Die Käuferin eines Welpen mit HD/ED kann Kaufpreis auf Null mindern, bleibt jedoch auf den Behandlungskosten sitzen
„Angesichts der hohen Folgekosten für ein krankes Tier und der ständigen Sorge um sein Wohlbefinden ist der Minderungsbetrag hoch anzusetzen. Dies gilt insbesondere bei Rassetieren. Daher ist der Kaufpreis auf Null zu mindern.“
LG Düsseldorf, Urteil vom 19. November 2007, Az. 12 O 18/07
Der Sachverhalt
Die Klägerin erwarb im Januar 2005 einen 11 Wochen alten Schäferhund zum Kaufpreis von 750 € von der Beklagten.
Beide Elterntiere sollten HD/0 sein.
Nach dem Kauf stellte sich heraus, dass der Hund weder gechipt, geimpft noch entwurmt war, obwohl auf diversen Internetseiten die Beklagte den Verkauf von Welpen dergestalt anbot, dass sie geimpft, gechipt und entwurmt seien.
Nach fünf Monaten wurde eine schwere Hüftgelenksdysplasie und Ellenbogengelenksdysplasie diagnostiziert. Eine Hüftgelenksdysplasie ist beim Welpen von zwei Monaten noch nicht diagnostizierbar, selbst ein Auftreten der Krankheit nach fünf Monaten ist extrem früh. Diesen Befund teilte die Klägerin der Beklagten bei einer Begegnung mit.
Der Hund musste an der Hüfte operiert werden, worüber die Klägerin die Beklagte schriftlich informierte.
Aufgrund der nicht vollständig heilbaren Hüftgelenksdysplasie hat der Hund ständig Schmerzen und benötigt regelmäßig Schmerzmittel. Die Erkrankung schließt ferner aus, dass Luca als Deckrüde eingesetzt werden kann.
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin die Minderung des Kaufpreises, sowie Ansprüche zur Übernahme der Behandlungs- und Arzneimittelkosten für die bereits abgeschlossenen Behandlungen sowie für zukünftig anstehende weitere Behandlungen, geltend.
Die Entscheidung
1. Die Klägerin hat einen Rückerstattungsanspruch in Höhe des vollen Kaufpreises von 750,00 € gegen die Beklagte, da sie den Kaufpreis auf Null mindern kann.
Die Hüftgelenks- und Ellenbogendysplasie ist eine dauerhafte Erkrankung und begründet einen Mangel.
Auch wenn die Krankheit zum Zeitpunkt des Kaufes noch nicht diagnostizierbar gewesen sei, habe der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorgelegen, unabhängig davon, ob eine Hüftgelenks- und Ellenbogendysplasie erblich bedingt sei und daher die Anlagen seit der Geburt vorlägen. Das Vorliegen des Mangels bei Gefahrübergang würde hier gem. § 476 BGB vermutet, da ein Verbrauchsgüterkauf gem. § 474 BGB vorläge, sich der Mangel innerhalb von sechs Monaten gezeigt habe und die Vermutung nicht mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar sei.
Der Umstand, dass der Hund nicht als Sporthund oder Deckrüde einsetzbar sei, sei nicht als Mangel zu werten, da die Klägerin nicht vorgetragen habe, dass sie diese Zwecke im Verkaufsgespräch erwähnt habe, und diese Eigenschaften daher nicht vertraglich vereinbart gewesen seien.
Im Hinblick auf den Mangel durch die Erkrankung des Hundes sei eine Fristsetzung entbehrlich gewesen. Aufgrund des inzwischen vorhandenen Affektionsinteresses sei keine Nacherfüllung in der Form der Lieferung einer mangelfreien Sache, d.h. einem neuen Hund, mehr möglich und aufgrund der fehlenden Heilbarkeit der Hüftgelenks- und Ellenbogendysplasie sei auch die Nacherfüllung in der Form der Beseitigung des Mangels unmöglich. Eine bloße Linderung der Krankheit stelle keine Mangelbeseitigung dar. In der Nacherfüllung in der Form der Mangelbeseitigung könne nur die vollständige Herstellung des mangelfreien Zustandes gesehen werden. Von einer Nacherfüllung könne allenfalls ausgegangen werden, wenn nur ein unerheblicher Teil des Mangels nicht behoben werde, wie z.B. wenn kleine Schönheitsfehler zurückblieben, aber die Funktionsfähigkeit voll hergestellt werden könnte. Da der Hund auch trotz Behandlung der Hüftgelenks- und Ellenbogendysplasie Zeit seines Lebens in der Bewegung eingeschränkt bleiben werde, bliebe auch trotz Behandlung ein nicht unerheblicher Teil der Krankheit zurück, sodass die Nacherfüllung unmöglich sei. Daher wurde der Klägerin daher auch unter diesem Gesichtspunkt die Übernahme der Tierarztkosten durch die Beklagte nicht zugesprochen.
Ob der fehlende Chip, die fehlende Impfung und die fehlende Entwurmung einen Mangel darstellen, hat das Gericht dahinstehen lassen, da die Klägerin der Beklagten keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gem. §§ 323 I, 441 I BGB gesetzt habe und diese auch nicht entbehrlich gewesen sei, denn der mögliche Mangel sei behebbar gewesen und die Klägerin habe die Nacherfüllung nicht endgültig und ernsthaft verweigert. In der bloßen Mitteilung der Erkrankung sei keine Fristsetzung zu sehen.
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Impfung, Chipung und Entwurmung gegen die Beklagte.
Auch hier könne dahingestellt bleiben, ob in der fehlenden Chipung, Impfung und Entwurmung ein Mangel zu sehen sei. Die Nacherfüllung sei zwar inzwischen unmöglich geworden, aber die Klägerin habe den Umstand durch eigenes Verhalten selbst herbeigeführt, sodass die Beklagte die Unmöglichkeit nicht zu vertreten habe und sich daher exkulpieren könne, was sie durch die Bestreitung der Pflicht zur Kostenübernahme getan habe. Das Kaufrecht sehe anders als das Werkvertragsrecht (§ 637 I BGB) kein Recht zur Selbstvornahme vor.
3. Der Beklagten steht kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Behandlung der Hüftgelenks- und Ellenbogendysplasie gegen die Beklagte unter dem Gesichtspunkt eines Schadensersatzes zu .
Für einen Schadensersatzanspruch kämen verschiedene Anspruchsgrundlagen in Betracht, jedoch führe in diesem Fall keine zu einer Ersatzpflicht der Beklagten.
Auch wenn bereits seit Vertragsschluss die Übereignung des ‚gesunden‘ Hundes unmöglich gewesen sei, scheitere der Schadensersatzanspruch an der fehlenden Kenntnis der Beklagten an dem Leistungshindernis. Diese Unkenntnis habe sie auch nicht zu vertreten, da zum Zeitpunkt des Kaufes die Hüftgelenks- und Ellenbogendysplasie noch nicht diagnostizierbar und damit auch für niemanden erkennbar gewesen sei. Darüber hinaus habe die Beklagte auch nicht gegen die Regeln der Zucht verstoßen.
Ein Schadensersatzanspruch gem. § 823 I BGB scheitere ebenfalls.
Es fehle insoweit an einer Rechtsgutsverletzung. Das Eigentum der Klägerin sei nicht verletzt, da der Hund bereits bei Gefahrübergang mangelhaft gewesen sei und sie daher zu keinem Zeitpunkt mangelfreies Eigentum erworben habe, sodass über das Äquivalenzinteresse hinaus kein Recht des Erwerbers verletzt worden sei. Die Kosten für die Behandlung stellen nur einen Vermögensschaden dar, der ebenfalls nicht als Rechtsgutsverletzung zu betrachten sei.
Copyright
Rechtsanwältin Susan Beaucamp