Reichweite des Begriffs „tierheimähnliche Einrichtung“ – Anwendung auch auf Pflegestellen?

 

Erlaubnispflichtigkeit von Pflegestellen § 11 TierSchG ?

 

 

Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 04.09.2006, 23 K 6776/04

Berufung: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.11.2007, 20 A 3885/06

Revision: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23.10.2008, 7 C 9.08

Der Sachverhalt:

 Der Kläger dieser Verfahren ist ein eingetragener gemeinnütziger Tierschutzverein. Bis zur endgültigen Vermittlung werden die Tiere in privaten Pflegestellen untergebracht.

In den einzelnen Pflegestellen werden die Tiere ernährt und gepflegt, die Zahl der Tiere bewegt sich pro Pflegestelle in Rahmen eines gängigen privaten Umgangs mit Haustieren. Vom Tierschutzverein werden die Kosten der Versorgung übernommen, des Weiteren wird von ihm vorgegeben, wie die Tiere zu ernähren, zu pflegen und unterzubringen sind.

Am 14.05.2004 wurde dem Tierschutzverein durch den Beklagten das Halten von Tieren für andere untersagt. Die Tiere aus den Pflegestellen sollten im Zuge dessen anderweitig untergebracht werden.

Die Untersagung wurde damit begründet, dass der Tierschutzverein Tiere für andere in einer „tierheimähnlichen Einrichtung“ halte, ohne dafür eine Erlaubnis gemäß § 11 TierSchG zu haben.

[§ 11 TierSchG:

Wer

..2. Tiere in einem Tierheim oder in einer ähnlichen Einrichtung halten1

..will bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde.]“

 

Auch auf eine Aufforderung eine derartige Erlaubnis nachzuholen habe der Kläger nicht reagiert. Ein eingereichter Widerspruch des Tierschutzvereins wurde von der Bezirksregierung Düsseldorf mit Bescheid im September 2004 zurückgewiesen.

Daraufhin erhob der Verein am 30.10.2004 Klage.

Die Entscheidung der Gerichte:

Zunächst befasste sich das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit dem zugrundeliegenden Fall. Vorrangig drehte sich alles um die Frage, ob der Verein eine „tierheimähnliche Einrichtung“ mithilfe ihres Organisationssystems der Pflegestellen betreibe.

Also, ob die genutzten Pflegestellen dem Tierschutzverein zuzurechnen seien und dementsprechend eine tierheimähnliche Einrichtung darstellen und es mithin einer Erlaubnis gemäß § 11 TierSchG bedürfe.

Die Klage wurde abgewiesen, eine Erlaubnis nach § 11 TierSchG müsse vorliegen.

Der Tierschutzverein legte anschließend Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ein.

Jedoch urteilte das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster nicht anders als die vorherige Instanz. Insbesondere wurde in seiner Begründung ausgeführt, dass die Tiere zwar nicht in einem Tierheim selbst gehalten würden, jedoch in einer Einrichtung, die so ähnlich sei.

Nach allgemeinem Sprachgebrauch, so die Begründung des Gerichts, kennzeichne sich ein Tierheim durch einen Bestand an sachlichen und personellen Mitteln, welche durch einen gemeinsamen Zweck, nämlich der Tierhaltung miteinander verbunden seien.

Bei einer nicht gewerbsmäßigen Tierhaltung sei keine gesonderte Erlaubnis gefordert, weil man dort von einer ordnungsgemäßen Tierhaltung ausgehe. Im Gegensatz dazu gestaltet sich dies in einem Tierheim jedoch anders. Die Haltungsbedingungen dort könnten zu Verstößen gegen die materiellen Anforderungen an das Halten von Tieren führen und dementsprechend, um eine tiergerechte Haltung zu garantieren, wäre eine Erlaubnispflicht dort wichtig.

Normalerweise entspräche dem Erscheinungsbild eines Tierheims zwar ein örtlich konzentrierter Komplex der Räumlichkeiten, jedoch sei dies nicht Voraussetzung für die Annahme einer tierheimähnlichen Einrichtung im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TierSchG.2

Jene tierheimähnliche Einrichtung läge bereits vor, wenn die zentralen Merkmale einer solchen Einrichtung gegeben seien. Überdies setzen sich die Pflegestellen der Klägerin sachlich sowie personell zu einer geschlossenen Einheit zusammen, sie würden arbeitsteilig tätig und ergänzen so die auf sämtliche Tiere bezogene Eigenleistung des Tierschutzvereins.

Dementsprechend sei dies nicht gleichzusetzen mit dem Vortragen des Vereins, dass die Pflegestellen lediglich Dritte seien und diesen eigenständig der Umgang mit den Tieren überlassen werde. Die Klägerin mache die Pflegestellen für sich nutzbar und dahingehend bündele sie die Faktoren, die dem Zweck der Erlaubnispflicht nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TierSchG zugrunde lägen.

Sie nähme Tiere in großer Anzahl zur zentral organisierten Unterbringung auf und bediene sich hierbei eines funktionalen Verbundes sachlicher und personeller Mittel, so das OVG.

Zwar sei in den Pflegestellen der Rahmen eröffnet, dass es sich um einen privaten und daher erlaubnisfreien Bereich der Tierhaltung handele, jedoch wird dabei der funktionale Zusammenhang mit dem Verein wichtig.

Die Berufung des Tierschutzvereins wurde mithin zurück gewiesen.

Aber der Verein legte Revision ein.

Die Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Die Richter waren der Ansicht, dass das Urteil des Oberverwaltungsgerichts den Tierschutzverein in seinen Rechten verletzt und dahingehend rechtswidrig sei.

Folglich habe es dem Verein nicht untersagt werden dürfen, seine Tätigkeit weiter auszuführen. Es bedürfe keiner Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TierSchG, denn er halte Tiere für andere weder in einem Tierheim noch in einer tierheimähnlichen Einrichtung.

Der eindeutige Wortlaut bei Auslegung des Gesetzestextes spräche dafür, eine Definition des Wortes „Tierheim“ existiere nicht, daher sei vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen. Dahingehend läge kein Tierheim vor, wenn die Tierhaltung Teil der Wohnnutzung sei.

Ein Tierheim setze vielmehr Räumlichkeiten voraus, die jedenfalls in erster Linie zur Unterbringung von Tieren gedacht seien. So könnten auch die Pflegestellen in ihrer Gesamtheit kein Tierheim bilden.

Auch die Formulierung „tierheimähnliche Einrichtung“ hält dem Sachverhalt nicht stand. Derjenige, für den die Norm gelte, müsse erkennen können, was genau unter einer tierheimähnlichen Einrichtung zu verstehen sei. Nicht jede Ähnlichkeit mit einer Einrichtung wie der eines Tierheims könne genügen, um eine Erlaubnispflicht zu eröffnen. Es müsse vielmehr nach dem herkömmlichen Erscheinungsbild eines Tierheims geurteilt werden. Wenn wesentliche Merkmale vorlägen, könne dies eine Erlaubnispflicht begründen.

Weiterhin führten die Richter aus, dass eine Einrichtung nur dann einem Tierheim ähnlich sei, wenn die Gründe, die für eine Erlaubnispflicht der Tierhaltung in einem Tierheim bestehen, dort in gleicher Weise bestünden. Die Tiere werden in den Pflegestellen aber wie private Tiere gehalten. Im Gegensatz zu einer Haltung im Tierheim, in der Hunde in Zwingern oder auf engem Raum in großer Zahl gehalten werden und daher Anlass bestünde, die Anforderungen des Tierschutzgesetzes zu überprüfen.

Die Haltung in privaten Haushalten bedarf keiner besonderen Sachkunde wie der einer Tierheimleiterin.

Zudem beschränkt sich die Tätigkeit des Vereins darauf, die Tiere in die Stellen zu bringen und die Betreuungspersonen zu unterstützen, jedoch nicht selbst mit Fachkenntnissen die Betreuung aller zu übernehmen.

Die Untersagung der Tierhaltung war rechtswidrig, die Urteile des VG Düsseldorf und des OVG Nordrhein-Westfalen wurden aufgehoben.

(Unabhängig von diesem Urteil ist für Tierschutzorganisationen und Privatpersonen, die Hunde oder Katzen aus dem Ausland nach Deutschland bringen, um diese an neue Besitzer zu vermitteln, ab dem 01.08.2014 eine Erlaubnispflicht gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 TierSchG eingeführt worden. Jedoch rührt diese Erlaubnispflicht daher, dass Mindestqualitätsstandards im Tierschutz sichergestellt werden sollen. Dabei muss auch der Antragssteller, bzw. die verantwortliche Person des Vereins „sachkundig“ im Sinne des § 11 TierSchG sein)

 

1 nach Änderung des TierSchG ab September 2013: § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 3

2 Zur Zeit der Entscheidung § 11 Abs. 1 S.1 Nr. 2 – heute: § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 TierSchG

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Susan Beaucamp

(Rechtsanwältin)