Tierarzthaftung

Tierarzthaftung: Umfang der Beratungs- und Aufklärungspflicht

(OLG Hamm, 03.11.1999, Az.: 3 U 65/99)

Orientierungssatz

 1. Ein Tierarzt schuldet neben der Behandlung auch die Beratung und Aufklärung über deren Vor- und Nachteile, über etwaige Risiken und hat dabei die erkennbaren Interessen des Auftraggebers und die rechtlichen und sittlichen Gebote des Tierschutzes zu berücksichtigen (Anschluss BGH, 1982-01-19, VI ZR 281/79, NJW 1982, 1327). Die Beratungs- und Aufklärungspflicht erstreckt sich jedoch nicht auf Komplikationen, mit denen normalerweise nicht gerechnet zu werden braucht (Anschluss BGH, 1980-03-18, VI ZR 39/79, NJW 1980, 1904).

2. Ein Tierarzt muss daher nicht auf das (bis zum Behandlungszeitpunkt nahezu unbekannte) Risiko der Todesfolge bei intramuskulärer Injektion (hier: des Medikamentes Prävakun) in den Hals eines Pferdes aufklären.

Sachverhalt:

Der Beklagte ist Tierarzt und wurde von der Klägerin, von Beruf Friesenpferdezüchterin, dazu beauftragt ihre fünfjährige Friesenstute mit dem Influenza-Impfstoff Cavallon IR zu impfen. Die Impfung sollte intramuskulär verabreicht werden. Unmittelbar nach der Injektion kollabierte die Stute. Der Beklagte injizierte intravenös daraufhin Prednisolon, ein Cortisonpräparat sowie Effortil, ein adrenalinartiges Präparat, woraufhin das Pferd verendete. Die Klägerin nahm den Beklagten auf Zahlung von 70.000 DM nebst Zinsen in Anspruch und ging nach dem unterliegenden Urteil des Landgerichts, beim OLG Hamm in Berufung. 

Die Entscheidung des OLG Hamm:

Ebenso wie die Vorinstanz gab das Gericht der Klägerin nicht Recht. Für einen Schadensersatzanspruch aus Delikt (§ 823 BGB)http://dejure.org/gesetze/BGB/823.html konnte das Gericht keinen Behandlungsfehler durch schuldhafte Verletzung von Sorgfaltspflichten feststellen. Die Vorgehensweise des Beklagten entspräche bei einer Injektion dieser Art der Behandlung de lege artis, so der hinzugezogene Sachverständige. Dass der Beklagte nach der Injektion keinen Aspirations- oder „Ansaug“-versuch durchgeführt haben soll, wurde nicht als bewiesen erachtet. Zwar sei der Tod eines Tieres bei Injektionen dieser Art möglich, aber derart selten, dass dies in der Fachliteratur nahezu unbekannt sei. Die Vergabe von einem adrenalinhaltigen Medikament sei in dieser Lage die erforderliche Maßnahme gewesen, welche vorliegend auch durchgeführt wurde.

Eine ärztliche Beratungspflicht hat der Beklagte nach Ansicht des Gerichts ebenfalls nicht verletzt. Diese beinhaltet zwar grundsätzlich die Aufklärung über Vor- und Nachteile der Behandlung und über etwaige Risiken und hat dabei die erkennbaren Interessen des Auftraggebers und die rechtlichen und sittlichen Gebote des Tierschutzes zu berücksichtigen (BGH NJW 1980, 1904). Dennoch wurde die mangelnde Vorwarnung auf das Todesrisiko des Pferdes nicht als Beratungsfehler angesehen, da sich die Beratungs- und Aufklärungspflicht nicht auf Komplikationen erstreckt, mit denen normalerweise nicht gerechnet zu werden braucht (BGH NJW 1980, 1904). Das zum Zeitpunkt der Behandlung bestandene Todesrisiko war keinem der Parteien auch nur im Ansatz bekannt und allgemein nahezu nicht zu erkennen. Das Gericht war der Ansicht, dass auch bei entsprechendem Hinweis des Beklagten über die theoretische Gefahr, das Verenden des Tieres nicht ausgeblieben wäre, da die Klägerin das Pferd bei derart geringem Risiko dennoch hätte impfen lassen und weiterhin auch bei ihren übrigen Pferden nicht meidet.

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