Tierarzthaftung für Tod eines Pferdes aufgrund schwerer Behandlungsfehler
mögliche Beweislastumkehr bei Behandlungsfehlern
Urteil des OLG Oldenburg, 26.03.2015, 14 U 100/14
Vorgeschichte:
Tierarzthaftung für Tod eines Pferdes Eine Pferdehalterin benachrichtigte ihren Tierarzt im Juni 2010, nachdem sie eine Verletzung ihres Pferdes an der Innenseite des rechten hinteren Beines in Höhe des Unterschenkelknochens festgestellt hatte. Als dieser eintraf hatte sie das Pferd bereits von der Weide geholt und an einem Balken angebunden. Im Zuge der Behandlung, die im Verschließen der Wunde bestand, gab der Tierarzt lediglich die Anweisung, das Pferd solle zwei Tage geschont werden. Nach diesen zwei Tagen sei es wieder möglich es zu reiten, sofern keine Wundschwellung einträte.
Die Besitzerin wartete drei Tage um das Pferd zum Reiten zu holen. Sofort bemerkte sie Taktunreinheiten, welche auf das verletzte Bein zurückzuführen waren.
Anschließend stellte sie das Reiten ein und meldete sich wieder bei ihrem Tierarzt. Dieser untersuchte weitere drei Tage später das Pferd und musste eine Fraktur im verletzten rechten Hinterbein feststellen. Die darauffolgende Operation gelang nicht und das Pferd musste gezwungenermaßen eingeschläfert werden.
Entscheidung des OLG Oldenburg:
Die Pferdehalterin machte einen Anspruch auf Schadensersatz gegenüber dem Tierarzt geltend.
Im Prozess wurde hierbei auch ein Sachverständigengutachten eingeholt, welches bewies, dass das Pferd sich durch den Tritt eines anderen Pferdes nicht nur eine äußerliche Wunde zugezogen hatte, sondern auch eine Fissur des Unterschenkelknochens. Diese bestehende Fissur hatte sich danach zu einer vollständig ausgeprägten Fraktur entwickelt.
Das erstinstanzliche Landgericht Osnabrück und anschließend auch das OLG Oldenburg waren übereinstimmend der Auffassung, dass der Tierarzt diese Fissur hätte erkennen müssen und gingen somit von einem Behandlungsfehler des beklagten Tierarztes aus. Er hätte aufgrund der äußerlichen Wunde weitere Untersuchungen vornehmen müssen, um eine Schädigung des Knochens ausschließen zu können. Daraufhin hätte er der Pferdehalterin die Anweisung geben müssen, das Pferd so zu halten, dass es sich nur wenig bewegen und vor allem nicht hinlegen kann. Die Fraktur des Beines war nämlich tatsächlich beim Aufstehen des Pferdes entstanden.
Die problematische Streitfrage in diesem Falle war, ob der schwere Behandlungsfehler des Tierarztes URSÄCHLICH für die Fraktur des Pferdes war. Diese Frage konnte der Sachverständige nicht klar beantworten und so kam es darauf an, ob nun die Pferdehalterin oder aber der Tierarzt die Beweislast tragen müsste.
Grundsätzlich liegt die Beweislast beim Tierhalter, wie auch ein Fall des OLG Koblenz vom 07.08.2009 (Az.: 10 U 73/08) zuvor entschied. Dies sei anders als bei der Humanmedizin, in welcher der Arzt bei groben Behandlungsfehlern die Beweislast tragen muss, wenn ein Schaden entsteht. (§ 630 h BGB)
Zunächst wurde diskutiert, dass die Vorschriften aus der Humanmedizin nicht analog auf die Veterinärmedizin angewendet werden könnten, denn der Gesetzgeber hätte in Kenntnis der ähnlichen Problematik bei Behandlungsverträgen von Tierärzten davon abgesehen, solche Vorschriften in das Gesetz aufzunehmen.
Allerdings wurde später dennoch eine Beweislastumkehr vom Tierhalter (der Pferdehalterin) auf den Tierarzt angenommen. Diese Beweislastfrage könnte nicht generalisierend geklärt werden, sondern müsste in jedem Einzelfall geprüft werden. In diesem Falle wäre es zutreffend eine Beweislastumkehr anzunehmen, weil der Tierarzt durch seine fahrlässige Aussage, das Tier könnte nach zwei Tagen bereits wieder geritten werden, das Risiko einer Fraktur mit einem möglichen tödlichen Ausgang für das Pferd erheblich erhöht hätte.
Somit musste der Tierarzt sich eines Schadensersatzanspruchs verantworten. Den Anspruch den die Pferdehalterin geltend machte, belief sich auf 100.000 Euro.
Zur Beweislast in der Humanmedizin:
§ 630 h BGB Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehler
(1) Ein Fehler des Behandelnden wird vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat.
(2) Der Behandelnde hat zu beweisen, dass er eine Einwilligung gemäß § 630d BGB eingeholt und entsprechend den Anforderungen des § 630e BGB aufgeklärt hat. Genügt die Aufklärung nicht den Anforderungen des § 630 BGB kann der Behandelnde sich darauf berufen, dass der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte.
(3) Hat der Behandelnde eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis entgegen § 630 f Absatz 1 oder Absatz 2 BGB nicht in der Patientenakte aufgezeichnet oder hat er die Patientenakte entgegen § 630 f Absatz 3 BGB nicht aufbewahrt, wird vermutet, dass er diese Maßnahme nicht getroffen hat.
(4) War ein Behandelnder für die von ihm vorgenommene Behandlung nicht befähigt, wird vermutet, dass die mangelnde Befähigung für den Eintritt der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit ursächlich war.
(5) Liegt ein grober Behandlungsfehler vor und ist dieser grundsätzlich geeignet, eine Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, wird vermutet, dass der Behandlungsfehler für diese Verletzung ursächlich war. Dies gilt auch dann, wenn es der Behandelnde unterlassen hat, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben oder zu sichern, soweit der Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis erbracht hätte, das Anlass zu weiteren Maßnahmen gegeben hätte, und wenn das Unterlassen solcher Maßnahmen grob fehlerhaft gewesen wäre.