vorderen Hufrollen leidet. https://de.wikipedia.org/wiki/Podotrochlose Nach Vernehmung von Zeugen und den Angaben des Sachverständigen war das Gericht der Überzeugung, dass die Erkrankung bereits bei Verkauf/Übergabe des Pferdes vorgelegen habe.

Deutliche Symptome seien allerdings erst nach Übergabe zutage getreten.

Hinsichtlich des Beklagten bejahte das Gericht die Stellung als Unternehmer. Vom Verkäufer wurde selbst angegeben, dass er zwei Zuchtstuten halte und er immerzu die von ihm gezüchteten Pferde verkaufe.

Daher sei § 476 BGB, die Beweislastumkehr im Verbrauchsgüterkauf, https://de.wikipedia.org/wiki/Verbrauchsg%C3%BCterkauf anwendbar. Mit dieser Vorschrift wird die Vermutung aufgestellt, dass ein Mangel, der sich innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe der Kaufsache zeigt, bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorhanden war.

Widerlegen konnte der Beklagte diese Vermutung nicht. Insbesondere die Ausführungen des Sachverständigen sprachen dafür, dass das Pferd bereits zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger erkrankt war. Der Kläger hat demnach einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages

Weitere Zahlungen in Form von Schadensersatz  wurden dem Kläger jedoch nicht zugesprochen.

Dafür sei es notwendig gewesen, dass der Verkäufer den Mangel in Form der Erkrankung hätte erkennen müssen. (Vertretenmüssen)Die Krankheit sei jedoch auf eine genetische Veranlangung zurück zu führen, dies führte nach Aussage des Sachverständigen auch dazu, dass die Probleme mit dem Stolpern immer mehr zunahmen. Ein vereinzeltes Stolpern, wie dem Beklagten es nur mitgeteilt wurde, hätte nicht dazu geführt, dass der Verkäufer mit einer Erkrankung hätte rechnen müssen. Der Beklagte habe so den Mangel nicht zu vertreten und mithin sei er nicht zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet.