Haftung nach Hundepfiff für Reitunfall

Pferd erschrickt durch Hundepfeife

OLG Karlsruhe, Urteil vom 03.08.2017 – 7 U 200/16

 

Sachverhalt:

Der Kläger befand sich gemeinsam mit einem weiteren Reiter auf einem Ausritt. Dabei begegneten sie der Beklagten, die mit ihrem Hund, welcher unangeleint war, spazieren ging. Als der Hund die Pferde erblickte, näherte er sich ihnen und entfernte sich von der Beklagten. Um den Hund zu sich zurück zu holen und ihn von den Pferden abzurufen, pfiff die Beklagte zunächst einmal mit der Hundepfeife, danach noch mindestens ein weiteres Mal. Der Hund kam daraufhin zu ihr zurück,  die Pferde erschraken jedoch und gingen durch, wobei der Kläger stürzte und sich verletzte. Der Kläger begehrte materiellen und immateriellen Schadensersatz von der Beklagten aufgrund seiner erlittenen Verletzungen.

 

Entscheidung:

In der ersten Instanz hatte das Landgericht dem Kläger dem Grunde nach einen Anspruch zugestanden, diesen jedoch im Rahmen des Mitverschuldens auf eine Haftungsquote von 30% gekürzt. Gegen diese Entscheidung hatten beide Parteien Berufung eingelegt.

Das OLG lehnte einen Anspruch des Klägers aus unerlaubter Handlung sowie der Tierhalterhaftung vollständig ab.

Das Gericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass ein Anspruch aus Tierhalterhaftung nach § 833 BGB bereits deswegen ausscheide, weil der Kläger selbst mehrfach dargelegt hatte, dass sich die Pferde nicht vor dem Hund erschreckt hätten, sondern vor den Pfiffen der Beklagten mit der Hundepfeife. Insofern hat sich nicht die maßgebliche Tiergefahr verwirklicht, sondern ein auf den Willensentschluss der Beklagten zurückzuführendes Verhalten. Die Pferde haben nicht auf ein tierisches Verhalten reagiert, sondern auf ein menschliches, weswegen eine Haftung aus § 833 BGB nicht in Frage kommt.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus unerlaubter Handlung der Beklagten gemäß §§ 823 Abs.1, 2 BGB, denn das Ausführen des Hundes und das Pfeifen mit der Hundepfeife stellten an dieser Örtlichkeit ein erlaubtes, sozialadäquates Verhalten dar. Es ist der Beklagten nicht als fahrlässige Verletzungshandlung vorzuwerfen, dass sie durch das Pfeifen ihren Hund davon abhalten wollte, den Pferden weiter zu folgen. Die Pfiffe mit der Hundepfeife waren eine angemessene und naheliegende Reaktion auf das Verhalten des Hundes. Daran ändert sich auch nichts, weil die Beklagte mehrfach gepfiffen hat, denn es steht nicht fest, dass die Beklagte nach dem ersten Pfiff wahrgenommen habe, dass sich die Pferde aufgrund der Geräusche erschreckten. Sie hat angegeben, dass sie keine Reaktion der Pferde auf die Pfiffe wahrgenommen habe. Hinzu kommt, dass sich vorliegend das allgemeine Lebensrisiko der Reiter verwirklicht hat, dass die Pferde auf ein unerwartetes lautes Geräusch reagieren. Dieses hätte sich auch bei jedem anderen unerwarteten lauten Geräusch ergeben.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Gefährlichkeitseinstufung von kleinen Hunden

Kleiner Dackel – gefährlicher Hund?!

VG Köln, Urteil vom 21.01.2016 – 20 K 6915/14

 

Der folgende Fall verdeutlicht anschaulich, dass die Gefährlichkeit eines Hundes nichts mit seiner Rasse oder Größe zu tun hat. Auch ein bissiger Dackel kann im Einzelfall ein gefährlicher Hund im Sinne des LHundG NRW sein. Zeigt sich der Hundehalter dann auch noch uneinsichtig oder nicht in der Lage den Hund unter Kontrolle zu halten, so kann dies selbst bei einem kleinen Hund  zu einer Haltungsuntersagung führen.

 

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Halterin eines Rauhaardackel Rüden. Polizeilich wurden zunächst vier Beißvorfälle gemeldet. Bei zwei Vorfällen fügte der Dackel den Geschädigten stark blutende Fleischwunden zu, welche ärztlich behandelt werden mussten, und zerbiss Hosen und Schuhe. Bei den anderen Vorfällen machte die Hundehalterin geltend, der Hund habe in einem Fall zwar geschnappt, dabei sei aber weder eine Verletzung noch eine Beschädigung der Hose verursacht worden, im anderen Fall habe der Hund nur zugebissen, da er erheblich provoziert worden sei. Die Beklagte erließ daraufhin eine Verfügung gegen die Klägerin, in der sie einen Leinen- und Maulkorbzwang sowie eine amtstierärztliche Untersuchung für den Dackel anordnete.

Gemäß der amtstierärztlichen Stellungnahme handele es sich bei dem Dackel nicht um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 3 Abs. 3 LHundG NRW, er zeige jedoch ein übersteigertes Revierverteidigungsverhalten, welches die Halterin nicht unter Kontrolle hätte. Es wurde ein Leinen- und Maulkorbzwang empfohlen.  Einige Zeit später kam es zu einem weiteren Vorfall, bei dem der Dackel unbegleitet und ohne Leine grundlos einen Spaziergänger angriff und erheblich verletzte. Daraufhin wurde gegen die Klägerin ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 € festgesetzt.

Wegen der Beißvorfälle wurde die Hundehalterin wegen fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen verurteilt. Durch den Bewährungsbeschluss wurde ihr die Teilnahme an einem Hundetrainingskurs aufgegeben, und dass sie die ordnungsbehördlichen Auflagen in Zukunft zu befolgen habe.

Einige Wochen später wurde ein weiterer Beißvorfall gemeldet, bei dem der Dackel, gehalten an einer langen Leine und ohne Maulkorb, dem Geschädigten die Hose zerbiss und ihm eine blutende Fleischwunde zufügte. Die Klägerin wurde daraufhin von der Beklagten verwarnt, dass der Hund weggenommen werden würde, wenn sie nicht ihr Verhalten ändere. Trotz der Teilnahme an zehn Trainingsstunden mit dem Hund kam es erneut zu zwei Beißvorfällen.

Die Beklagte ordnete darauf eine Haltungsuntersagung an im Sinne des § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG.

Die Klägerin wendete ein, der Hund sei zwischenzeitlich kastriert worden und habe dadurch eine positive Wesensveränderung erfahren und begehrte die Aufhebung der Haltungsuntersagung.

 

Die Entscheidung:

Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen, da die Ordnungsverfügung rechtmäßig war.

Zwar hat die Behörde die Anordnung auf die falsche Ermächtigungsgrundlage gestützt, im Ergebnis ist dies allerdings hier unbeachtlich. § 12 Abs. 2 LHundG regelt die Haltungsuntersagung nur bezüglich Hunden bestimmter Rassen, gem. § 10 Abs. 1 sowie großer Hunde, gem. § 11 LHundG. Zu beiden Kategorien gehört der Dackel jedoch nicht. Hinzu kommt, dass die Beklagte keine verbindliche Feststellung über die Gefährlichkeit des Hundes nach § 3 Abs. 1, 3 Satz 2 in der Ordnungsverfügung getroffen hat. Ein Hund gehört vor einer verbindlichen Feststellung seiner Gefährlichkeit durch die Behörde nicht zu den im Einzelfall gefährlichen Hunden nach § 3 Abs. 3, auch wenn materiell die Voraussetzungen für Feststellung vorliegen sollten.

Eine Haltungsuntersagung kann jedoch aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles auf  § 12 Abs. 1 LHundG NRW gestützt werden.

Die Regelungen des § 12 Abs. 1 und 2 dienen insgesamt dazu, die Behörde dazu zu ermächtigen, Anordnungen zu erlassen, mit denen von Hunden ausgehende Gefahren abgewehrt werden können. Zwar handelt es sich dabei grundsätzlich um Ermessensentscheidungen der Behörde, in besonderen Fällen- wie hier- kann dieses Ermessen jedoch auf Null reduziert sein. Wegen der diversen aktenkundigen Beißvorfälle mit teils erheblichen Verletzungen, besteht kein Zweifel daran, dass von dem Dackel eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht.

Auch ohne behördliche Feststellung der Gefährlichkeit ist offenkundig, dass die materiellen Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 erfüllt sind.

Die amtstierärztliche Stellungnahme, wonach der Hund nicht gefährlich sei, ist hier unerheblich, da diese zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits mehrere Jahre zurück lag, zudem ist es unerheblich, aus welchen Gründen sich der Hund aggressiv verhält. Auch die Kastration ändert nichts an der Rechtmäßigkeit der Verfügung, zum einen, weil die Wesensveränderung nur behauptet, nicht aber bewiesen wurde, und zum anderen, weil bereits nach der Kastration erneut ein Beißvorfall aktenkundig wurde, was der Annahme einer positiven Wesensveränderung entgegen steht.

Die Halterin hat sich über mehrere Jahre hinweg als nicht willens und nicht fähig erwiesen, die Pflichten eines Hundehalters gem. § 2 Abs. 1 LHundG  gewissenhaft einzuhalten. Sie hat mehrfach gegen die Auflagen aus der ersten Ordnungsverfügung verstoßen und damit ihre Unzuverlässig begründet.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Gefährlichkeitseinstufung eines Hundes nach „Anspringen“

Anspringen kann zur Begründung der Gefährlichkeit eines Hundes ausreichen 

OVG NRW, Beschluss vom 20.04.2012 – 5 B 1305/11

Sachverhalt:

Die Antragstellerin ist Halterin eines Shar Pei. Dieser sprang bei einem Spaziergang, bei dem er angeleint war, ein sechsjähriges Mädchen an, wobei dieses hinfiel und sich zwei etwa 5cm lange Quetschungen am Bein zuzog. Ob diese Verletzungen durch den Sturz an sich oder einen Biss des Hundes entstanden sind, ist nicht aufklärbar. Jedenfalls hatte der Hund aber nach dem Kind geschnappt als er es ansprang.

Die Behörde erließ daraufhin eine Ordnungsverfügung gegen die Hundehalterin, in der sie verschiedene Auflagen anordnete, unter anderem wurde die Gefährlichkeit des Hundes festgestellt, ein Leinen- und Maulkorbzwang angeordnet und angeordnet einen Antrag auf Erteilung einer Haltungserlaubnis für den Hund innerhalb einer bestimmten Frist zu stellen.

Hiergegen wehrte sich die Antragstellerin im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes.

Die Entscheidung:

Dem Antrag wurde teilweise stattgegeben.

Die Einstufung des Hundes als gefährlich erfolgte rechtmäßig. Zwar sei das Beißen eines Menschen nicht sicher belegt im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW, es liegen aber zumindest die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 vor. Danach ist ein Hund bereits dann im Einzelfall gefährlich, wenn er einen Menschen in Gefahr drohender Weise angesprungen hat. Dies liegt dann vor, wenn durch das Anspringen, bei verständiger Betrachtung und Würdigung aller Umstände des Einzelfalles, die Gefährdung eines Menschen zu befürchten war. Insbesondere ist dies dann der Fall, wenn Kinder oder Senioren unkontrolliert so angesprungen werden, dass diese umfallen oder umzufallen drohen.

Der Einwand der Antragstellerin, es sei keine amtstierärztliche Begutachtung im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 2 LHundG NRW durchgeführt worden, blieb ohne Erfolg. Der Begutachtung und Beurteilung durch den Amtstierarzt kommt nach ständiger Rechtsprechung keine konstitutive Bedeutung zu. Sie dient im Zusammenhang mit der Prüfung der Tatbestandsmerkmale nach § 3 Abs. 3 Satz 1 LHundG lediglich der Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und soll sicherstellen, dass die Ordnungsbehörde dabei eine sachverständige Unterstützung erfährt. Da der Begutachtung eine reine verfahrensrechtliche Bedeutung zukommt, ist es nach § 46 VwVfG NRW unbeachtlich, wenn sie nicht hinreichend durchgeführt wird und offensichtlich ist, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

Für im Einzelfall gefährliche Hunde im Sinne des § 3 Abs. 3 LHundG ist keine Verhaltensprüfung zum Nachweis dessen, dass keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit von dem Hund ausgeht, vorgesehen, da diese ihre Gefährlichkeit bereits durch tatsächliches Fehlverhalten bewiesen haben.

Erfolgreich war hingegen der Antrag gegen die Anordnung, einen Antrag auf Erteilung einer Haltungserlaubnis innerhalb einer bestimmten Frist zu stellen. Für eine solche Anordnung fehlt der Behörde die Rechtsgrundlage. Eine Verpflichtung zur Antragstellung kann weder auf § 12 Abs. 1 noch auf § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG gestützt werden, da ein gesetzlicher Zwang zur Antragstellung nicht besteht. Die Antragstellung liegt allein im Interesse des Hundehalters eines gefährlichen Hundes, um der sonst drohenden Haltungsuntersagung zu entgegnen, sie kann daher nicht selbständig mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Hundehaltungsverbot auf Grund wiederholter Verstöße gegen das LHundG NRW

Hundehaltungsverbot auf Grund wiederholter Verstöße gegen das LHundG NRW

Jeder Hundehalter muss ohne Einschränkungen willens und in der Lage sein, die Pflichten, die sich im Zusammenhang mit der Hundehaltung ergeben, jederzeit und überall zu erfüllen.“

Verwaltungsgericht Aachen, Beschluss vom 12. Juli 2011, Az. 6 L 198/11

Der Sachverhalt

Der Kangal-Rüde (65 kg) der Antragstellerin wurde auf Grund von mindestens zwei Beißvorfällen mit anderen Hunden, wobei in einem Fall auch der gegnerische Halter verletzt wurde, als gefährlicher Hund im Sinne des § 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 LHundG NRW eingestuft. Eine vorherige Begutachtung der Amtsveterinärin fand statt.

Die Antragstellerin hat durch die Haltung ihres Hundes auch wiederholt gegen Vorschriften des LHundG NRW bzw. aufgrund dieses Gesetzes getroffene Anordnungen verstoßen. Sie hat weder den erforderlichen Sachkundenachweis zum Führen von gefährlichen Hunden oder den zum Führen von großen Hunden vorgelegt. Die Nichtvorlage hat die Antragsgegnerin bereits mit Bußgeldbescheid vom 13. März 2010 – erfolglos – geahndet. Auch die hierauf gerichtete und bestandskräftig gewordene Ordnungsverfügung vom 15. Juli 2010 blieb unbeachtet.

Weiterhin hat die Antragstellerin mehrfach gegen den angeordneten Maulkorb- und Leinenzwang verstoßen. Wegen verschiedener – teilweise angezeigter, teilweise durch Außendienstmitarbeiter der Antragsgegnerin aus eigener Wahrnehmung festgestellter – Verstöße wurden die angedrohten Zwangsgelder mit Ordnungsverfügungen jeweils in Höhe von 500 Euro bestandskräftig festgesetzt.

Mit Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 3. Mai 2011 wurde der Antragstellerin das Halten ihres Hundes untersagt und ihr unter Androhung der Anwendung unmittelbaren Zwangs aufgegeben, den Hund innerhalb von 5 Tagen nach Zustellung der Ordnungsverfügung in die Obhut des Tierheimes zu geben.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin im einstweiligen Rechtsschutz.

Die Entscheidung

Das Gericht wies den Antrag zurück.

Die Voraussetzungen für die auf § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW gestützte streitgegenständliche Maßnahme seien vorliegend gegeben.

Bei dem Hund der Antragstellerin handele es sich um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 LHundG NRW. Danach seien im Einzelfall gefährliche Hunde u.a. solche Hunde, die einen Menschen gebissen haben, sofern dies nicht zur Verteidigung anlässlich einer strafbaren Handlung geschah (Nr. 3), sowie Hunde, die einen anderen Hund durch Biss verletzt haben, ohne selbst angegriffen worden zu sein, oder die einen anderen Hund trotz dessen erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik gebissen haben (Nr. 5).

Der Kangalrüde habe unstreitig einen Menschen gebissen, ohne dass dies zur Abwehr einer strafbaren Handlung geschah. Damit erfülle er zunächst dem Wortlaut nach ohne weiteres die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW.

Allerdings gehöre Beißen (als Schreck- oder Abwehrreaktion) zum arttypischen Verhalten eines Hundes, so dass nicht jeder Beißvorfall ohne Würdigung des konkreten Sachverhaltes eine Bissigkeit im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW belegen könne. Folgerichtig und zutreffend führen die Verwaltungsvorschriften zum Landeshundegesetz (VV LHundG NRW) unter Ziffer 3.3.1.3 zu § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW deshalb auch aus:

„Soweit eine Hundehalterin oder ein Hundehalter bei einer Beißerei unter Hunden gebissen wurde oder Umstände vorliegen, bei denen der Biss auf einer reflexartigen Abwehrreaktion des Hundes beruhte (z.B. wenn eine Person versehentlich auf die Rute tritt) soll die amtliche Tierärztin/der amtliche Tierarzt den Hund begutachten. Ziel der Begutachtung ist herauszufinden, ob die Einstufung als gefährlicher Hund nach § 3 Abs. 3 gerechtfertigt ist. Die örtliche Ordnungsbehörde soll das Ergebnis der Begutachtung bei ihrer Entscheidung beachten.“

Eine derartige Begutachtung durch die Amtstierärztin und Würdigung durch die Antragsgegnerin habe hier stattgefunden.

Bei dieser Sachlage sei für eine die Gefährlichkeit des Hundes nach Maßgabe des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW verneinende Einschätzung kein Raum.

Ob darüber hinaus auch die Alternative der Nr. 5 erfüllt ist, ob der Hund der Antragstellerin

Durch die wiederholten Verstöße der Antragstellerin seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW erfüllt.

Daneben würden auch hinreichende Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Antragstellerin nicht die für das Halten gefährlicher Hunde erforderliche Zuverlässigkeit besitze (vgl. §§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 7 LHundG NRW bzw. – hier ebenfalls einschlägig – für große Hunde: § 11 Abs. 2 Sätze 1 und 2 LHundG NRW), weshalb zusätzlich auch – ungeachtet des Fehlens des erforderlichen Sachkundenachweises – die Erlaubnisvoraussetzungen für das Halten eines gefährlichen Hundes nicht vorliegen würden.

Jeder Hundehalter müsse ohne Einschränkungen willens und in der Lage sein, die Pflichten, die sich im Zusammenhang mit der Hundehaltung ergeben, jederzeit und überall zu erfüllen. Unzuverlässig im Sinne des Landeshundegesetzes ist daher, wer keine Gewähr dafür biete, dass er seinen Hund ordnungsgemäß, d.h. in einer Weise halten wird, dass von dem Hund keine Gefahren ausgehen werden. Unerheblich sei hierbei, aus welchen Gründen der Hundehalter zu einer ordnungsgemäßen Hundehaltung nicht imstande sei. Unzuverlässigkeit setze daher auch weder ein Verschulden noch einen Charaktermangel des Hundehalters voraus.

Hiervon ausgehend spreche viel dafür, dass die Antragstellerin unzuverlässig im Sinne des Landeshundegesetzes sei. Maßgeblich für diese Einschätzung sei der Umstand, dass die Antragstellerin trotz verschiedener aktenkundiger mündlicher und schriftlicher Belehrungen und sogar ungeachtet eines Bußgeldbescheides und mehrfacher Zwangsgeldfestsetzungen über einen längeren Zeitraum hinweg wiederholt und schwerwiegend ihre Halterpflichten missachtet habe. Insoweit gehöre es auch zu den Pflichten eines zuverlässigen Hundehalters sicherzustellen, dass der jeweilige Hundeführer seinerseits die Anforderungen des Landeshundegesetzes erfülle bzw. den hierzu ergangenen Anordnungen (hier: Maulkorbpflicht) Folge leiste. Tue er dies wiederholt nicht, wirke sich das zu Lasten des Hundehalters aus. Die Antragstellerin habe durch ihr Verhalten daher gezeigt, dass sie nicht willens oder nicht in der Lage ist, ihren Hund so zu halten, wie das Gesetz bzw. die hierzu ergangenen Anordnungen es zur Vermeidung von Gefahren für die Allgemeinheit von ihr verlangen.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Gefährlichkeitsfeststellungsverfahren NRW

Im Einzelfall gefährliche Hunde

OVG NRW, Beschluss vom 16.06.2009 – 5 B 409/09

Hund hetzt Hühner

Hat ein Hund mehrere Hühner gehetzt und gerissen, so ist er als im Einzelfall gefährlicher Hund nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 LHundG NRW einzustufen. Dies gilt auch unabhängig davon, ob der Hund von einem Amtstierarzt begutachtet wurde.

Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 LHundG NRW sind im Einzelfall gefährliche Hunde solche, die gezeigt haben, dass sie unkontrolliert Wild, Vieh, Katzen oder andere Tiere hetzen, beißen oder reißen.

Im vorliegenden Fall hatte sich der Hund, was auch unstreitig war, beim Spaziergang von der Leine seines Herrchens losgerissen und ist, trotz der Rückrufkommandos, weggelaufen. Während dessen sprang der Hund über den Zaun einer Kleingartenanlage und drang in einen Hühnerpferch ein, wo er drei Hühner hetzte und riss.

Das Gesetz stellt bei der Unkontrollierbarkeit gerade nicht auf die Unkontrollierbarkeit durch den Halter ab, sondern allein darauf, ob der Hund sich bei Hetzen und Reißen der Hühner unkontrolliert verhielt. Es ist daher unerheblich, dass der Hund entlaufen war und die Hühner erst etwa eine dreiviertel Stunde nach dem Losreißen in Abwesenheit des Halters die Hühner gerissen hat.

Darüber hinaus bedarf es für die Einordnung eines Hundes als gefährlich nach § 3 Abs. 3 Satz 1 LHundG NRW nicht zwingend einer tierärztlichen Begutachtung im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 2, denn der Begutachtung und Beurteilung durch einen Amtstierarzt kommt keine konstitutive Bedeutung zu. Es handelt sich dabei um ein bloßes Verfahrenserfordernis. Die Begutachtung nach § 3 Abs. 3 Satz 2 LHundG NRW dient lediglich der Ermittlung des Sachverhalts und einer sachverständigen Unterstützung der Ordnungsbehörde dabei. Die Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes im Einzelfall setzt nämlich eine gründliche Ermittlung des Sachverhalts und eine sachkundige Begutachtung voraus. Findet im Einzelfall keine tierärztliche Begutachtung statt, so stellt dies jedoch einen reinen Verfahrensfehler dar, welcher, sofern er die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat, nach § 46 VwVfG NRW unerheblich ist.

Anders als für gefährliche Hunde im Sinne des § 3 Abs. 2, sieht das Gesetz für im Einzelfall gefährliche Hunde gemäß Absatz 3 keine Verhaltensprüfung voraus zum Nachweis dessen, dass keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit von dem Hund ausgeht, § 5 Abs. 3 LHundG NRW. Im Falle des Absatz 3 hat der Hund nämlich bereits durch tatsächliches Fehlverhalten seine Gefährlichkeit bewiesen.

Ein solches Fehlverhalten hatte der Hund im vorliegenden Fall unstreitig gezeigt und sich somit als im Einzelfall gefährlich erwiesen. Daran hätte auch keine tierärztliche Begutachtung etwas ändern können.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Gefährlichkeitsfeststellungsverfahren Niedersachsen

Gefährlicher Hund nach erstmaligem Beißvorfall

OVG Lüneburg, AZ.: 11 ME 423/11

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Osnabrück ( 6 B 96/11) beschlossen, dass ein Hund bereits nach einem einmaligen Beißvorfall als gefährlicher Hund im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 NHundG einzuordnen ist.

Im vorliegenden Fall hatte der Hund, welcher zunächst als Staffordshire Terrier, später als Boxermischling eingeordnet wurde, ein Grundstück verlassen, auf welchem er sich besuchsweise befand und hatte einen Jack-Russel-Terrier gebissen, der über die angrenzende Straße gelaufen war. Dabei erlitt der Terrier eine blutende Bisswunde am Ohr, die geklammert werden musste. Der Feststellungsbescheid über die Gefährlichkeit des Hundes wurde mit diesem einmaligen Vorfall begründet.

In dem erstinstanzlichem Eilrechtsschutzverfahren hatte das Verwaltungsgericht beschlossen, dass es für die Feststellung nicht ausreiche, dass der Hund erstmalig einen anderen Hund gebissen habe. Vielmehr bedürfe es zusätzlicher Hinweise darauf, dass bei dem Hund ein gesteigertes, über ein artgerechtes (Beiß-)Verhalten hinausgehendes, Aggressionsverhalten vorliege. Anders sah dies jedoch das OVG. Nach ständiger Rechtsprechung würde das Gesetz im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 NHundG a.F., als Vorgängerregelung des § 7 Abs. 1 NHundG, ausgelegt werden. Demnach gelte ein Hund schon dann als gefährlich, wenn der bloße Verdacht der Gefährlichkeit bestünde. Dafür reiche es bereits aus, dass er ein anderes Tier gebissen und mehr als unerheblich verletzt hat. Einer weitergehenden Prüfung der Gefährlichkeit des Hundes bedürfe es daher nicht. Die Regelung diene der Gefahrenabwehr, welche nur effektiv gewährleistet werden könne, wenn die Behörde ohne gesteigerte Prüfungsanforderungen die Gefährlichkeit des Hundes nach einmaligem Vorfall feststellen könne. Einschränkungen und Ausnahmen von dieser Regelung sollen nicht bereits auf der Tatbestandsebene, sondern auf Rechtsfolgenseite erfolgen, zum Beispiel durch einen Wesenstest, durch welchen zum Beispiel der Leinenzwang ausgesetzt werden kann.

Demnach liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 LHundG bereits nach einem erstmaligen Beißvorfall, bei dem das andere Tier nicht unerheblich verletzt wurde, vor. Nach Sinn und Zweck der Regelung kann eine Ausnahme davon gemacht werden, wenn die Verletzung im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs etwa eines Dienst-, Wach- oder Jagdhundes erfolgte oder es sich bei der Verletzung eines anderen Tieres offensichtlich um ein artgerechtes Abwehrverhalten handelte. Ein solcher Fall war vorliegend jedoch nicht erkennbar, weswegen der Feststellungsbescheid rechtmäßig war und der Antrag zurückgewiesen wurde.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp