Scheuen eines Pferdes bei sich näherndem PKW – Schadensersatz bei Pferdeunfall ?
OLG Celle, Urteil vom 20.01.2016, 14 U 128/13
Der Sachverhalt:
Vorliegend ritt die Klägerin des Falles auf einem nur für land- und forstwirtschaftlichen Verkehr freigegebenen Weg, als sich ein PKW näherte. Das Pferd scheute und schmiss die Reiterin zu Boden und wurde durch die Huftritte des Pferdes schwer im Gesicht verletzt. Pferdeunfall
Ihrer Aussage zufolge sei der Autofahrer zu schnell und zu dicht an ihr vorbeigefahren, sodass das Pferd zu scheuen begann. Laut Aussage des PKW-Halters sei dieser jedoch 10 bis 15 Meter vor der Unfallstelle bereits abgebogen, um auf dem dort befindlichen Feld zu dem Misthaufen zu gelangen.
Die Reiterin verlangte vom PKW-Halter, bzw. von dessen Versicherung Schadensersatz in Höhe von 75.000 € und weiterhin ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 €. Überdies beantragte sie, vom Gericht festgestellt zu wissen, dass ihr alle zukünftige Schäden ersetzt werden, die noch im Zusammenhang mit dem Unfall stehen.
Die Entscheidung der Gerichte:
Problematisch an diesem Sachverhalt gestaltete sich die Tatsache, dass weder dem Autofahrer, noch der Reiterin ein konkretes Verschulden an dem Unfall nachgewiesen werden konnte.
Jedoch ist allgemein anerkannt, dass sowohl von einem Pferd, als auch von einem KFZ Gefahren ausgehen, für die jeweils grundsätzlich die Halter einzustehen haben. (§ 833 BGB)
Exkurs : Es ist zu beachten, dass ein Auto gar nicht ohne Haftpflichtversicherung gefahren werden darf. Eine Tierhalterhaftpflicht ist allerdings nicht vorgeschrieben, allenfalls empfehlenswert.
Im vorliegenden Falle trafen aber die schweren Folgen des Unfalls die Reiterin.
Zunächst wies das Landgericht Hannover die Klage ab ( LG Hannover, 25.07.2013, 3 O 398/12).
Im Rahmen der Berufung entschieden die Richter des OLG Celle jedoch, dass eine Haftungsquote in Höhe von 50 % angemessen sei. (OLG Celle, 26.03.2014, 14 U 128/13)
Nach der Klärung hinsichtlich einer Frage zum Sachverständigengutachten vor dem BGH (BGH, 13.01.2015, VI ZR 204/14) entschied letztendlich das OLG Celle abschließend über den Fall.
Innerhalb des Verfahrens berücksichtigte das OLG dabei auf der einen Seite die Betriebsgefahr des PKW und andererseits die Tiergefahr des Pferdes. Beide Halter, bzw. deren Versicherungen (soweit vorhanden) müssten für die Schäden verschuldensunabhängig einstehen. Das heißt, dass sie haften, egal ob ihnen ein eigenes Fehlverhalten nachgewiesen könne oder nicht. Gefährdungshaftung
Das OLG stellte fest, dass eine allein bloße Anwesenheit des Fahrzeugs am Unfallort allerdings keine Haftung begründe, sondern stattdessen ein Kausalzusammenhang zwischen dem Fahrzeugbetrieb und dem darauffolgenden Schaden bestehen müsse.
Von Seiten der Klägerin wurde diesbezüglich glaubhaft vorgetragen, dass sie aufgrund des Motorengeräuschs auf das Auto aufmerksam geworden sei und das Pferd davon abgehalten habe, weiter zu grasen und es versuchte weiter weg zu bewegen. Mit diesem Verhalten wollte sie verhindern, dass eine automatisch durch die Schreckreaktion bedingte Fluchtreaktion des Pferdes erfolge.
Ein Sachverständigengutachten bestätigte hier den räumlich-zeitlichen Zusammenhang, sodass sich vorliegend die Betriebsgefahr des PKW realisiert habe.
Vorliegend jedoch muss auch die Klägerin für eigene, realisierte unfallursächliche Tiergefahr ebenfalls im Umfang von 50 % haften. Denn dass ihr Pferd bei unerwarteten Geräuschen scheut, ist eine automatische Instinktreaktion (natürliche Tiergefahr)..
Die Klägerin hätte berücksichtigen müssen, dass sich das dem Pferde anhaftendes Gefahrenpotential aufgrund seines Wesens verwirklichen würde.
Das Motorengeräusch eines PKW habe besonders für geräuschempfindliche Tiere, wie Pferde es sind, eine erschreckende Wirkung. Auch Pferde, die an den Straßenverkehr gewöhnt sind, könnten manchmal ausnahmsweise schreckhaft auf diese Geräusche reagieren, somit sei eine besondere Vorsicht geboten.
Durch den Abbiegevorgang des Autos habe sich die Geräuschkulisse unerwartet verändert und dies habe das Pferd eventuell scheuen lassen.
Zusammenfassend hätten die Betriebsgefahr des KFZ, ebenso wie die Tiergefahr des Pferdes gleichermaßen zu der Schadensverursachung beigetragen. Mithin sei eine Haftungsquote 50 % zu 50 % gerechtfertigt.