Änderungen am Thüringer Tiergefahrengesetz geplan

Änderungen am Thüringer Tiergefahrengesetz geplant – Wesenstest für gefährliche Hunde

Das Land Thüringen plant eine Änderung des Tiergefahrengesetzes. Durch diese Änderungen soll eine Balance zwischen der Wahrung der öffentlichen Sicherheit und den Interessen der Hundehalter gefunden werden.

Der Gesetzesentwurf wurde am 14. März 2017 dem thüringischen Landtag zugeleitet und sieht unter anderem vor, dass sogenannte Listenhunde durch einen Wesenstest ihre vermutete Gefährlichkeit im Einzelfall widerlegen können.

Die Liste gefährlicher Rassen bleibt jedoch grundsätzlich bestehen, da sich bei den dort genannten Rassen in der Vergangenheit eine erhöhte Gefährlichkeit gezeigt hätte und dadurch potentielle Opfer von Beißattacken, wie Kinder und Senioren, geschützt werden sollen. (die Statistik würde ich gerne sehen!)

Der Wesenstest wird auch für Hunde anderer Rassen möglich sein, die aufgrund ihres konkreten Verhaltens zuvor als gefährlich eingestuft wurden. Dabei soll aber nicht jeder Hundebiss schon zu einem Wesenstest führen, sondern nur dann, wenn sich ein übersteigertes Aggressionspotential des Hundes gezeigt hat und nicht nur geringfügige Verletzungen hervorgerufen wurden. (das ist sicherlich sinnvoll)

Nach erfolgreich absolviertem Wesenstest, hat die zuständige Behörde dann eine Bescheinigung über die Ungefährlichkeit des Hundes auszustellen. Bei Vorliegen von konkreten Informationen über die Gefährlichkeit eines Hundes, werden die Behörden in Zukunft dazu verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen zu überprüfen.

Außerdem soll es Hundehaltern, unabhängig von der Rasse des Hundes, verboten werden, durch bestimmte Verhaltensweisen das Angriffs- und Kampfpotential ihrer Hunde zu steigern oder sie dazu aufzumuntern.

Zuletzt sieht der Gesetzesentwurf auch Lockerungen der Pflicht zur Unfruchtbarmachung vor. Ausnahmen können nach dem Ermessen der Behörden zum Beispiel gemacht werden, wenn der Hund schon alt oder krank ist und eine Operation möglicherweise nicht überstehen würde.

Copyright

Susan Beaucamp

Rechtsanwältin

Nebenbestimmungen zur Erlaubnis nach § 11 I S. 1 Nr. 8 f TierSchG

Nebenbestimmungen zur Erlaubnis nach § 11 I S. 1 Nr. 8 f TierSchG – ein Lichtblick zu einem leidigen Thema

Es ist geradezu eine Unart zahlreicher Erlaubnisbehörden, Erlaubnisse nach § 11 I S. 1 Nr. 8 f TierSchG mit einer Vielzahl von Nebenbestimmungen zu versehen. Eine beliebte Variante ist die Auflage, dass an der Gruppenausbildung nur Hunde teilnehmen dürfen, die über einen bestimmten Impfschutz verfügen. Solche Auflagen sind besonders ärgerlich, weil sie in letzter Konsequenz dazu führen können, dass ein Hundetrainer Kunden abweisen muss, deren Hunde – oft aus gutem Grund – nicht über den in der Auflage genannten Impfschutz verfügen.

Das Schleswig Holsteinische VG hat eine solche Auflage in einer aktuellen Entscheidung, die wir erstritten haben, für rechtswidrig erklärt. Zwar nahm das Gericht an, dass solche Auflagen durch die Ermächtigung des § 11 II a TierSchG gedeckt sind, weil sie dem Schutz der Tiere dienen. Allerdings sah das Gericht die Auflage im Urteilsfall als unverhältnismäßig an, was eben auch zur Rechtswidrigkeit der Auflage führt.

Das Gericht begründet diese Einschätzung insbesondere mit folgenden Erwägungen:

Ein Hundetrainer ist nicht in der Lage, den Impfstatus jedes Hundes zuverlässig festzustellen. Dies gilt umso mehr als der medizinisch sinnvolle Impfschutz maßgeblich durch die individuelle Situation eines Hundes bestimmt wird.

Die Kontrolle des Impfstatus setzt zunächst eine Identitätsfeststellung des Hundes mit einem speziellen Lesegerät voraus, über das Hundetrainer typischerweise nicht verfügen.

Es ist einem Hundetrainer unzumutbar, den Impfstatus der von ihm ausgebildeten Hunde über den gesamten Zeitraum der Ausbildung – oft viele Jahre – zu überwachen und zu dokumentieren.

Schon nicht durch die Ermächtigung des § 11 II a TierSchG gedeckt sind Auflagen, die nur die Teilnahme von Hunden am Gruppentraining zulassen, die entwurmt und frei von Ektoparasiten sind (solche Auflagen existieren tatsächlich!). Zudem sind solche Auflagen unverhältnismäßig, weil 100 %-ige Freiheit von Parasiten objektiv nicht erreichbar ist.

Das VG Ansbach hat zwar anders als das Schleswig Holsteinische VG eine „Impf-Auflage“ für rechtmäßig erklärt. Allerdings waren dem Gericht offensichtlich die tatsächlichen Schwierigkeiten und Konsequenzen einer solchen Auflage nicht bewusst, die das Schleswig Holsteinische VG zutreffend dazu veranlasst haben, solche Auflagen als unverhältnismäßig zu qualifizieren.

Auch wenn es jeweils auf die konkrete Ausgestaltung einer „Impf-Auflage“ ankommt, dürften solche Auflagen in den allermeisten Fällen rechtlich problematisch, wenn nicht rechtswidrig sein.

Copyright Dr. Eugène Beaucamp

(Rechtsanwalt)

§ 11 I S. 1 Nr. 8 f TierSchG Hundetrainer

§ 11 I S. 1 Nr. 8 f TierSchG – das ganz spezielle Geschäftsmodell einer/eines besonders geschäftstüchtigen externen Sachverständigen

Viele Erlaubnisbehörden ziehen zu den „Fachgesprächen“ externe Sachverständige hinzu, die letztlich darüber bestimmen, wer besteht und wer nicht. Die Amtstierärzte sind meist nur stille Beobachter.

Ein(e) externe(r) Sachverständiger, der/die vorzugsweise von Erlaubnisbehörden in Hessen und Rheinland-Pfalz hinzugezogen wird, scheint ein sehr spezielles Geschäftsmodell entwickelt zu haben, das seine/ihre Tätigkeit als externe(r) Sachverständige(r) in Erlaubnisverfahren nach § 11 I S. 1 Nr. 8 f TierSchG in geradezu idealer Weise mit seinen/ihren privaten Aktivitäten als Anbieter von Seminaren und Fortbildungen für Hundetrainer verbindet: Antragsteller, die – häufig mit einem negativen Ergebnis – an Fachgesprächen teilgenommen haben, an denen diese(r) externe Sachverständige beteiligt war, erhalten e-mails, mit denen der/die Sachverständige für Seminare wirbt, die sich an Hundetrainer richten – ein Synergieeffekt der ganz besonderen Art.

Diese wirklich dreiste Praxis ist unter verschiedenen Gesichtspunkten auch rechtlich unhaltbar.

Dies gilt zunächst für die Verwendung personenbezogener Daten von Antragstellern für private wirtschaftliche Interessen des/der externen Sachverständigen.

Des Weiteren stellt diese Praxis die Unbefangenheit und Unparteilichkeit des/der externen Sachverständigen in Frage. Wer Seminare an Hundetrainer verkauft, die er zuvor beim Fachgespräch hat „durchfallen“ lassen, verfolgt offensichtlich eigene wirtschaftliche Interessen, die eine unbefangene und unparteiliche Bewertung eines Fachgesprächs unmöglich erscheinen lassen.

Der/die externe Sachverständige ist damit nicht mehr tragbar; seine/ihre Hinzuziehung zu Fachgesprächen ist rechtswidrig.

Wir möchten dafür sorgen, dass diese(r) externe Sachverständige zukünftig nicht mehr zu Fachgesprächen hinzugezogen wird. Hierfür benötigen wir möglichst viele Beispielsfälle. Wir bitten deshalb alle Betroffenen, uns ihre Fälle zu schildern. Wir werden dann geeignete Schritte einleiten.

Schmerzensgeld nach Hundebiss

Schmerzensgeld nach Hundebiss – Das gesetzliche Fundament

Der Hund gilt als bester Freund des Menschen. Dennoch ist er in seinen Ursprüngen ein Raubtier. Auf dieser Grundlage und in Folge falscher Haltung kommt es jährlich zu 30.000 bis 50.000 Bissunfällen. In diesem Zusammenhang steht meist eine Schmerzensgeldzahlung. Nach welchem gesetzlichen Fundament und von wem diese gezahlt werden muss, klärt der folgende Text.

Der § 253 BGB hält den Schadensersatzanspruch nach einem Hundebiss fest. Dort wird dieser als immaterieller Schadensersatz beschrieben, der definiert wird als:

  • Verletzung des Körpers,
  • Beeinträchtigung der Gesundheit,
  • Schädigung der Freiheit oder
  • Behinderung der sexuellen Selbstbestimmung.

Tritt eine dieser Folgen ein, muss der Schädiger eine sogenannte Ausgleichsfunktion übernehmen. Das bedeutet, dass der Schädiger einen finanziellen Ausgleich durch die Zahlung einer billigen Entschädigung übernehmen muss. Da bei einem Hundebiss meist eine körperliche Schädigung eintritt, lässt sich die Summe des Schmerzensgeldes nur schwer messen. Daher liegt die Entscheidung über die Höhe des zu zahlenden Schmerzensgeldes bei dem Gericht. Dieses muss diverse Faktoren berücksichtigen. Entscheidend sind stets die Einzelheiten des jeweiligen Falles. Dazu gehören z.B. eventuelle psychische Störungen, die in Folge des Hundebisses aufgetreten sind sowie die Dauer der Verletzung und der Schweregrad der Schmerzen.

Im Falle eines Hundebisses fällt das Schmerzensgeld häufig sehr hoch aus, da die Bildung von Narben einem charakteristischen Dauerschaden darstellt. Hinzu kommen Ängste, die das Opfer nach einem Hundebiss häufig entwickelt und deshalb in permanenter Sorge lebt. Da sich solche psychischen Beeinträchtigungen erheblich auf die Lebensführung auswirken und den Betroffenen in seinem Alltag enorm einschränken, fällt das Schmerzensgeld in der Regel relativ hoch aus.

Die Schadensersatzsumme wird vom Halter des Hundes gezahlt. Laut einer Entscheidung des OLG Celle aus dem Jahr 2012 entfaltet die Gefährderhaftung für den Halter auch dann seine Wirksamkeit, wenn sich der Hund während des Angriffes in der Obhut einer anderen Person befindet. Demnach kann z.B. ein Tierarzt nicht verpflichtet werden, das Schmerzensgeld nach einem Hundeangriff zu zahlen, da dieser im Sinne des Behandlungsvertrages im Auftrag des Halters handelt.

Im § 834 BGB ist hingegen die Tierhüterhaftung geregelt. Diese bezieht sich auf Personen, die vertraglich dazu verpflichtet sind, die Aufsicht über einen Vierbeiner für einen anderen zu übernehmen. Im Falle eines Angriffes durch den Hund, muss diese Person Schäden gegenüber einem Dritten zahlen. Der sogenannte Tierhüter haftet jedoch nicht allumfassend. Folgende Ausnahmen gelten:

  • Ist dem Hüter keine Sorgfaltspflichtverletzung zur Last zu legen, so kann er für die vom Hund verursachten Verletzungen nicht zur Verantwortung gezogen werden.
  • Wäre die Beeinträchtigung auch dann entstanden, wenn die vertraglich bestimmte Aufsichtsperson sorgfältig gehandelt hätte, so entfällt die Haftung.

Weitere Informationen zum Thema „Schmerzensgeld nach Hundebiss“ finden Sie hier. Zudem bietet das kostenlose Ratgeberportal www.schmerzensgeldtabelle.net viele weitere Ratgeber und Informationen zu allgemeinen Anspruchsgrundlagen vom Schmerzensgeld sowie zu den verschiedenen Verletzungsarten und dem Schmerzensgeld im Ausland.

Über den Berufsverband der Rechtsjournalisten e.V.

Der BvdR. E.V. ist der Zusammenschluss von Rechtsjournalisten und Rechtsanwälten aus ganz Deutschland, die Rechtsbeiträge zu verschiedensten Themen auf den Portalen arbeitsvertrag.org, scheidung.org, abmahnung.org und rechtsanwaltfachangestellte.org veröffentlichen.

Der Verband wurde im August 2015 von dem Rechtsanwalt Mathis Ruff in Berlin ins Leben gerufen. Übergeordnetes Ziel ist es, umfassende Informationsportale zu schaffen, auf denen sich interessierte Bürgerinnen und Bürger über sämtliche relevanten Rechtsbereiche in Deutschland informieren können. Zudem wird ein deutschlandweites Anwaltsverzeichnis aufgebaut und gepflegt. Der Verband sieht sich an dieser Stelle ausschließlich als Informationsplattform und bietet daher keine Rechtsberatung an.

Einstufung als „gefährlicher“ Hund wegen Schädigung eines anderen Hundes

Einstufung als gefährlicher Hund; Schädigung eines „anderen Tieres“

Ein „anderes Tier“ im Sinne von § 2 Abs 2 Nr 2, 1. Alt. Hess HundeVO (HuV HE) kann auch ein (anderer) Hund sein.“

Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 10. Mai 2005, Az. 11 UE 3488/04

Vorinstanz: Verwaltungsgericht Gießen, Urteil vom 16. Juli 2004, Az. 10 E 5578/03

Der Sachverhalt

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Verfügung der Beklagten (Ordnungsamt) vom 28. Juli 2003, mit der der Hund der Klägerin als gefährlicher Hund im Sinne der HundeVO eingestuft wurde.

Der Rottweilerrüde der Klägerin biss den Border Collie des Zeugen „S“, wodurch dieser leichte Blessuren erlitt.

Der Hund der Klägerin wurde daraufhin von der beklagten Behörde als gefährlich gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. HundeVO eingestuft.

Hiergegen wehrt sich die Kägerin.

Das VG Gießen gab der Klage zunächst mit folgender Begründung statt:

Der von der Behörde hinsichtlich der Feststellung des Rottweilerrüden der Klägerin herangezogene Tatbestand des § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeVO sei nicht erfüllt. Der Border-Collie des Zeugen „S“ habe nur oberflächliche Wunden in Form zweier kleiner Löcher an der linken Halsseite davongetragen. Es stehe danach zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Hund des Zeugen „S“ als Folge einer artgerechten Auseinandersetzung zwischen den Hunden nur leichte Blessuren erlitten habe. Nach den Einlassungen des Zeugen Dr. R. könne nicht auf ein inadäquates Aggressionsverhalten des Rottweilers geschlossen werden. Hätte ein solches vorgelegen, wären – so das Verwaltungsgericht – entsprechend stärkere Hautperforationen entstanden. Auch wenn der eigentliche Verlauf der Auseinandersetzung nicht habe aufgeklärt werden können, müsse aufgrund des vorliegenden Schadensbildes von einer Auseinandersetzung im üblichen Ritualbereich ausgegangen werden. Etwas anderes folge auch nicht aus den von der Beklagten zur Begründung ihrer Verfügung angeführten weiteren Vorfällen. Soweit hier ursprünglich von Bissverletzungen die Rede gewesen sei, habe sich auch hier herausgestellt, dass es sich lediglich um Kratzer gehandelt habe. Eine Grundaggressivität könne auch nicht aus dem mit ihm durchführten Wesenstest abgeleitet werden. Die Aussage des Gutachters zu einem von ihm beobachteten aggressiven Verhalten des Hundes ließen nicht zureichend erkennen, ob sich diese Aggression im Bereich des artgerechten Verhalten bewege oder Ausdruck eines inadäquaten Aggressionsverhaltens sei. Die Feststellung des Gutachters, der Hund berge bei Belastungen in Verbindung mit mangelnder Sicherheit eine gesteigerte Gefährlichkeit, sei mit anderen Erkenntnissen des Gutachters unvereinbar. Wegen dieser Widersprüche sei das Gutachten letztlich nicht verwertbar.

Gegen dieses Urteil legte die beklagte Behörde Berufung ein.

Das Urteil

Die Berufung der Beklagten (Behörde) hatte Erfolg.

Zu Recht sei in dem angefochtenen Bescheid der Hund der Klägerin als gefährlicher Hund im Sinne der Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden (HundeVO) eingestuft worden. Gefährlich sei ein Hund, bei dem die Gefährlichkeit – wie bei dem Rottweiler der Klägerin – nicht bereits auf Grund seiner Zugehörigkeit zu einer der in § 2 Abs. 1 Satz 2 HundeVO aufgeführten Hunderassen oder -gruppen oder wegen ihrer Abstammung von einem Hund einer solchen Rasse oder Gruppe vermutet wird, nach § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative HundeVO dann, wenn er ein anderes Tier durch Biss geschädigt habe, ohne selbst angegriffen worden zu sein. Die Voraussetzungen dieser Regelung lägen bezüglich des Hundes der Klägerin vor.

Die Bedenken der Klägerin an der Anwendbarkeit der vorgenannten Bestimmung auf Fälle der vorliegenden Art, in denen es Schädigungen geht, die einem Hund durch den Biss eines anderen Hundes zugefügt wurden, teile das Gericht nicht.

Der Begriff „anderes Tier“ in § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. HundeVO meine auch (andere) Hunde. Aus der Regelung in § 2 Abs. 2 Nr. 3 HundeVO folge entgegen der Ansicht der Klägerin nichts Gegenteiliges.

§ 2 Abs. 2 Nr. 3 HundeVO kennzeichne eine spezifische Art der Gefährlichkeit von Hunden durch nicht beherrschbaren Ausbruch ihres Jagdtriebes, der in der Regel nicht auf andere Hunde, sondern auf Tiere gerichtet sei, die der Hund als Beute betrachte. Diese besondere Zielrichtung der Bestimmung in § 2 Abs. 2 Nr. 3 HundeVO sei auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. HundeVO nicht übertragbar. Durch diese Regelung solle der durch von bissigen Hunden ausgehenden allgemeinen Gefährlichkeit für andere Tiere begegnet werden. Da sich Beißattacken von Hunden letztlich gegen Tiere aller Spezies in gleicher oder ähnlicher Weise richten könnten, sei kein sachgerechter Grund dafür ersichtlich, Hunde als Opfer von Bissen anderer Hunde aus dem Regelungsbereich der ersten Alternative von § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeVO auszunehmen.

Auf der Grundlage des Sachverhalts, wie er sich nach dem Inhalt der Behördenakten und nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme darstelle, lägen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. HundeVO in Bezug auf den Hund der Klägerin vor.

Fest stehe danach zunächst, dass der Rüde den Border-Collie des Zeugen S. gebissen habe.

Durch den Biss sei der Hund des Zeugen S. im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. HundeVO geschädigt worden. Durch den Biss habe „B.“ eine Verletzung an der linken Halsseite in Form zweier kleiner Wunden davongetragen. Bereits hierdurch sei eine Schädigung im Sinne der oben genannten Bestimmung eingetreten.

Mit dem Begriff der Schädigung greife der Verordnungsgeber auf den polizeirechtlichen Schadensbegriff zurück. Ein Schaden im ordnungsrechtlichen Sinne läge bei jeglicher Verletzung geschützter Rechtsgüter vor. Bei der Schädigung im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative HundeVO sei ein Schaden in der besonderen Form der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit des gebissenen Tieres gemeint. Ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Tieres sei dann anzunehmen, wenn bei ihm ein von den normalen körperlichen Funktionen abweichender Zustand hervorgerufen oder gesteigert werde.

Ein von den normalen körperlichen Funktionen abweichender Zustand sei schon durch die dem Hund des Zeugen S bei der Beißattacke des Rottweilers der Klägerin unmittelbar beigebrachte Verletzung eingetreten.

Selbst wenn man der Ansicht des Verwaltungsgerichts folgen und der Auffassung sein sollte, dass die unmittelbare Bissverletzung des Border-Collies und der durch den Vorfall bedingte Schockzustand des Hundes als geringfügig und deshalb nicht als Schädigung zu betrachten seien, verbiete sich diese Betrachtungsweise jedenfalls im Hinblick auf die bei dem Hund später eingetretene, erheblich schwerer wiegende Gesundheitsbeeinträchtigung (Hämatom).

Auch die weitere Voraussetzung des § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative HundeVO, dass der das andere Tier schädigende Biss erfolgt ist, ohne dass der Hund selbst angegriffen wurde, sei erfüllt.

Nach den – auch insoweit übereinstimmenden – Aussagen der Zeugen sei der Border-Collie von dem Hund der Klägerin ohne vorangehende Begegnung der beiden Hunde unvermittelt angegriffen worden. Ein von dem Border-Collie ausgehender Angriff auf den Hund der Klägerin oder auch nur ein von ihm möglicherweise als Aggression zu erkennendes Verhalten des Border-Collie sei nach dem sich aus dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahmen ergebenden Sachverhalt auszuschließen.

Da somit sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative HundeVO erfüllt seien, bedürfe es für die Feststellung der Gefährlichkeit nicht etwa noch der weiteren Prüfung, ob das von dem Hund gezeigte Verhalten eine übersteigerte Aggressionsbereitschaft erkennen lasse. Die Forderung nach einer zusätzlichen Überprüfung, ob das Beißverhalten eines Hundes Ausdruck einer übersteigerten Aggressionsbereitschaft sei, sei mit Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2 HundeVO nicht vereinbar.

Soweit sich das Verwaltungsgericht nachfolgend mit der Frage auseinandersetze, ob der Hund des Zeugen S. bei dem Angriff eine artübliche Unterwerfungsgestik gegenüber dem Hund der Klägerin gezeigt habe, beziehe sich diese Ausführungen auf die zweite Alternative des § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeVO. Diese Bestimmung sei indessen auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Diese Bestimmung erfasse ein im Verlauf von Rangstreitigkeiten oder sonstigen Auseinandersetzungen zwischen Hunden aufgetretenes übersteigertes Aggressionsverhalten eines Hundes, das sich in einem Zubeißen trotz erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik des anderen Hundes geäußert habe. Eine solche Rangelei zwischen dem Hund der Klägerin und dem des Zeugen S. sei der Beißattacke des Rottweilers aber gerade nicht vorausgegangen. Vielmehr habe der Hund der Klägerin den Border-Collie unvermittelt und überraschend angegriffen, ohne dass der gebissene Hund überhaupt Gelegenheit zu einer Abwehrreaktion oder Unterwerfungsgeste gehabt hätte. In Folge dessen könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass eine solche Unterwerfungsgestik des gebissenen Hundes unterblieben sei.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Hundehaltungsverbot wiederholte Verstöße gegen das LHundG NRW

Hundehaltungsverbot auf Grund wiederholter Verstöße gegen das LHundG NRW

Jeder Hundehalter muss ohne Einschränkungen willens und in der Lage sein, die Pflichten, die sich im Zusammenhang mit der Hundehaltung ergeben, jederzeit und überall zu erfüllen.“

Verwaltungsgericht Aachen, Beschluss vom 12. Juli 2011, Az. 6 L 198/11

Der Sachverhalt

Der Kangal-Rüde (65 kg) der Antragstellerin wurde auf Grund von mindestens zwei Beißvorfällen mit anderen Hunden, wobei in einem Fall auch der gegnerische Halter verletzt wurde, als gefährlicher Hund im Sinne des § 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 LHundG NRW eingestuft. Eine vorherige Begutachtung der Amtsveterinärin fand statt.

Die Antragstellerin hat durch die Haltung ihres Hundes auch wiederholt gegen Vorschriften des LHundG NRW bzw. aufgrund dieses Gesetzes getroffene Anordnungen verstoßen. Sie hat weder den erforderlichen Sachkundenachweis zum Führen von gefährlichen Hunden oder den zum Führen von großen Hunden vorgelegt. Die Nichtvorlage hat die Antragsgegnerin bereits mit Bußgeldbescheid vom 13. März 2010 – erfolglos – geahndet. Auch die hierauf gerichtete und bestandskräftig gewordene Ordnungsverfügung vom 15. Juli 2010 blieb unbeachtet.

Weiterhin hat die Antragstellerin mehrfach gegen den angeordneten Maulkorb- und Leinenzwang verstoßen. Wegen verschiedener – teilweise angezeigter, teilweise durch Außendienstmitarbeiter der Antragsgegnerin aus eigener Wahrnehmung festgestellter – Verstöße wurden die angedrohten Zwangsgelder mit Ordnungsverfügungen jeweils in Höhe von 500 Euro bestandskräftig festgesetzt.

Mit Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 3. Mai 2011 wurde der Antragstellerin das Halten ihres Hundes untersagt und ihr unter Androhung der Anwendung unmittelbaren Zwangs aufgegeben, den Hund innerhalb von 5 Tagen nach Zustellung der Ordnungsverfügung in die Obhut des Tierheimes zu geben.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin im einstweiligen Rechtsschutz.

Die Entscheidung

Das Gericht wies den Antrag zurück.

Die Voraussetzungen für die auf § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW gestützte streitgegenständliche Maßnahme seien vorliegend gegeben.

Bei dem Hund der Antragstellerin handele es sich um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 LHundG NRW. Danach seien im Einzelfall gefährliche Hunde u.a. solche Hunde, die einen Menschen gebissen haben, sofern dies nicht zur Verteidigung anlässlich einer strafbaren Handlung geschah (Nr. 3), sowie Hunde, die einen anderen Hund durch Biss verletzt haben, ohne selbst angegriffen worden zu sein, oder die einen anderen Hund trotz dessen erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik gebissen haben (Nr. 5).

Der Kangalrüde habe unstreitig einen Menschen gebissen, ohne dass dies zur Abwehr einer strafbaren Handlung geschah. Damit erfülle er zunächst dem Wortlaut nach ohne weiteres die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW.

Allerdings gehöre Beißen (als Schreck- oder Abwehrreaktion) zum arttypischen Verhalten eines Hundes, so dass nicht jeder Beißvorfall ohne Würdigung des konkreten Sachverhaltes eine Bissigkeit im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW belegen könne. Folgerichtig und zutreffend führen die Verwaltungsvorschriften zum Landeshundegesetz (VV LHundG NRW) unter Ziffer 3.3.1.3 zu § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW deshalb auch aus:

„Soweit eine Hundehalterin oder ein Hundehalter bei einer Beißerei unter Hunden gebissen wurde oder Umstände vorliegen, bei denen der Biss auf einer reflexartigen Abwehrreaktion des Hundes beruhte (z.B. wenn eine Person versehentlich auf die Rute tritt) soll die amtliche Tierärztin/der amtliche Tierarzt den Hund begutachten. Ziel der Begutachtung ist herauszufinden, ob die Einstufung als gefährlicher Hund nach § 3 Abs. 3 gerechtfertigt ist. Die örtliche Ordnungsbehörde soll das Ergebnis der Begutachtung bei ihrer Entscheidung beachten.“

Eine derartige Begutachtung durch die Amtstierärztin und Würdigung durch die Antragsgegnerin habe hier stattgefunden.

Bei dieser Sachlage sei für eine die Gefährlichkeit des Hundes nach Maßgabe des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW verneinende Einschätzung kein Raum.

Ob darüber hinaus auch die Alternative der Nr. 5 erfüllt ist, ob der Hund der Antragstellerin

Durch die wiederholten Verstöße der Antragstellerin seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW erfüllt.

Daneben würden auch hinreichende Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Antragstellerin nicht die für das Halten gefährlicher Hunde erforderliche Zuverlässigkeit besitze (vgl. §§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 7 LHundG NRW bzw. – hier ebenfalls einschlägig – für große Hunde: § 11 Abs. 2 Sätze 1 und 2 LHundG NRW), weshalb zusätzlich auch – ungeachtet des Fehlens des erforderlichen Sachkundenachweises – die Erlaubnisvoraussetzungen für das Halten eines gefährlichen Hundes nicht vorliegen würden.

Jeder Hundehalter müsse ohne Einschränkungen willens und in der Lage sein, die Pflichten, die sich im Zusammenhang mit der Hundehaltung ergeben, jederzeit und überall zu erfüllen. Unzuverlässig im Sinne des Landeshundegesetzes ist daher, wer keine Gewähr dafür biete, dass er seinen Hund ordnungsgemäß, d.h. in einer Weise halten wird, dass von dem Hund keine Gefahren ausgehen werden. Unerheblich sei hierbei, aus welchen Gründen der Hundehalter zu einer ordnungsgemäßen Hundehaltung nicht imstande sei. Unzuverlässigkeit setze daher auch weder ein Verschulden noch einen Charaktermangel des Hundehalters voraus.

Hiervon ausgehend spreche viel dafür, dass die Antragstellerin unzuverlässig im Sinne des Landeshundegesetzes sei. Maßgeblich für diese Einschätzung sei der Umstand, dass die Antragstellerin trotz verschiedener aktenkundiger mündlicher und schriftlicher Belehrungen und sogar ungeachtet eines Bußgeldbescheides und mehrfacher Zwangsgeldfestsetzungen über einen längeren Zeitraum hinweg wiederholt und schwerwiegend ihre Halterpflichten missachtet habe. Insoweit gehöre es auch zu den Pflichten eines zuverlässigen Hundehalters sicherzustellen, dass der jeweilige Hundeführer seinerseits die Anforderungen des Landeshundegesetzes erfülle bzw. den hierzu ergangenen Anordnungen (hier: Maulkorbpflicht) Folge leiste. Tue er dies wiederholt nicht, wirke sich das zu Lasten des Hundehalters aus. Die Antragstellerin habe durch ihr Verhalten daher gezeigt, dass sie nicht willens oder nicht in der Lage ist, ihren Hund so zu halten, wie das Gesetz bzw. die hierzu ergangenen Anordnungen es zur Vermeidung von Gefahren für die Allgemeinheit von ihr verlangen.