Hundehaltungsverbot auf Grund wiederholter Verstöße gegen das LHundG NRW

Hundehaltungsverbot auf Grund wiederholter Verstöße gegen das LHundG NRW

Jeder Hundehalter muss ohne Einschränkungen willens und in der Lage sein, die Pflichten, die sich im Zusammenhang mit der Hundehaltung ergeben, jederzeit und überall zu erfüllen.“

Verwaltungsgericht Aachen, Beschluss vom 12. Juli 2011, Az. 6 L 198/11

Der Sachverhalt

Der Kangal-Rüde (65 kg) der Antragstellerin wurde auf Grund von mindestens zwei Beißvorfällen mit anderen Hunden, wobei in einem Fall auch der gegnerische Halter verletzt wurde, als gefährlicher Hund im Sinne des § 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 LHundG NRW eingestuft. Eine vorherige Begutachtung der Amtsveterinärin fand statt.

Die Antragstellerin hat durch die Haltung ihres Hundes auch wiederholt gegen Vorschriften des LHundG NRW bzw. aufgrund dieses Gesetzes getroffene Anordnungen verstoßen. Sie hat weder den erforderlichen Sachkundenachweis zum Führen von gefährlichen Hunden oder den zum Führen von großen Hunden vorgelegt. Die Nichtvorlage hat die Antragsgegnerin bereits mit Bußgeldbescheid vom 13. März 2010 – erfolglos – geahndet. Auch die hierauf gerichtete und bestandskräftig gewordene Ordnungsverfügung vom 15. Juli 2010 blieb unbeachtet.

Weiterhin hat die Antragstellerin mehrfach gegen den angeordneten Maulkorb- und Leinenzwang verstoßen. Wegen verschiedener – teilweise angezeigter, teilweise durch Außendienstmitarbeiter der Antragsgegnerin aus eigener Wahrnehmung festgestellter – Verstöße wurden die angedrohten Zwangsgelder mit Ordnungsverfügungen jeweils in Höhe von 500 Euro bestandskräftig festgesetzt.

Mit Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 3. Mai 2011 wurde der Antragstellerin das Halten ihres Hundes untersagt und ihr unter Androhung der Anwendung unmittelbaren Zwangs aufgegeben, den Hund innerhalb von 5 Tagen nach Zustellung der Ordnungsverfügung in die Obhut des Tierheimes zu geben.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin im einstweiligen Rechtsschutz.

Die Entscheidung

Das Gericht wies den Antrag zurück.

Die Voraussetzungen für die auf § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW gestützte streitgegenständliche Maßnahme seien vorliegend gegeben.

Bei dem Hund der Antragstellerin handele es sich um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 LHundG NRW. Danach seien im Einzelfall gefährliche Hunde u.a. solche Hunde, die einen Menschen gebissen haben, sofern dies nicht zur Verteidigung anlässlich einer strafbaren Handlung geschah (Nr. 3), sowie Hunde, die einen anderen Hund durch Biss verletzt haben, ohne selbst angegriffen worden zu sein, oder die einen anderen Hund trotz dessen erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik gebissen haben (Nr. 5).

Der Kangalrüde habe unstreitig einen Menschen gebissen, ohne dass dies zur Abwehr einer strafbaren Handlung geschah. Damit erfülle er zunächst dem Wortlaut nach ohne weiteres die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW.

Allerdings gehöre Beißen (als Schreck- oder Abwehrreaktion) zum arttypischen Verhalten eines Hundes, so dass nicht jeder Beißvorfall ohne Würdigung des konkreten Sachverhaltes eine Bissigkeit im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW belegen könne. Folgerichtig und zutreffend führen die Verwaltungsvorschriften zum Landeshundegesetz (VV LHundG NRW) unter Ziffer 3.3.1.3 zu § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW deshalb auch aus:

„Soweit eine Hundehalterin oder ein Hundehalter bei einer Beißerei unter Hunden gebissen wurde oder Umstände vorliegen, bei denen der Biss auf einer reflexartigen Abwehrreaktion des Hundes beruhte (z.B. wenn eine Person versehentlich auf die Rute tritt) soll die amtliche Tierärztin/der amtliche Tierarzt den Hund begutachten. Ziel der Begutachtung ist herauszufinden, ob die Einstufung als gefährlicher Hund nach § 3 Abs. 3 gerechtfertigt ist. Die örtliche Ordnungsbehörde soll das Ergebnis der Begutachtung bei ihrer Entscheidung beachten.“

Eine derartige Begutachtung durch die Amtstierärztin und Würdigung durch die Antragsgegnerin habe hier stattgefunden.

Bei dieser Sachlage sei für eine die Gefährlichkeit des Hundes nach Maßgabe des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW verneinende Einschätzung kein Raum.

Ob darüber hinaus auch die Alternative der Nr. 5 erfüllt ist, ob der Hund der Antragstellerin

Durch die wiederholten Verstöße der Antragstellerin seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW erfüllt.

Daneben würden auch hinreichende Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Antragstellerin nicht die für das Halten gefährlicher Hunde erforderliche Zuverlässigkeit besitze (vgl. §§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 7 LHundG NRW bzw. – hier ebenfalls einschlägig – für große Hunde: § 11 Abs. 2 Sätze 1 und 2 LHundG NRW), weshalb zusätzlich auch – ungeachtet des Fehlens des erforderlichen Sachkundenachweises – die Erlaubnisvoraussetzungen für das Halten eines gefährlichen Hundes nicht vorliegen würden.

Jeder Hundehalter müsse ohne Einschränkungen willens und in der Lage sein, die Pflichten, die sich im Zusammenhang mit der Hundehaltung ergeben, jederzeit und überall zu erfüllen. Unzuverlässig im Sinne des Landeshundegesetzes ist daher, wer keine Gewähr dafür biete, dass er seinen Hund ordnungsgemäß, d.h. in einer Weise halten wird, dass von dem Hund keine Gefahren ausgehen werden. Unerheblich sei hierbei, aus welchen Gründen der Hundehalter zu einer ordnungsgemäßen Hundehaltung nicht imstande sei. Unzuverlässigkeit setze daher auch weder ein Verschulden noch einen Charaktermangel des Hundehalters voraus.

Hiervon ausgehend spreche viel dafür, dass die Antragstellerin unzuverlässig im Sinne des Landeshundegesetzes sei. Maßgeblich für diese Einschätzung sei der Umstand, dass die Antragstellerin trotz verschiedener aktenkundiger mündlicher und schriftlicher Belehrungen und sogar ungeachtet eines Bußgeldbescheides und mehrfacher Zwangsgeldfestsetzungen über einen längeren Zeitraum hinweg wiederholt und schwerwiegend ihre Halterpflichten missachtet habe. Insoweit gehöre es auch zu den Pflichten eines zuverlässigen Hundehalters sicherzustellen, dass der jeweilige Hundeführer seinerseits die Anforderungen des Landeshundegesetzes erfülle bzw. den hierzu ergangenen Anordnungen (hier: Maulkorbpflicht) Folge leiste. Tue er dies wiederholt nicht, wirke sich das zu Lasten des Hundehalters aus. Die Antragstellerin habe durch ihr Verhalten daher gezeigt, dass sie nicht willens oder nicht in der Lage ist, ihren Hund so zu halten, wie das Gesetz bzw. die hierzu ergangenen Anordnungen es zur Vermeidung von Gefahren für die Allgemeinheit von ihr verlangen.

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Gefährlichkeitsfeststellungsverfahren NRW

Im Einzelfall gefährliche Hunde

OVG NRW, Beschluss vom 16.06.2009 – 5 B 409/09

Hund hetzt Hühner

Hat ein Hund mehrere Hühner gehetzt und gerissen, so ist er als im Einzelfall gefährlicher Hund nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 LHundG NRW einzustufen. Dies gilt auch unabhängig davon, ob der Hund von einem Amtstierarzt begutachtet wurde.

Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 LHundG NRW sind im Einzelfall gefährliche Hunde solche, die gezeigt haben, dass sie unkontrolliert Wild, Vieh, Katzen oder andere Tiere hetzen, beißen oder reißen.

Im vorliegenden Fall hatte sich der Hund, was auch unstreitig war, beim Spaziergang von der Leine seines Herrchens losgerissen und ist, trotz der Rückrufkommandos, weggelaufen. Während dessen sprang der Hund über den Zaun einer Kleingartenanlage und drang in einen Hühnerpferch ein, wo er drei Hühner hetzte und riss.

Das Gesetz stellt bei der Unkontrollierbarkeit gerade nicht auf die Unkontrollierbarkeit durch den Halter ab, sondern allein darauf, ob der Hund sich bei Hetzen und Reißen der Hühner unkontrolliert verhielt. Es ist daher unerheblich, dass der Hund entlaufen war und die Hühner erst etwa eine dreiviertel Stunde nach dem Losreißen in Abwesenheit des Halters die Hühner gerissen hat.

Darüber hinaus bedarf es für die Einordnung eines Hundes als gefährlich nach § 3 Abs. 3 Satz 1 LHundG NRW nicht zwingend einer tierärztlichen Begutachtung im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 2, denn der Begutachtung und Beurteilung durch einen Amtstierarzt kommt keine konstitutive Bedeutung zu. Es handelt sich dabei um ein bloßes Verfahrenserfordernis. Die Begutachtung nach § 3 Abs. 3 Satz 2 LHundG NRW dient lediglich der Ermittlung des Sachverhalts und einer sachverständigen Unterstützung der Ordnungsbehörde dabei. Die Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes im Einzelfall setzt nämlich eine gründliche Ermittlung des Sachverhalts und eine sachkundige Begutachtung voraus. Findet im Einzelfall keine tierärztliche Begutachtung statt, so stellt dies jedoch einen reinen Verfahrensfehler dar, welcher, sofern er die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat, nach § 46 VwVfG NRW unerheblich ist.

Anders als für gefährliche Hunde im Sinne des § 3 Abs. 2, sieht das Gesetz für im Einzelfall gefährliche Hunde gemäß Absatz 3 keine Verhaltensprüfung voraus zum Nachweis dessen, dass keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit von dem Hund ausgeht, § 5 Abs. 3 LHundG NRW. Im Falle des Absatz 3 hat der Hund nämlich bereits durch tatsächliches Fehlverhalten seine Gefährlichkeit bewiesen.

Ein solches Fehlverhalten hatte der Hund im vorliegenden Fall unstreitig gezeigt und sich somit als im Einzelfall gefährlich erwiesen. Daran hätte auch keine tierärztliche Begutachtung etwas ändern können.

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Gefährlichkeitsfeststellungsverfahren Niedersachsen

Gefährlicher Hund nach erstmaligem Beißvorfall

OVG Lüneburg, AZ.: 11 ME 423/11

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Osnabrück ( 6 B 96/11) beschlossen, dass ein Hund bereits nach einem einmaligen Beißvorfall als gefährlicher Hund im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 NHundG einzuordnen ist.

Im vorliegenden Fall hatte der Hund, welcher zunächst als Staffordshire Terrier, später als Boxermischling eingeordnet wurde, ein Grundstück verlassen, auf welchem er sich besuchsweise befand und hatte einen Jack-Russel-Terrier gebissen, der über die angrenzende Straße gelaufen war. Dabei erlitt der Terrier eine blutende Bisswunde am Ohr, die geklammert werden musste. Der Feststellungsbescheid über die Gefährlichkeit des Hundes wurde mit diesem einmaligen Vorfall begründet.

In dem erstinstanzlichem Eilrechtsschutzverfahren hatte das Verwaltungsgericht beschlossen, dass es für die Feststellung nicht ausreiche, dass der Hund erstmalig einen anderen Hund gebissen habe. Vielmehr bedürfe es zusätzlicher Hinweise darauf, dass bei dem Hund ein gesteigertes, über ein artgerechtes (Beiß-)Verhalten hinausgehendes, Aggressionsverhalten vorliege. Anders sah dies jedoch das OVG. Nach ständiger Rechtsprechung würde das Gesetz im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 NHundG a.F., als Vorgängerregelung des § 7 Abs. 1 NHundG, ausgelegt werden. Demnach gelte ein Hund schon dann als gefährlich, wenn der bloße Verdacht der Gefährlichkeit bestünde. Dafür reiche es bereits aus, dass er ein anderes Tier gebissen und mehr als unerheblich verletzt hat. Einer weitergehenden Prüfung der Gefährlichkeit des Hundes bedürfe es daher nicht. Die Regelung diene der Gefahrenabwehr, welche nur effektiv gewährleistet werden könne, wenn die Behörde ohne gesteigerte Prüfungsanforderungen die Gefährlichkeit des Hundes nach einmaligem Vorfall feststellen könne. Einschränkungen und Ausnahmen von dieser Regelung sollen nicht bereits auf der Tatbestandsebene, sondern auf Rechtsfolgenseite erfolgen, zum Beispiel durch einen Wesenstest, durch welchen zum Beispiel der Leinenzwang ausgesetzt werden kann.

Demnach liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 LHundG bereits nach einem erstmaligen Beißvorfall, bei dem das andere Tier nicht unerheblich verletzt wurde, vor. Nach Sinn und Zweck der Regelung kann eine Ausnahme davon gemacht werden, wenn die Verletzung im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs etwa eines Dienst-, Wach- oder Jagdhundes erfolgte oder es sich bei der Verletzung eines anderen Tieres offensichtlich um ein artgerechtes Abwehrverhalten handelte. Ein solcher Fall war vorliegend jedoch nicht erkennbar, weswegen der Feststellungsbescheid rechtmäßig war und der Antrag zurückgewiesen wurde.

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp