Haftung nach Hundepfiff für Reitunfall

Pferd erschrickt durch Hundepfeife

OLG Karlsruhe, Urteil vom 03.08.2017 – 7 U 200/16

 

Sachverhalt:

Der Kläger befand sich gemeinsam mit einem weiteren Reiter auf einem Ausritt. Dabei begegneten sie der Beklagten, die mit ihrem Hund, welcher unangeleint war, spazieren ging. Als der Hund die Pferde erblickte, näherte er sich ihnen und entfernte sich von der Beklagten. Um den Hund zu sich zurück zu holen und ihn von den Pferden abzurufen, pfiff die Beklagte zunächst einmal mit der Hundepfeife, danach noch mindestens ein weiteres Mal. Der Hund kam daraufhin zu ihr zurück,  die Pferde erschraken jedoch und gingen durch, wobei der Kläger stürzte und sich verletzte. Der Kläger begehrte materiellen und immateriellen Schadensersatz von der Beklagten aufgrund seiner erlittenen Verletzungen.

 

Entscheidung:

In der ersten Instanz hatte das Landgericht dem Kläger dem Grunde nach einen Anspruch zugestanden, diesen jedoch im Rahmen des Mitverschuldens auf eine Haftungsquote von 30% gekürzt. Gegen diese Entscheidung hatten beide Parteien Berufung eingelegt.

Das OLG lehnte einen Anspruch des Klägers aus unerlaubter Handlung sowie der Tierhalterhaftung vollständig ab.

Das Gericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass ein Anspruch aus Tierhalterhaftung nach § 833 BGB bereits deswegen ausscheide, weil der Kläger selbst mehrfach dargelegt hatte, dass sich die Pferde nicht vor dem Hund erschreckt hätten, sondern vor den Pfiffen der Beklagten mit der Hundepfeife. Insofern hat sich nicht die maßgebliche Tiergefahr verwirklicht, sondern ein auf den Willensentschluss der Beklagten zurückzuführendes Verhalten. Die Pferde haben nicht auf ein tierisches Verhalten reagiert, sondern auf ein menschliches, weswegen eine Haftung aus § 833 BGB nicht in Frage kommt.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus unerlaubter Handlung der Beklagten gemäß §§ 823 Abs.1, 2 BGB, denn das Ausführen des Hundes und das Pfeifen mit der Hundepfeife stellten an dieser Örtlichkeit ein erlaubtes, sozialadäquates Verhalten dar. Es ist der Beklagten nicht als fahrlässige Verletzungshandlung vorzuwerfen, dass sie durch das Pfeifen ihren Hund davon abhalten wollte, den Pferden weiter zu folgen. Die Pfiffe mit der Hundepfeife waren eine angemessene und naheliegende Reaktion auf das Verhalten des Hundes. Daran ändert sich auch nichts, weil die Beklagte mehrfach gepfiffen hat, denn es steht nicht fest, dass die Beklagte nach dem ersten Pfiff wahrgenommen habe, dass sich die Pferde aufgrund der Geräusche erschreckten. Sie hat angegeben, dass sie keine Reaktion der Pferde auf die Pfiffe wahrgenommen habe. Hinzu kommt, dass sich vorliegend das allgemeine Lebensrisiko der Reiter verwirklicht hat, dass die Pferde auf ein unerwartetes lautes Geräusch reagieren. Dieses hätte sich auch bei jedem anderen unerwarteten lauten Geräusch ergeben.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Gefährlichkeitseinstufung von kleinen Hunden

Kleiner Dackel – gefährlicher Hund?!

VG Köln, Urteil vom 21.01.2016 – 20 K 6915/14

 

Der folgende Fall verdeutlicht anschaulich, dass die Gefährlichkeit eines Hundes nichts mit seiner Rasse oder Größe zu tun hat. Auch ein bissiger Dackel kann im Einzelfall ein gefährlicher Hund im Sinne des LHundG NRW sein. Zeigt sich der Hundehalter dann auch noch uneinsichtig oder nicht in der Lage den Hund unter Kontrolle zu halten, so kann dies selbst bei einem kleinen Hund  zu einer Haltungsuntersagung führen.

 

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Halterin eines Rauhaardackel Rüden. Polizeilich wurden zunächst vier Beißvorfälle gemeldet. Bei zwei Vorfällen fügte der Dackel den Geschädigten stark blutende Fleischwunden zu, welche ärztlich behandelt werden mussten, und zerbiss Hosen und Schuhe. Bei den anderen Vorfällen machte die Hundehalterin geltend, der Hund habe in einem Fall zwar geschnappt, dabei sei aber weder eine Verletzung noch eine Beschädigung der Hose verursacht worden, im anderen Fall habe der Hund nur zugebissen, da er erheblich provoziert worden sei. Die Beklagte erließ daraufhin eine Verfügung gegen die Klägerin, in der sie einen Leinen- und Maulkorbzwang sowie eine amtstierärztliche Untersuchung für den Dackel anordnete.

Gemäß der amtstierärztlichen Stellungnahme handele es sich bei dem Dackel nicht um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 3 Abs. 3 LHundG NRW, er zeige jedoch ein übersteigertes Revierverteidigungsverhalten, welches die Halterin nicht unter Kontrolle hätte. Es wurde ein Leinen- und Maulkorbzwang empfohlen.  Einige Zeit später kam es zu einem weiteren Vorfall, bei dem der Dackel unbegleitet und ohne Leine grundlos einen Spaziergänger angriff und erheblich verletzte. Daraufhin wurde gegen die Klägerin ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 € festgesetzt.

Wegen der Beißvorfälle wurde die Hundehalterin wegen fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen verurteilt. Durch den Bewährungsbeschluss wurde ihr die Teilnahme an einem Hundetrainingskurs aufgegeben, und dass sie die ordnungsbehördlichen Auflagen in Zukunft zu befolgen habe.

Einige Wochen später wurde ein weiterer Beißvorfall gemeldet, bei dem der Dackel, gehalten an einer langen Leine und ohne Maulkorb, dem Geschädigten die Hose zerbiss und ihm eine blutende Fleischwunde zufügte. Die Klägerin wurde daraufhin von der Beklagten verwarnt, dass der Hund weggenommen werden würde, wenn sie nicht ihr Verhalten ändere. Trotz der Teilnahme an zehn Trainingsstunden mit dem Hund kam es erneut zu zwei Beißvorfällen.

Die Beklagte ordnete darauf eine Haltungsuntersagung an im Sinne des § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG.

Die Klägerin wendete ein, der Hund sei zwischenzeitlich kastriert worden und habe dadurch eine positive Wesensveränderung erfahren und begehrte die Aufhebung der Haltungsuntersagung.

 

Die Entscheidung:

Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen, da die Ordnungsverfügung rechtmäßig war.

Zwar hat die Behörde die Anordnung auf die falsche Ermächtigungsgrundlage gestützt, im Ergebnis ist dies allerdings hier unbeachtlich. § 12 Abs. 2 LHundG regelt die Haltungsuntersagung nur bezüglich Hunden bestimmter Rassen, gem. § 10 Abs. 1 sowie großer Hunde, gem. § 11 LHundG. Zu beiden Kategorien gehört der Dackel jedoch nicht. Hinzu kommt, dass die Beklagte keine verbindliche Feststellung über die Gefährlichkeit des Hundes nach § 3 Abs. 1, 3 Satz 2 in der Ordnungsverfügung getroffen hat. Ein Hund gehört vor einer verbindlichen Feststellung seiner Gefährlichkeit durch die Behörde nicht zu den im Einzelfall gefährlichen Hunden nach § 3 Abs. 3, auch wenn materiell die Voraussetzungen für Feststellung vorliegen sollten.

Eine Haltungsuntersagung kann jedoch aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles auf  § 12 Abs. 1 LHundG NRW gestützt werden.

Die Regelungen des § 12 Abs. 1 und 2 dienen insgesamt dazu, die Behörde dazu zu ermächtigen, Anordnungen zu erlassen, mit denen von Hunden ausgehende Gefahren abgewehrt werden können. Zwar handelt es sich dabei grundsätzlich um Ermessensentscheidungen der Behörde, in besonderen Fällen- wie hier- kann dieses Ermessen jedoch auf Null reduziert sein. Wegen der diversen aktenkundigen Beißvorfälle mit teils erheblichen Verletzungen, besteht kein Zweifel daran, dass von dem Dackel eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht.

Auch ohne behördliche Feststellung der Gefährlichkeit ist offenkundig, dass die materiellen Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 erfüllt sind.

Die amtstierärztliche Stellungnahme, wonach der Hund nicht gefährlich sei, ist hier unerheblich, da diese zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits mehrere Jahre zurück lag, zudem ist es unerheblich, aus welchen Gründen sich der Hund aggressiv verhält. Auch die Kastration ändert nichts an der Rechtmäßigkeit der Verfügung, zum einen, weil die Wesensveränderung nur behauptet, nicht aber bewiesen wurde, und zum anderen, weil bereits nach der Kastration erneut ein Beißvorfall aktenkundig wurde, was der Annahme einer positiven Wesensveränderung entgegen steht.

Die Halterin hat sich über mehrere Jahre hinweg als nicht willens und nicht fähig erwiesen, die Pflichten eines Hundehalters gem. § 2 Abs. 1 LHundG  gewissenhaft einzuhalten. Sie hat mehrfach gegen die Auflagen aus der ersten Ordnungsverfügung verstoßen und damit ihre Unzuverlässig begründet.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Gefährlichkeitseinstufung eines Hundes nach „Anspringen“

Anspringen kann zur Begründung der Gefährlichkeit eines Hundes ausreichen 

OVG NRW, Beschluss vom 20.04.2012 – 5 B 1305/11

Sachverhalt:

Die Antragstellerin ist Halterin eines Shar Pei. Dieser sprang bei einem Spaziergang, bei dem er angeleint war, ein sechsjähriges Mädchen an, wobei dieses hinfiel und sich zwei etwa 5cm lange Quetschungen am Bein zuzog. Ob diese Verletzungen durch den Sturz an sich oder einen Biss des Hundes entstanden sind, ist nicht aufklärbar. Jedenfalls hatte der Hund aber nach dem Kind geschnappt als er es ansprang.

Die Behörde erließ daraufhin eine Ordnungsverfügung gegen die Hundehalterin, in der sie verschiedene Auflagen anordnete, unter anderem wurde die Gefährlichkeit des Hundes festgestellt, ein Leinen- und Maulkorbzwang angeordnet und angeordnet einen Antrag auf Erteilung einer Haltungserlaubnis für den Hund innerhalb einer bestimmten Frist zu stellen.

Hiergegen wehrte sich die Antragstellerin im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes.

Die Entscheidung:

Dem Antrag wurde teilweise stattgegeben.

Die Einstufung des Hundes als gefährlich erfolgte rechtmäßig. Zwar sei das Beißen eines Menschen nicht sicher belegt im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW, es liegen aber zumindest die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 vor. Danach ist ein Hund bereits dann im Einzelfall gefährlich, wenn er einen Menschen in Gefahr drohender Weise angesprungen hat. Dies liegt dann vor, wenn durch das Anspringen, bei verständiger Betrachtung und Würdigung aller Umstände des Einzelfalles, die Gefährdung eines Menschen zu befürchten war. Insbesondere ist dies dann der Fall, wenn Kinder oder Senioren unkontrolliert so angesprungen werden, dass diese umfallen oder umzufallen drohen.

Der Einwand der Antragstellerin, es sei keine amtstierärztliche Begutachtung im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 2 LHundG NRW durchgeführt worden, blieb ohne Erfolg. Der Begutachtung und Beurteilung durch den Amtstierarzt kommt nach ständiger Rechtsprechung keine konstitutive Bedeutung zu. Sie dient im Zusammenhang mit der Prüfung der Tatbestandsmerkmale nach § 3 Abs. 3 Satz 1 LHundG lediglich der Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und soll sicherstellen, dass die Ordnungsbehörde dabei eine sachverständige Unterstützung erfährt. Da der Begutachtung eine reine verfahrensrechtliche Bedeutung zukommt, ist es nach § 46 VwVfG NRW unbeachtlich, wenn sie nicht hinreichend durchgeführt wird und offensichtlich ist, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

Für im Einzelfall gefährliche Hunde im Sinne des § 3 Abs. 3 LHundG ist keine Verhaltensprüfung zum Nachweis dessen, dass keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit von dem Hund ausgeht, vorgesehen, da diese ihre Gefährlichkeit bereits durch tatsächliches Fehlverhalten bewiesen haben.

Erfolgreich war hingegen der Antrag gegen die Anordnung, einen Antrag auf Erteilung einer Haltungserlaubnis innerhalb einer bestimmten Frist zu stellen. Für eine solche Anordnung fehlt der Behörde die Rechtsgrundlage. Eine Verpflichtung zur Antragstellung kann weder auf § 12 Abs. 1 noch auf § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG gestützt werden, da ein gesetzlicher Zwang zur Antragstellung nicht besteht. Die Antragstellung liegt allein im Interesse des Hundehalters eines gefährlichen Hundes, um der sonst drohenden Haltungsuntersagung zu entgegnen, sie kann daher nicht selbständig mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp