Auch im Tierkauf ist eine Ersatzlieferung nicht grundsätzlich ausgeschlossen

Eine Nacherfüllung durch Ersatzlieferung kommt beim Tierkauf idR in Betracht, wenn eine emotionale Bindung des Käufers an das ausgewählte Tier noch nicht bestanden hat. Dies kann dann angenommen werden, wenn der Hund erst wenige Tage beim Käufer war, dieser ihn vor dem Kauf nicht persönlich gesehen hat und den Hund nach Alter, Farbe, Geschlecht und Abstammung ausgesucht hat.“

Landgericht Rottweil, Urteil vom 25. Januar 2017, Az. 1 S 23/16

Vorinstanz: Amtsgericht Freudenstadt, 21. Januar 2016, Az. 4 C 95/13

Der Sachverhalt

Die Beklagte erwarb von der Klägerin einen Vizsla-Rüden im Welpenalter zu einem Kaufpreis vom 750 Euro. Diesen hatte die Beklagte zuvor anhand von Fotos, dem Geschlecht und der Abstammung ausgesucht. Ein persönliches Kennenlernen vor dem Kauf fand nicht statt.

Kurze Zeit Kauf litt der Rüde an epileptischen Anfällen und verstarb noch innerhalb des ersten Monats nach dem Kauf.

Die Klägerin erklärte daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte vom Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises sowie Transport- und Tierarztkosten.

Das Urteil

Das Landgericht wies die Klage ab. Der Klägerin stünde der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch aus Rücktritt vom Kaufvertrag gem. §§ 433 Abs. 1, 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 437 Nr. 2, 326 Abs. 1, 346 Abs. 1, 437 Nr. 3, 284, 281 Abs. 2 BGB nicht zu.

Die Voraussetzungen eines Rücktritts lägen nicht vor.

Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Kaufvertrag seien neben der Mangelhaftigkeit der Kaufsache und der Erheblichkeit des Mangels, dass dem Verkäufer durch den Käufer eine erfolglose Frist zur Nacherfüllung gesetzt worden sei, § 323 Abs. 1 BGB.

Die Frage, ob eine Nacherfüllung durch Ersatzlieferung beim Tierkauf in der Regel in Betracht komme, werde vom Bundegerichtshof ausdrücklich und zu Recht dann bejaht, wenn eine emotionale Bindung des Käufers an das ausgewählte Tier noch nicht bestehe.

Die Regelung des Vorrangs einer Nachlieferung vor allen anderen Rechtsbehelfen habe ihren Ursprung im Bereich einer Interessenabwägung zu Gunsten des Verkäufers, der eine letzte Chance zur ordnungsgemäßen Erfüllung haben solle, bevor sich der Käufer mit allen wirtschaftlichen Nachteilen für den Verkäufer vom Vertrag lösen könne sowie dem Gedanken, dass davon auszugehen sei, dass der Käufer in erster Linie eine mangelfreie Sache haben wolle.

Nur in bestimmten Ausnahmefällen könne sich das Rechtsschutzinteresse des Käufers direkt auf den Schadenersatz statt der Leistung richten, z.B. wenn das Abwarten einer Nachlieferungsfrist unzumutbar sei. Dies folge aus der systematischen Auslegung der §§ 437, 439, 440 BGB. Im Kaufrecht ersetze das Nachlieferungsverlagen diese Fristsetzung und gem. § 440 BGB könne ohne weitere Frist zurückgetreten oder Schadenersatz verlangt werden. Das heiße aber gleichzeitig, dass die Nachlieferung im Kaufrecht unter den gleichen Voraussetzungen entbehrlich sein müsse, wie es eine Fristsetzung bei anderen Leistungsstörungen wäre. Dies sei gem. §§ 281 Abs. 2, 323 Abs. 2, 440 BGB dann der Fall, wenn eine besondere Interessenlage eine Fristsetzung für den Gläubiger als unbillig erscheinen ließe.

Aufgrund der Gesamtabwägung könne nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem jungen Vizsla-Rüden um eine unvertretbare Sache gehandelt habe. Die Klägerin habe selbst in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass ihr bei dem Kauf des Rüden dessen Alter, Farbe, Geschlecht und die gute Abstammung von einem Worldchampion wichtig gewesen sei. Die Klägerin habe den Hund hingegen vor dem Kauf weder persönlich gesehen noch sonst erkennbar anhand besonderer charakterlicher Eigenschaften, die zudem bei einem derart jungen Hund oft noch nicht erkennbar seien, ausgewählt. Auch erscheine es nicht plausibel, dass die Klägerin lediglich anhand ihr übersandter Fotos eine persönliche Bindung zu dem Welpen bereits vor dem Kauf aufgebaut haben will. Die Konkretisierung auf den im Ergebnis erworbenen Welpen dieses Wurfes sei alleine deshalb erfolgt, da es der einzige Rüde in dem Wurf gewesen sei, er die Kriterien der Klägerin wie Rasse, Alter und Farbe erfüllt habe und es der Klägerin maßgeblich darauf angekommen sei, einen Rüden zu erwerben und keine Hündin.

Die Vertretbarkeit des Vizsla-Rüden sei auch nicht durch eine emotionale Bindung nach dem Kauf „erloschen“. Der Hund sei lediglich wenige Tage im Besitz der Klägerin gewesen, sodass der Aufbau einer emotionalen Bindung in diesem kurzen Zeitraum noch nicht erkennbar bzw. von der Klägerin nicht substantiiert vorgetragen worden sei

Auch der Umstand, dass der Beklagte der Klägerin ohne Aufforderung zunächst eine Hündin aus dem gleichen Wurf angeboten und selbst angegeben habe, dass es sich bei dem von der Klägerin erworbenen Vizsla-Rüden um den einzigen Rüden in dem Wurf gehandelt habe, schließe das Recht zur Nacherfüllung durch den Beklagten nicht aus. Selbst wenn der Beklagten offensichtlich nicht in der Lage gewesen sei, einen Rüden aus dem gleichen Wurf anzubieten, könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagten auf dem freien Markt nicht einen vom Alter, Farbe, Rasse, Geschlecht und Prämierung der Eltern vergleichbaren Hund hätte besorgen und der Klägerin anbieten können.

Gründe, die ein Nachlieferungsrecht des Verkäufers im konkreten Fall ausschließen könnten, seien daher nicht ersichtlich und von der Klägerin nicht substantiiert vorgetragen.

Nachdem eine Nachlieferung unstreitig von der Klägerin nicht begehrt worden sei, sei ihr Rücktrittsrecht ausgeschlossen und die Klage auf Rückgewähr und Wertersatz insoweit unbegründet.

Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen (Tierarztkosten, Transportkosten). Dieser Anspruch setzte voraus, dass ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung bestehe. Dieser Schadensersatzanspruch setze jedoch ein Vertretenmüssen der angenommenen Pflichtverletzung voraus. Dass der Beklagte dafür eine Garantie übernommen habe, dass der Hund auch nach der Übergabe frei von Krankheiten bleibe bzw. er frei von nicht erkennbaren genetischen Erkrankungsdispositionen sei, habe die Klägerin nicht behauptet und sei dem Kaufvertrag auch nicht zu entnehmen.

Zwar müsse der Schuldner dartun, dass er die Pflichtverletzung (hier Lieferung eines nach dem Verkauf an Epilepsie erkrankten Hundes) nicht zu vertreten habe, jedoch dürften an den Entlastungsbeweis keine zu hohen Anforderungen gestellt werden.

Im vorliegenden Fall sei ein Vertretenmüssen des Beklagten nicht erkennbar. Der Beklagte habe durch Vorlage diverser Unterlagen dargelegt, dass der von ihm verkaufte Vizsla-Rüde in der Zeit seiner Obhut keinerlei Hinweise auf eine Erkrankung gezeigt habe, die Ahnen des Hundes frei von Epilepsie gewesen und der Hund regelmäßig tierärztlich untersucht worden sei, zuletzt am Tag vor seiner Abholung. Er sei hierbei stets als gesund erklärt worden. Nachdem dem Beklagten Zuchtfehler ersichtlich nicht vorzuwerfen seien und auch nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Hund vor dem Verkauf an die Beklagte bereits Anzeichen einer Erkrankung gezeigt habe, könne nicht von einem Verschulden des Beklagten ausgegangen werden.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp